Osteuropa am Scheideweg

Der russische Präsident Wladimir Putin und der Präsident von Weißrussland Alexander Lukaschenko. Foto: Reuters

Der russische Präsident Wladimir Putin und der Präsident von Weißrussland Alexander Lukaschenko. Foto: Reuters

Die ehemaligen Länder der UdSSR sind zwiegespalten, ob sie die russische Idee von einer Eurasischen Union unterstützen wollen. Ein Überblick, wo die osteuropäischen Länder Belarus und die Republik Moldau derzeit stehen.

Die Krise in der Ukraine hat zu einer Loslösung der Krim und deren Angliederung an die Russische Föderation sowie zu einer Destabilisierung der östlichen Regionen mit einem bisher noch nicht vorhersehbaren Ausgang geführt. Diese Entwicklungen lassen Fragen aufkommen: Wo könnte es zum nächsten Konflikt kommen – zwischen Russlands Idee mit einer forcierten eurasischen Integration und der Alternative aus dem Westen? Wie stark ist der Einfluss von Moskau in den ehemaligen Sowjetrepubliken?


Belarus

Der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko verbirgt seine Sorge um die Ereignisse in der Ukraine nicht. Er gab eine Reihe einander widersprechender Erklärungen ab – in den einen heißt er das Vorgehen Russlands voll und ganz gut, in anderen jedoch erkennt er die territoriale Integrität des ukrainischen Staates an. In diesem Widerspruch spiegeln sich vor allem die Ängste Lukaschenkos wider.

Einerseits unterstützt er konsequent das Integrationsprojekt der

Eurasischen Union, andererseits jedoch lehnt er kategorisch die auch nur geringste Einschränkung der Souveränität seines Landes und seiner Regierung zugunsten Russlands ab. Lukaschenko ist gegen den Westen, aber er erkennt, dass es schwerwiegende Folgen hätte, wenn er in dieser Konfrontation mit dem Kopf durch die Wand gehen wollte. Erst kürzlich kündigte er die Privatisierung von mehr als achtzig Industrieobjekten an. Darauf hatten sowohl der Westen – als unabdingbare Voraussetzung für die Gewährung finanzieller Hilfen – als auch Russland – zur Aufrechterhaltung gleichberechtigter und partnerschaftlicher Beziehungen in der Allianz – bestanden.

Lukaschenko will anscheinend mit seinem Vorgehen die angespannte Stimmung zwischen den beiden Parteien mildern. Aber betrachtet man sich die Liste der zu privatisierenden Objekte etwas genauer, wird schnell klar, dass es sich um einen der üblichen Bluffs des belarussischen Präsidenten handelt. Außer ein bis zwei Objekte sind alle Betriebe wirtschaftlich höchst unrentabel. Dabei erwarten sowohl der Westen als auch Russland von Lukaschenko keine Ausflüchte, die alle schon gründlich satt haben, sondern praktische Schritte.

Allerdings ist für die nächste Zeit wohl kaum zu erwarten, dass es in dem Land zu einer Konfrontation der Integrationsideen, die Belarus erschüttern könnte, kommen wird. Die prowestlichen Kräfte im Land sind recht schwach. Schwach ist auch die Opposition, die für die Regierung keine ernsthafte Bedrohung darstellt. Andererseits jedoch ist in Belarus die pro-

eurasische – zumindest im Vergleich zur prowestlichen – Stimmung sehr ausgeprägt. Die Präferenz der belarussischen Regierung ist – ungeachtet der Spitzfindigkeiten Lukaschenkos gegenüber Moskau – offensichtlich: Sobald der Präsident sich vom Westen bedroht fühlt, unternimmt er alles, um die Allianz mit Russland zu stärken. Dabei spielt der militärische Aspekt der Zusammenarbeit keinesfalls die entscheidende Rolle.

Berücksichtigt man diese Faktoren und die Tatsache, dass die belarussische Wirtschaft im Wesentlichen auf den Binnenmarkt und die Märkte der Zollunion ausgerichtet ist, kann der Einfluss Russlands in Belarus als sehr groß bewertet werden.


Republik Moldau

Die Republik Moldau ist bereit, dem ukrainischen Szenario zu folgen. Die Republik beabsichtigt, das Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union bereits im kommenden Sommer zu unterzeichnen. Die prowestliche Regierung des Landes bewegt sich konsequent in diese Richtung, auch wenn sie dabei ein faktisches Auseinanderbrechen der Gesellschaft provoziert, denn ungefähr die Hälfte der Bevölkerung sieht ihre Zukunft in einer engeren Integration mit der Russischen Föderation. Dabei handelt es sich nicht nur um die prorussische – de facto unabhängige – Pridnestrowische Moldauische Republik, sondern auch um die Autonome Territoriale Einheit Gagausien, die es ebenfalls nach Russland zieht, sowie um mehrere Städte und Gebiete mit russischsprachiger Bevölkerung. 

Nach Meinung von Experten wird Kischinau seine Europaambitionen nicht ganz ohne Verluste realisieren können. Darüber hinaus solle die Regierung auch an die circa 10 000 Bürger der Republik Moldau denken, die sich als Gastarbeiter in Russland befinden. Die gegenwärtige prowestliche Regierung des Landes scheint aber alles unternehmen zu wollen, um nur ja in das „Europäische Haus“ aufgenommen zu werden.

Gegen die prowestliche Regierung stellt sich jedoch die oppositionelle Kommunistische Partei. Im Herbst sollen in der Republik Moldau Parlamentswahlen stattfinden – zurzeit sehen die meisten Prognosen die Kommunisten als Sieger. Dabei stellt sich die Frage, ob es im Herbst nicht

zu spät sein wird, den außenpolitischen Kurs zu korrigieren. Deshalb wäre es ein durchaus logischer Schritt, wenn die Kommunistische Partei die Anhänger des eurasischen Kurses noch vor der Unterzeichnung des Abkommens mit der Europäischen Union mobilisieren wird. Die Regierung ist sich offensichtlich darüber bewusst, womit sie  rechnen muss, und versucht, sich die Unterstützung des brüderlich verbundenen Rumäniens zu sichern. Das Nachbarland hat sich bereit erklärt, im Falle von Unruhen in der Republik Moldau seine Gendarmerie dorthin zu entsenden. Russland wird in einer solchen Situation wohl kaum untätig bleiben. Zu den Methoden des „sanften Drucks“ gehört das von Moskau bereits erfolgreich praktizierte Einfuhrverbot moldauischer Lebensmittel sowie eine Verschärfung der Bedingungen für die Arbeitsmigranten – je nachdem, wie die Situation sich weiter entwickeln wird.

 

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