Tsipras in Moskau: Was Griechenland verändern kann

Tsipras und Putin: Eine Spaltung der EU braucht Russland nicht, meinen Experten.  Foto: Pressebild

Tsipras und Putin: Eine Spaltung der EU braucht Russland nicht, meinen Experten. Foto: Pressebild

Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras und der russische Präsident Wladimir Putin zeigten sich bei ihrem Treffen in Moskau kooperationsbereit, trotz der schwierigen Beziehungen zwischen Russland und der Europäischen Union. Experten warnen jedoch, dass eine schrittweise Normalisierung des Verhältnisses zu Brüssel für Moskau vorteilhafter sei als eine offene Spaltung der EU zu provozieren.

Russische Experten stellen fest, dass der Normalisierungsprozess in den russisch-europäischen Beziehungen sich nur schleppend vollzieht. Einige meinen, er komme gar nicht voran. „Ich sehe eine leichte Verbesserung der Einstellung gegenüber Russland bei einzelnen Ländern wie Griechenland, Ungarn, Zypern und Italien. Doch die Mehrheit der EU-Länder, einschließlich Deutschland, hält weiterhin unnachgiebig an ihrer Position fest", sagt Dmitrij Suslow, stellvertretender Direktor des Zentrums für europäische und internationale Studien an der Higher School of Economics.

„Im Sommer werden die Sanktionen wahrscheinlich verlängert. Denn einerseits dominiert die Position der baltischen Länder in der Europäischen Union, andererseits sind strategisch bedeutende Durchbrüche in der Ukraine bis Juni nicht zu erwarten", meint Oleg Barabanow, wissenschaftlicher Leiter des Europa-Instituts des Staatlichen Moskauer Instituts für Internationale Beziehungen (MGIMO).

 

Strategie „Griechischer Rammbock"

In dieser Situation glauben die Kräfte in Russland, die auf eine scharfe Reaktion auf die EU-Sanktionen pochen, man müsse die Brüsseler Politik brechen, wenn sie nicht zu verändern sei. Und sie hoffen, den griechischen Premier Alexis Tsipras als eine Art Rammbock dafür nutzen zu können. „Einzelne EU-Länder haben einfach Angst, die Aufhebung der EU-Sanktionen zu thematisieren", erklärt Oleg Balabanow: „Tsipras ist der erste Regierungschef in der EU, der den Mut aufbrachte, offen darüber zu reden. Wenn man sich ihm nicht verschließt, könnten andere Unzufriedene seinem Beispiel folgen."

Tsipras selbst ist bereit, die Rammbock-Rolle zu übernehmen. Er kam an die Macht unter der Losung, auf weitere Ausgabenkürzungen zu verzichten, was einen ernsthaften Konflikt mit der EU heraufbeschwören musste. Wenn er seine Wahlversprechen umsetzt, wird er bei einer Verletzung des europäischen Solidaritätsprinzips auch in der Sanktionen-Frage nichts mehr zu verlieren haben. „Griechenland ist sowieso am Rande einer Staatspleite. Man kann sie um einige Monate aufschieben, aber sie ist unumgänglich", sagt Oleg Balabanow.

Doch die Frage ist, was Russland Tsipras im Gegenzug für die Rolle des Rammbocks anbieten könnte. „Nur einen großen Kredit", meint Balabanow. „Lebensmittellieferungen oder Gas-Deals werden hier nicht helfen. Griechenland braucht das Geld, um die ersten Monate der Spaltung mit der EU zu überleben und die Mittel für Renten und Gehälter aufzubringen, etwa 3,7 Milliarden Euro", sagt der Politologe.

Nach offiziellen Angaben kam die Frage nach einem Kredit vonseiten Tsipras nicht auf, doch Russland habe seine Bereitschaft zum Ausdruck gebracht, Griechenland finanziell zu unterstützen – aber nicht in Form von Krediten, sondern in Form von Investitionen in die griechische Wirtschaft wie beispielsweise die Finanzierung von Großprojekten in Griechenland und eine Beteiligung an der Privatisierung. Zudem soll das Lebensmittelembargo gelockert werden.

 

Der „sanfte" Weg

Die Zweckmäßigkeit eines „griechischen Rammbocks" stellen einige Experten allerdings in Frage. Denn für Moskau sei es inakzeptabel, den Sanktionskrieg dadurch zu beenden, dass es einzelne EU-Mitglieder gegeneinander ausspiele. „In einer solchen Situation würde die innere Spaltung der Europäischen Union offen zu Tage treten und die EU würde sichtlich geschwächt. Davon hat Moskau nichts", erklärt Wladimir Bruter,

Experte des Internationalen Instituts für sozial-politische Studien. Das Machtvakuum, das so entstünde, würden Kräfte füllen, die Russland kritisch gegenüberstehen wie etwa Großbritannien.

Stattdessen sollte Moskau stärker daran arbeiten, die gesamteuropäische Strategie zu gestalten. Unter anderem auch durch die Beziehungen mit europäischen Ländern, die Russland offen gegenüber stehen. Ein geeignetes Mittel dafür wäre es, Lebensmittelembargos wahlweise für die Länder aufzuheben, deren Regierungen sich offen für die Abschaffung europäischer Sanktionen aussprechen. „Wenn Länder wie Griechenland deutlich und oft von der notwendigen Abschaffung der gegen Russland verhängten Sanktionen sprechen, wenn Moskau einseitig das Importembargo auf Lebensmittel aus Griechenland aufhebt, dann entsteht auch für andere Länder der Anreiz, sich für eine Reduzierung der Sanktionen einzusetzen", erklärt Dmitrij Suslow. Doch er weiß: „Das ist ein langer Prozess."

 

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