Euro-Krise hilft Russland

Die Botschafter Deutschlands und Frankreichs Ulrich Brandenburg (L) und Jean de Gliniasty (R) zu Besuch bei Rossijskaja Gaseta. Foto: RG

Die Botschafter Deutschlands und Frankreichs Ulrich Brandenburg (L) und Jean de Gliniasty (R) zu Besuch bei Rossijskaja Gaseta. Foto: RG

Angesichts der schon seit drei Jahren andauernden Euro-Krise gewinne Russland zunehmend an Bedeutung für die Volkswirtschaften der EU-Mitgliedsstaaten. Diese Auffassung vertraten die Botschafter Deutschlands und Frankreichs auf einer von der Rossijskaja Gaseta organisierten Diskussionsrunde anlässlich des 50. Jahrestags des Élysée-Vertrags.

„Russland ist für Deutschland ein wichtiger Handelspartner. Der bilaterale Warenaustausch zwischen den beiden Ländern verzeichnet jährlich neue Rekorde", antwortete der deutsche Botschafter Ulrich Brandenburg auf die Frage von Russland HEUTE, ob vor dem Hintergrund der europäischen Schuldenkrise die wirtschaftliche Bedeutung Russlands für die EU steige.

„Manche Wirtschaftsexperten gehen sogar davon aus, dass eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit Russland eine Voraussetzung für die Überwindung der Euro-Krise ist. Für Frankreich trifft das auf jeden Fall zu", kommentierte der französische Botschafter Jean de Gliniasty die Frage aus der Sicht seines Landes.

Russland ist nach den USA und China wichtigster Handelspartner der EU. Nach Angaben der Europäischen Kommission erreichte der Warenaustausch zwischen der EU und Russland im Jahr 2011 Rekordniveau. Der Import aus Russland in die 27 EU-Mitgliedsstaaten betrug 198 Milliarden Euro, der Export belief sich auf 108 Milliarden Euro.

Nach den Worten von Botschafter Brandenburg lag das deutsch-russische Handelsvolumen im Jahr 2011 bei 75 Milliarden Euro. „Wir erwarten für 2012 einen neuen Rekord, eine Steigerung des Warenaustauschs in einer Größenordnung von 10 bis 15 Prozent. Russland, ich betone es noch einmal, ist einer der wichtigsten Partner Deutschlands, was Handel und Wirtschaft betrifft. Tausende deutsche Firmen sind heute bereits in Russland ansässig. Russland zieht zunehmend deutsches Kapital an, es werden Direktinvestitionen getätigt, das Investitionsvolumen steigt", so der deutsche Botschafter.

Sein französischer Kollege merkte indessen an, dass 2011 das Handelsvolumen zwischen Frankreich und Russland infolge eines Rückgangs der Einfuhr von russischem Gas nicht wesentlich gestiegen sei. Der Export Frankreichs nach Russland jedoch habe deutlich zugenommen. Eine besondere Rolle hätten dabei erfreulicherweise neue Hightechprodukte gespielt, erklärte de Gliniasty.

Statistiken der französischen Botschaft in Moskau zufolge stand Frankreich im Jahr 2011 als Lieferland für Russland weltweit an achter, unter den europäischen Exporteuren hinter Deutschland und Italien an dritter Stelle. Das Handelsvolumen zwischen den beiden Ländern war infolge der Krise im Jahr 2009 zurückgegangen, hatte sich 2010 wieder stabilisiert und ist 2011 um 15 Prozent gestiegen.

Die französische Regierung unternehme alles, um russische Investitionen nach Frankreich zu holen, ergänzte der Diplomat. Als Beispiel für russische

Investitionen in die französische Wirtschaft führte er die Übernahme des französischen Leasingunternehmens Sambre et Meuse durch Uralwagonsawod, den größten russischen Waggonbauer, im Jahr 2010 an. Außerdem erwähnte de Gliniasty den Kauf eines 75-Prozent-Anteils am Logistik-Unternehmen GEFCO, einer Tochter des französischen Autobauers PSA Peugeot Citroen, durch die russische Staatsbahn RZD Ende 2012.

Solange die Krise in der Eurozone nicht überwunden sei, nehme die wirtschaftliche Bedeutung Russlands für die EU eher weiter zu, prognostizierte der französische Diplomat. Die Krise sei ein „wunderbarer Anlass", die wirtschaftliche Verflechtung zwischen Russland und der Europäischen Union insgesamt zu stärken, ergänzte er.

Beide Diplomaten äußerten ihre Zuversicht, dass Europa die Finanzkrise überwinden werde und der Euro nicht gefährdet sei. „Ich habe überhaupt keine Zweifel daran, dass wir die Euro-Krise in den Griff bekommen. Wir haben es hier mit einer Schuldenkrise zu tun. Die Schritte, die wir in den vergangenen zwei Jahren unternommen haben, waren erfolgreich und zeigen, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden", erklärte Botschafter Brandenburg.

Auch der französische Botschafter wies darauf hin, dass die grundlegenden wirtschaftlichen Kennziffern der EU und der Eurozone stabil und solide seien. „Wenn man den Euro-Kurs der letzten Zeit analysiert, kann man sich kaum vorstellen, dass diese Währung ernsthaft in Gefahr ist. Die Schuldenkrise ist keineswegs in eine Euro-Krise umgeschlagen. Die Verhandlungen zwischen Frankreich und Deutschland waren nicht einfach, aber konstruktiv. Sie haben die Grundlage für eine ganze Reihe von Mechanismen geschaffen, die zur Stärkung der Europäischen Union beitrugen", erklärte de Gliniasty.

Die beiden Diplomaten zeigten sich davon überzeugt, dass auch 50 Jahre nach Abschluss des Élysée-Vertrags, der die friedliche Koexistenz zwischen Deutschland und Frankreich nach dem Krieg gefestigt und einen Grundstein für das vereinigte Europa gelegt habe, die Zusammenarbeit der beiden führenden europäischen Länder von großer Bedeutung sei. „Wenn Deutschland und Frankreich an einem Strang ziehen, bedeutet das für die EU Fortschritt. Wenn sie sich nicht einigen können, dann heißt das Stillstand", erklärte der deutsche Botschafter.

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