Öl und Gas: Russische Streitkräfte kehren in die Arktis zurück

Die russische Armee wird Truppen in die Arktis versetzen, gab Präsident Putin bekannt. Foto: RIA Novosti

Die russische Armee wird Truppen in die Arktis versetzen, gab Präsident Putin bekannt. Foto: RIA Novosti

Im Streit über die Kontrolle der Öl- und Gasressourcen im Nordpolarmeer will Russland eine Armeeeinheit an seiner Arktisküste platzieren. Damit sollen die eigenen Ansprüche gestärkt werden.

Der russische Präsident Wladimir Putin ordnete an, im kommenden Jahr eine Armeeeinheit in die Arktis zu verlegen. „Russland verteidigt diese perspektivenreiche Region immer aktiver, um die nationale Sicherheit zu garantieren und die eigenen Interessen wahrzunehmen", sagte der Präsident am Dienstag vergangener Woche bei dem Treffen mit der Obersten Leitung der Armee.

Putin fügte hinzu, dass in diesem Jahr mit der Wiederinstandsetzung von sieben Flughäfen in der Arktis begonnen wurde, die nach dem Zerfall der Sowjetunion unbenutzt blieben. Bis Ende des Jahres sollen Verträge über den Wiederaufbau von zwei weiteren Flughäfen abgeschlossen werden. Der Präsident dankte auch all jenen, die im laufenden Jahr am Wiederaufbau der Militärbasis auf den Neusibirischen Inseln mitgeholfen hatten, welche zwischen der Laptewsee und der Ostsibirischen See liegen. Dieser Archipel habe seinen Worten zufolge „eine Schlüsselposition für die Kontrolle der Arktis".

Die Aussage Putins kam eine Woche, nachdem bekannt wurde, dass die kanadische Regierung den Nordpol in seinen Antrag auf die Erweiterung der Seegebiete aufgenommen hatte. Diesen will Ottawa in der Kommission des Seerechtsübereinkommens einreichen. Außerdem will das nordamerikanische Land großflächige wissenschaftliche Aufklärung zum Boden des Nordpolarmeers im Bereich des Lomonossow-Rückens durchführen, einer unterseeischen Relieferhebung, die von der kanadischen Seite über Grönland durch den Nordpol in Richtung der Neusibirischen Inseln verläuft. Dies berichteten kanadische Medien.

Die Gebietsstreitigkeiten um den Lomonossow-Rücken, an der außer Kanada und Russland noch Dänemark beteiligt ist, haben große Bedeutung in der Frage der Erweiterung der Ausschließlichen Wirtschaftszone jedes dieser Länder. Gemäß dem Seerechtsübereinkommen der Uno von 1982 kann die Größe dieser Zone – 200 Seemeilen von der Küste – auf 350 Seemeilen erweitert werden, wenn das entsprechende Land genügende Beweise dazu liefert, dass der Meeresboden, der außerhalb der 200-Meilen-Grenze liegt, eine natürliche Fortsetzung des eigenen Festlandsockels darstellt.

Der Streit wird nicht so sehr um die Gebiete als solche geführt, sondern eher um die Öl- und Gasvorräte, die in der Arktis entdeckt werden könnten, obwohl die Rentabilität dieser Ressourcen in den harten klimatischen Bedingungen der Polarzone längst nicht gesichert ist.

 

Russlands Reserven reichen mindestens bis 2040

Ungeachtet dessen können, nach Schätzungen des Geologischen Dienstes der USA, auf den Gebieten hinter dem Polarkreis ungefähr 30 Prozent der unentdeckten Weltvorräte an Gas und 13 Prozent der unentdeckten Erdölvorräte liegen.  Diese Ressourcen sind lebensnotwendig für Russland, um sein Wirtschaftswachstum auch langfristig sicherstellen zu können: Nach Einschätzungen des Ministeriums für Naturressourcen der Russischen Föderation waren die Vorräte des Landes an fossilen Rohstoffen, über die es 2012 verfügte, ausreichend für die Bedürfnisse der Wirtschaft in den nächsten 30 Jahren.

Die Erklärung der russischen Führung, die Militärpräsenz in der Arktis zu erhöhen, dient laut Expertenmeinung der Sicherstellung der

Wirtschaftsinteressen und der Sicherheit von Firmen, die im Nordpolarmeer arbeiten. Gefahren militärischer Art seien dem Militärbeobachter Dmitrij Litowkin zufolge in der Arktis nicht zu finden. Die Entscheidung über die erhöhte Militärpräsenz ziele auf die Abwendung von kommenden Gefahren, die mit Territorialstreitigkeiten zusammenhängen.

„Der Staat schafft eine Plattform, auf der eine Firma die Erschließung von Naturressourcen vorantreiben kann. Nur der Staat kann zum Beispiel Gazprom garantieren, dass es ungehindert Öl und Gas auf diesem Gebiet fördern können wird", sagt Litowkin. „In der Arktis befinden sich Ölvorräte wie das Stockmann-Feld, das gleichzeitig Russland und Norwegen für sich beanspruchen. Durch die Arktis führt der strategisch wichtige Seeweg von Europa nach Asien, den es zu kontrollieren gilt, denn auch die Nickeltransporte werden über diese Route abgewickelt."

Litowkin erinnert daran, dass die russische Regierung in der Vergangenheit eine Reihe von geologischen Expeditionen durchgeführt habe. „Diese

Expeditionen haben gezeigt, dass der Lomonossow-Rücken eine Fortsetzung des Festlandsockels Russlands ist und sich deshalb die russische Grenze wesentlich weiter in den Ozean erstreckt, als bisher gedacht", sagt Litowkin. „Damit sind die USA, Kanada und Grönland nicht einverstanden, weil der Ozeanboden dort voller wertvoller Ressourcen ist, die perspektivisch erschlossen werden können."

Insgesamt glaubt der Experte nicht, dass der Gebietsstreit in einem bewaffneten Konflikt münden könnte: „Ich denke nicht, dass es zu Kriegshandlungen kommen wird. Aber die russische Führung geht davon aus, dass das Militärpotenzial Russlands in der Arktis abschreckend genug ist, um einen bewaffneten Konflikt zu verhindern", zitiert den Vertreter des Direktors des Instituts für Politik- und Militäranalyse Alexandr Chramtschitschew die Onlinezeitung „Gazeta.ru".

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