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Zwei Jahre ist es nun schon her, dass in Moskau der „Marsch der Millionen“ stattgefunden hat. Diese Protestaktion am Vorabend der Amtseinführung von Wladimir Putin ging mit schweren Auseinandersetzungen zwischen den Demonstranten und der Polizei zu Ende. Die Ereignisse auf dem Bolotnaja-Platz im Zentrum der Hauptstadt markierten das Ende der Hochphase der Opposition in den Jahren 2011 bis 2012. Von den Ereignissen auf dem Bolotnaja-Platz hat sich die oppositionelle Bewegung in Russland bis heute nicht erholt. Der Soziologe Lew Gudkows stellte fest: „Die Bereitschaft, an Protestaktionen teilzunehmen oder diese zu unterstützen, ist bis zum Winter dieses Jahres auf den niedrigsten Stand seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion gefallen.“
Der Fall Bolotnaja
Nach dem blutigen Ende des „Marschs der Millionen“ begann ein für die jüngere Geschichte Russlands beispielloser Gerichtsprozess. Der „Bolotnaja-Fall“ beherrschte lange die Schlagzeilen. Eine unabhängige internationale Kommission, an der unter anderem auch Аmnesty International und Human Rights Watch beteiligt waren, kam zu dem Schluss, dass „die Gewalt und die Ordnungswidrigkeiten im Wesentlichen eine Folge des Vorgehens der Regierung und vor allem der Polizei waren“. Dennoch wurden ausschließlich Demonstranten zur Verantwortung gezogen.
Gegen 27 Beteiligte der Protestveranstaltung wurde Anklage erhoben. Die Vorwürfe waren vollkommen unterschiedlich. Die einen Demonstranten hätten mit Asphaltbrocken geworfen, andere hätten Polizisten gestoßen, jemand habe Telefonzellen umgeworfen. Der 23-jährige Jaroslaw Belousow zum Beispiel wurde allein auf Grundlage der Aussagen von Polizisten und einer Videoaufzeichnung, auf der er eine Zitrone in die Massen warf, zu zweieinhalb Jahren Straflager verurteilt. Zusammen mit ihm wurden am 24. Februar 2014 noch weitere sechs Personen zu längeren Haftstrafen zwischen zweieinhalb bis sechs Jahren verurteilt.
Die an der Protestaktion beteiligten Köpfe der linksradikalen Bewegung „Lewyj front“ („Linke Front“), Sergej Udalzow und Leonid Raswosschajew,
warten noch auf die Entscheidung des Gerichts. Eine Ermittlung gegen sie wurde im Oktober 2012 nach der Ausstrahlung des Films „Anatomie des Protestes 2“ auf einem der staatlichen Fernsehsender aufgenommen. In dem Beitrag wurde behauptet, die Beiden hätten zusammen mit dem Linksaktivisten Konstantin Lebedjew und dem georgischen Politiker Giwi Targamadse in Russland Massenunruhen organisiert. Ziel sei die Machtergreifung gewesen. Lebedjew legte ein Geständnis ab und schloss einen Deal mit der Staatsanwaltschaft. Er wurde zu zweieinhalb Jahren Gefängnishaft verurteilt, aber nach der Hälfte der Haftzeit vorzeitig entlassen. Er sagte gegen seine ehemaligen Kampfgefährten aus und gilt seitdem in den Reihen der Opposition als Verräter.
„Der Zustand der Opposition ist nicht der beste“
Der russische Anwalt und oppositionelle Aktivist Alexander Nawalny erlangte durch seine Veröffentlichungen über den Kampf gegen die Korruption im Internet einige Berühmtheit. Im Sommer 2013 wurde er mit dem Vorwurf der Unterschlagung von Eigentum der Firma Kirowles zu
einer Haftstrafe von fünf Jahren verurteilt. Nachdem Präsident Wladimir Putin den Richterspruch als „seltsam“ bezeichnete, wurde das Urteil in eine Bewährungsstrafe umgewandelt. Nawalny war zuvor in einen anderen Fall verwickelt gewesen, bei dem es um die Unterschlagung von 27 Millionen Rubel (etwa 500 000 Euro) bei dem Unternehmen Yves Rocher ging.
Gegenwärtig befindet Nawalny sich unter Hausarrest, er darf weder Internet noch Telefon nutzen und mit niemandem außer Verwandten und Anwälten kommunizieren. Dass Nawalny sich während des Ermittlungsverfahrens nicht in Untersuchungshaft befand, ist für Russlands Justizpraxis äußerst ungewöhnlich. Nach Meinung von Experten ist diese Sonderbehandlung Teil einer Kampagne zu seiner Diskreditierung. Bei anderen Oppositionellen soll Misstrauen gegen ihn geschürt werden, vermuten Experten. „Die Nachgiebigkeit in Bezug auf Nawalny vor dem Hintergrund des Bolotnaja-Verfahrens entfremdet ihn von der Masse der Demonstranten“, erklärt Alexander Poschalow vom kremlnahen Institut für sozialökonomische und politische Forschungen.
„Der Zustand der Opposition ist gegenwärtig nicht der beste“, gesteht einer der Führer des liberalen Flügels, Boris Nemzow, ein. „Viele unserer Kameraden befinden sich zurzeit hinter Gittern, ein Teil der Leute ist zur Fahndung ausgeschrieben, einige sind ausgewandert.“ Ilja Ponomarjow, linker Oppositionspolitiker und Abgeordneter der Staatsduma, fügt hinzu:
„Als organisierte politische Kraft hat die Opposition aufgehört zu existieren, da eine Abgrenzung verschiedenster politischer Kräfte stattgefunden hat.“
Nicht einmal ein Jahr nach seiner Gründung löste sich der im Oktober 2012 gegründete Koordinierungsrat der russischen Opposition wieder auf, da deren Teilnehmer untereinander vollkommen zerstritten waren. Dem Soziologen Lew Gudkows zufolge sind die Losungen der Opposition – ehrliche Wahlen, Korruptionsbekämpfung, Reform des Wahlsystems – anfangs von nahezu der Hälfte der Bevölkerung unterstützt worden, „bis dann die Kreml-Propaganda ihre Arbeit aufnahm und vor der ‚Hand des Westens‘ und ‚ausländischen Agenten‘ warnte“, so Gudkows. Zuvor waren ausländische gemeinnützige Organisationen, die ihre Finanzierung aus dem Ausland erhalten, verpflichtet worden, sich als „ausländische Agenten“ registrieren zu lassen.
Verschärfte Gesetze machen es der Opposition schwer
„Eine Handvoll Anschuldigungen seitens des Kreml reichte aus, den Losungen der Opposition den Wind aus den Segeln zu nehmen“, fährt Gudkows fort. „Ab einem bestimmten Zeitpunkt begann die öffentliche Meinung zu kippen, glaubte immer mehr dem Kreml und schwenkte auf dessen Seite um“, erklärt er. Das gelte für das ganze Land. Nur in Moskau sei die Situation anders, da dort die Protestbewegung traditionell deutlich aktiver sei. So fand am 15. März 2014 eine Anti-Kriegs-Kundgebung gegen die militärische Einmischung Russlands in die inneren Angelegenheiten der Ukraine statt. Nach Angaben der Organisatoren nahmen daran 50 000 Menschen teil.
Die Regierung hat jedoch eine Verschärfung der Versammlungsgesetze durchgesetzt. So werden jetzt zusätzliche Anforderungen an die Organisatoren von Demonstrationen gestellt, und die Strafen für Vergehen
während solcher Veranstaltungen wurden angehoben. Der Abgeordnete Andrej Krasow, Initiator des entsprechenden Gesetzesentwurfs, erklärte, dies sei notwendig gewesen, um Ordnung zu schaffen und „den restlichen Bürgern ein ruhiges Leben zu garantieren“. Am 1. Februar 2014 trat das Gesetz über die Sperrung von Internetseiten ohne richterliche Anordnung im Falle „der Verbreitung von Aufrufen zur öffentlichen Unruhe“ in Kraft. Der Vertreter des Föderalen Dienstes für die Aufsicht im Telekommunikationsbereich, Wadim Ampelonskij, behauptet, dass das Gesetz nicht gegen die Opposition gerichtet sei, sondern „in erster Linie gegen Extremismus in Internet und Aufrufe zu terroristischen Aktionen“.
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