Alexej Nawalny ruft zum „Anti-Krisen-Marsch“ auf

Am 1. März wollen Kreml-Kritiker gemeinsam gegen die Krise demonstrieren. Foto: Sergej Karpow/TASS

Am 1. März wollen Kreml-Kritiker gemeinsam gegen die Krise demonstrieren. Foto: Sergej Karpow/TASS

Der bekannte Oppositionelle Alexej Nawalny hat gemeinsam mit liberalen Parteien zum „Anti-Krisen-Marsch“ am 1. März in Moskau aufgerufen. Neben politischen werden auch wirtschaftliche Forderungen gestellt. Experten rechnen jedoch mit keiner hohen Beteiligung – noch treibe die wirtschaftliche Lage die Menschen nicht auf die Straße.

Alexej Nawalny, Vorsitzender der Fortschrittspartei und bekannter Kreml-Kritiker, hat für den 1. März einen „Anti-Krisen-Marsch" in Moskau angekündigt. „Die Idee des Marschs ist einfach: Die Leute im Kreml haben es nicht geschafft und werden es auch nicht schaffen. Sie hatten 15 Jahre Zeit und drei Trillionen US-Dollar, die vom Verkauf von Naturressourcen erhalten wurden", erklärte Nawalny auf seiner Webseite. Jetzt, da „das Geld aufgefressen" und „die Herabstufung des Ratings von Russland das Land auf das Niveau von 2005 zurückgeworfen" habe, ruft der Oppositionelle alle auf, sich dem Anti-Krisen-Protest anzuschließen.

 

Die Russen sind noch nicht verzweifelt

Wirtschaftliche Probleme beginnen allmählich die Themen zu verdrängen, über die die Opposition normalerweise spricht. Die wachsende Inflation und die unklare Zukunft lenkten die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit von dem innenpolitischen Kampf ab, das versuche die Opposition spontan zu nutzen, meint Michail Winogradow, Präsident der Stiftung Peterburschskaja politika (zu Deutsch - "Petersburger Politik"). „Sie sieht die Möglichkeit, die sozial und politisch unzufriedenen Bürger zu vereinigen", sagt der Politologe. Seiner Ansicht nach ist Nawalny in der Gesellschaft durchaus anerkannt, was die Moskauer Bürgermeisterwahlen im vergangenen Jahr belegten – Nawalny errang mit 27 Prozent den zweiten Platz. Die Frage bestehe darin, so gibt der Experte zu bedenken, ob seine Rhetorik kraftvoll genug sei, die Bürger mitzureißen.

 

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Noch ginge es den Russen nicht schlecht genug, um auf die Straße zu gehen, bemerkt auch Olga Kryschtanowskaja, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung für Analyse sozialpolitischer Prozesse am Institut für Soziologie der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau. „Die wirtschaftlichen Faktoren für einen Protest sind gegeben, aber die Menschen klagen nicht. Im Gegenteil, sie sagen: ‚Wir unterstützen die Politik Russlands und wir sind bereit auszuhalten, denn wir haben schon Schlimmeres erlebt'", erklärt die Soziologin. „Die Verzweiflung wird vermutlich später kommen, wenn staatliche Betriebe pleitegehen oder die große Arbeitslosigkeit kommt."

Darüber hinaus sei Nawalnys Ruf infolge seiner jüngsten Verurteilung geschädigt, meint die Soziologin und widerspricht damit Winogradow: „Um die Basis der Unterstützer auszuweiten, braucht man Vertrauen in den Anführer. Und von welchem Vertrauen kann die Rede sein, wenn gegen ihn ermittelt und er für schuldig befunden wurde!"

 

Die Opposition nutzt die Krise

Die Protestbewegung, die unter dem Motto „Frühling" in Moskau demonstrieren will, stellt wirtschaftliche als auch politische Forderungen. Zu den sozialwirtschaftlichen Forderungen zählen eine Aufhebung des russischen Lebensmittelembargos, eine Kürzung der „aufgeblasenen militärisch-polizeilichen Ausgaben" und eine „Aufhebung der Beschlüsse über die Beschlagnahmung von Rentenersparnissen der Bürger".

Doch die wirtschaftlichen Forderungen seien im Gegensatz zu den politischen noch relativ verschwommen, wie der Direktor des kremlnahen

Instituts für sozialwirtschaftliche und politische Forschung Alexandr Poschalow anmerkt. „Am spürbarsten drängen derzeit andere Themen, etwa die Probleme der Haushaltsverwaltungen, die soziale Unterstützung bedürftiger Bürger, die Probleme der Hypothekenzahler – und die sind umso schwerwiegender, wenn die Hypotheken in harter Währung festgelegt wurden – oder das Problem des öffentlichen Nahverkehrs in den Regionen", führt der Experte aus.

Poschalow erkennt an, dass auch die Preiserhöhungen vielen Russen Sorgen bereitet. „Doch eine Aufhebung der Gegensanktionen wird nicht auf die Situation einwirken: Auch wenn der Lebensmittelimport wiederaufgenommen wird, werden die Preise trotzdem nicht auf ihr früheres Niveau zurückkehren", ist der Experte überzeugt.

 

Über alle Parteigrenzen hinweg

Die Opposition versucht indes, mit der Protestaktion eine große Koalition zu formieren. Die Organisatoren der Veranstaltung sind ideologisch zwar sehr unterschiedliche liberale Parteien. Nawalny selbst aber ruft auf seiner Webseite all diejenigen zum Kommen auf, die die Forderungen des „Anti-Krisen-Marschs" unterstützen.

Nach Ansicht der Gesprächspartner von RBTH ist eine Konsolidierung im Moment allerdings nicht sehr wahrscheinlich. Sie würde erst möglich werden, wenn gemeinsame negative Gefühle alles andere überlagerten. Erst dann „werden die Teilnehmer der Aktion alle Gegensätze vergessen können", meint Winogradow. Wenn die wirtschaftliche Lage zum Tag der Aktion sich nicht drastisch verschlechtere, werde es auch keine große Koalition geben, glaubt der Experte.

 

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