Amnesty-Bericht: Wie gefährlich ist die Krim?

Amnesty International kritisiert Menschenrechtslage auf der Krim. Foto: Marina Lyszewa/TASS

Amnesty International kritisiert Menschenrechtslage auf der Krim. Foto: Marina Lyszewa/TASS

Zum Jahrestag der Eingliederung der Krim in die Russische Föderation hat Amnesty International einen alarmierenden Bericht über die Menschenrechtslage auf der Halbinsel veröffentlicht. Darin ist die Rede von Entführungen und Folter, von Attacken auf Medien und Nichtregierungsorganisationen sowie Diskriminierung der Krim-Tataren.

Zum Jahrestag der Eingliederung der Halbinsel Krim in die Russische Föderation am 18. März hat die Organisation Amnesty International einen 24-seitigen Bericht über die Menschenrechtssituation auf der Krim veröffentlicht. Amnesty will zahlreiche Fälle von Menschrechtsverletzungen auf der Halbinsel ausgemacht haben. Unter anderem, so ein Vorwurf, seien mehrere Menschen einfach verschwunden.

 

Suche nach Vermissten läuft

Sieben Menschen sollen demnach entführt worden sein, darunter drei Krim-Tataren. Einer der Entführten sei im Frühjahr dieses Jahres tot aufgefunden worden und habe Folterspuren aufgewiesen. Über die anderen sei bislang nichts bekannt. Auf Anfrage von RBTH erklärte Krasimir Jankow, Co-Autor des Berichts und Amnesty-Beobachter für die Ukraine, Weißrussland und Moldawien, dass Amnesty keine Fortschritte bei der Aufklärung dieser Fälle feststellen könne. Dabei hatten Regierungsvertreter eine Kontaktgruppe eingerichtet, die auch „einige Male zusammengekommen ist und versprochen hat, diese Fälle aufzuklären". Wie Jankow hervorhob, seien alle Entführungsopfer pro-ukrainisch eingestellt gewesen und hätten sich gegen eine Eingliederung der Krim in die Russische Föderation ausgesprochen.

Michail Nazarow, Chef des russischen Untersuchungskomitees und zuständig für die Krim, erklärte laut Medienberichten indes, dass im „Zusammenhang mit verschwundenen Bürgern" in zwölf Fällen ermittelt werde. Ruslan Balbek, Vize-Premier der Krim, kommentierte gegenüber RBTH, dass die Ermittlungen von Sicherheitsbehörden durchgeführt würden, die außerhalb des Einflussbereichs der Krim-Regierung stünden.

Von „Einzelfällen" spricht Sejtumer Nimetullaew, Vorsitzender der gemeinnützigen Organisation Kjyrim birligi (tatarisch für „Einheit der Krim"), die sich für die Krim-Tataren einsetzt. Im Gespräch mit dieser Zeitung räumte er ein, dass ihm Informationen über das Verschwinden einiger Menschen vorliegen. Doch es entziehe sich seiner Kenntnis, ob sie entführt worden oder „aus freien Stücken untergetaucht" seien. Westliche Medien bauschten die Fälle auf, kritisierte er.

 

Wundersamer NGO-Schwund

Zwar hätten gegenwärtig „die Tataren viele Probleme", gab Nimetullaew zu. Diese hingen jedoch mit der Integration in die neuen staatlichen Strukturen zusammen. So gebe es derzeit die größten Schwierigkeiten bei der Verteilung und Anmeldung von Landeigentum. Auch Iwan Garda, Vorsitzender von Mir, dem Kongress für die Rechte und Freiheiten des Menschen und Dachverband für gemeinnützige Nichtregierungsorganisationen, sieht hier Probleme. Seine Organisation befasse sich mit den Anliegen der Krim-Tataren und dabei falle auf, dass es bei der großen Mehrheit der Fälle um Landeigentum ginge, nicht aber um politische Repressalien.

 

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Amnesty International hingegen mahnte, dass die „faktischen Machthaber auf der Krim eine Atmosphäre der Angst" schürten. Wie es in dem Bericht vom 18. März heißt, bedienten sich diese „einschüchternder und repressiver Methoden, um Medien und Nichtregierungsorganisationen zum Schweigen zu bringen". Iwan Garda entgegnet, er habe keine entsprechenden Erfahrungen gemacht. Er gibt zwar zu, dass Verantwortliche manchmal nur unzureichend über die Arbeitsweise von NGOs informiert seien, die Tätigkeit jedoch nicht behindern, sondern manches Mal auch unterstützen würden.

Garda nahm auch Stellung zu der Aussage von Amnesty, dass es auf der

Krim „eine Reihe bekannter unabhängiger Menschenrechtsorganisationen" nicht mehr gäbe. Nach Angaben von Garda sind viele dieser Organisationen aus dem Ausland finanziert worden und fielen demnach unter das Gesetz über ausländische Agenten. Das ziehe unter anderem eine stärkere Überwachung durch russische Behörden nach sich. „Drei Viertel der Vorsitzenden dieser auslandsfinanzierten Nichtregierungsorganisationen zogen es vor, sich von der Krim zurückzuziehen, und gingen nach Kiew", so Garda. Er kann sich vorstellen, dass einige von ihnen irgendwann zurückkehren. Einige seien zudem durchaus weiter aktiv, weiß Garda: „Bei uns arbeitet die Helsinki-Gruppe und eine Reihe internationaler Organisationen, die durch ausländische Mittel finanziert werden."

 

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