Eurasische Wirtschaftsunion: Konkurrenz für die EU?

Russland, Belarus und Kasachstan haben ab 2015 einen gemeinsamen Markt. Foto: PhotoXPress

Russland, Belarus und Kasachstan haben ab 2015 einen gemeinsamen Markt. Foto: PhotoXPress

Mit der Eurasischen Wirtschaftsunion soll eine Wirtschaftsgemeinschaft nach dem Vorbild der Europäischen Union entstehen. Bisher gibt es mit Russland, Belarus und Kasachstan nur drei Mitglieder, doch weitere Staaten haben bereits Interesse signalisiert.

Russland hat den Vertrag zur Gründung einer Eurasischen Wirtschaftsunion unterzeichnet. Neben Russland gehören Belarus und Kasachstan zu den drei Gründungsstaaten. Innerhalb von zehn Jahren soll nach dem Vorbild der Europäischen Union ein gemeinsamer Wirtschaftsraum geschaffen werden. Bisherige Schutzmaßnahmen werden dazu schrittweise aufgehoben. Ein gemeinsamer Markt soll auch in Segmenten entstehen, die bisher von den einzelnen Staaten stark reguliert wurden, wie Pharmazie, Energie oder Finanzen.

„Die Eurasische Wirtschaftsunion ist keine Kopie der Europäischen Union", stellt Andrej Slepnew, der Handelsminister der Eurasischen Wirtschaftsunion, klar. Man wolle aber versuchen, die Erfahrungen der EU zu berücksichtigen, insbesondere, um Fehler zu vermeiden, sagt er. Es gebe entscheidende Unterschiede zwischen beiden Wirtschaftsvereinigungen: „Die supranationalen Institutionen haben in der EU viel größere Vollmachten, zudem hat die EU eine gemeinsame Außenpolitik und eine gemeinsame Währung – das ist ein völlig anderes Niveau", erklärt der Handelsminister. Kern der Eurasischen Wirtschaftsunion sei die Schaffung eines einheitlichen Wirtschaftsraums für die Mitgliedstaaten mit Waren-, Dienstleistungs-, Kapital- und Investitions- sowie Arbeitnehmerfreizügigkeit, betont Slepnew.

 

Positive Erfahrungen mit der Zollunion

Die bereits zwischen den drei Gründungsstaaten bestehende Eurasische Zollunion habe positive Auswirkungen auf die nationalen Wirtschaften gezeigt. Im Jahr 2011 wurden Zölle innerhalb der Zollunion abgeschafft und ein einheitlicher Zolltarif eingeführt. Dadurch wurden Handelsschranken aufgehoben und der gemeinsame Handel reguliert, erläutert Slepnew. „Im Jahr 2011 wurde innerhalb dieser Staaten mehr Handel betrieben als mit Staaten außerhalb der Zollunion. Das Handelsvolumen stieg im Jahr 2012 bereits um das Dreifache", berichtet er. Bereits jetzt seien Effekte mit langfristiger Wirkung sichtbar. Der Anteil des Handels aus maschineller Produktion innerhalb der Zollunion sei um das Achtfache höher als der Handel mit Drittländern. Der Anteil an Öl, Gas und Energierohstoffen am Handel sei von 40 auf 32 Prozent gesunken.

Wenn alle Gründungsstaaten den Vertrag ratifiziert haben, tritt das Abkommen zum Jahresbeginn 2015 in Kraft. Armenien plant, der Eurasischen Wirtschaftsunion ebenfalls beizutreten. Auch Kirgistan hat Interesse an einem Beitritt noch im kommenden Jahr signalisiert. Nach Angaben von Andrej Slepnew haben bislang vierzig Staaten Interesse an einem Beitritt oder an Kooperationsprojekten wie einem Freihandelsabkommen mit der Eurasischen Wirtschaftsunion gezeigt. Gespräche über Freihandelsabkommen würden derzeit konkret mit Vietnam geführt, sagt Slepnew. Mit Israel und Indien würden ebenfalls bald Gespräche aufgenommen.

 

Gemeinsame Wirtschaft – gemeinsame Politik?

Alexander Michajlenko vom Lehrstuhl für Außenpolitische Aktivitäten Russlands an der Russischen Akademie der Wissenschaften erklärt die verschiedenen Stufen von Wirtschaftsintegrationsprojekten. „Es gibt theoretisch fünf Integrationsstufen. Die erste sieht die Schaffung einer Freihandelszone vor, die zweite einen gemeinsamen Markt, die vierte eine Wirtschaftsunion und die fünfte Stufe beinhaltet eine politische Dimension." Die EU befinde sich demnach auf der fünften Stufe, die Eurasische Wirtschaftsunion beginne gerade erst mit Stufe vier, so Michajlenko. „Mit Erreichen der vierten Stufe ist die wirtschaftliche Integration vollendet", erläutert er. Im Hinblick auf die Umsetzung der fünften Stufe hielten sich

Belarus und Kasachstan seiner Einschätzung nach eher zurück. „Aufgrund der Erfahrungen in der UdSSR befürchten beide Staaten, dass Russland versuchen könnte, alle zu dominieren", merkt Michajlenko an.

Experten weisen darauf hin, dass die Eurasische Wirtschaftsunion noch mit Schwierigkeiten zu kämpfen habe. Demnach hat Russland im vergangenen Jahr eine starke Verlangsamung des Wirtschaftswachstums erfahren, aufgrund der Rubelentwertung und der EU-Sanktionen droht eine Inflation, wie Anton Soroko, Analyst bei Finam, erklärt. In Kasachstan und Belarus seien die geringe Diversifikation der Wirtschaften und der geringe staatliche Einfluss auf die Wirtschaft problematisch, glaubt Soroko. Alexej Koslow, Analyst bei UFS IC, weist auf die Unterschiede in der Geld- und Kreditpolitik hin, die es gebe, weil die Eurasische Wirtschaftsunion keine Einheitswährung habe.

Der Ökonom Alexandr Michajlenko geht daher davon aus, dass die Eurasische Wirtschaftsunion auch politisch intensiver zusammenarbeiten werde. Er erinnert daran, dass auch die EU zunächst nur eine Wirtschaftsgemeinschaft gewesen sei. Heute seien die Mitgliedstaaten der EU nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch miteinander verbunden, etwa durch eine gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik.

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