Moskau hat das Lieferverbot des Luftabwehrsystems S-300 an den Iran aufgehoben. Foto: Kirill Kalinnikow/RIA Novosti
Am Montag hob der russische Präsident Wladimir Putin das Verbot zur Lieferung von S-300-Luftabwehrsystemen an den Iran auf. Außenminister Sergej Lawrow erklärte die Entscheidung des Präsidenten mit „wesentlichen Fortschritten" in den Verhandlungen zum iranischen Atomprogramm. Der Minister verwies zudem auf die angespannte Lage in der Region, vor allem im Jemen, und darauf, dass der S-300-Flugabwehrraketenkomplex ein Verteidigungssystem sei. Der Iran erwartet nach Meldungen der Nachrichtenagentur Tass erste Lieferungen bereits in diesem Jahr.
Das iranische Verteidigungsministerium betonte, die Entscheidung Moskaus werde die Zusammenarbeit der beiden Länder stärken. Das US-amerikanische Außenministerium hingegen ließ wissen, dass die Lieferungen des S-300-Systems angesichts der „destabilisierenden Rolle", die Teheran nach Angaben der Sprecherin Marie Harf in der Region einnimmt, ein „nicht konstruktiver Schritt" seien.
Nach Angaben russischer Experten wurde der Lieferstopp des S-300-Systems von dem damaligen russischen Präsidenten Dmitri Medwedjew 2010 im Zuge einer Resolution des UN-Sicherheitsrates beschlossen. Der Lieferstopp sei dabei noch über die Vorgaben des Waffenembargos, welches über Teheran verhängt wurde, hinaus gegangen.
Die Entscheidung Putins sei zu erwarten gewesen, meinen die Experten und bringen diese, wie auch das Außenministerium, mit den Verhandlungserfolgen in Lausanne in Verbindung. Russland versuche angesichts der bald möglichen Abschaffung der Sanktionen gegen den Iran, eine Nische bei der Zusammenarbeit im Rüstungsbereich einzunehmen.
Nach Einschätzung von Anton Chlopkow, Direktor des Zentrums für Energiewirtschaft und Sicherheit, „überlegen die meisten Länder, die für sich Möglichkeiten im Iran erkennen, wie sie ihre Zusammenarbeit mit Teheran ausweiten können". Chlopkow ist überzeugt, dass die russische Entscheidung zur neuerlichen Lieferung von S-300-Systemen an den Iran nicht die letzte gewesen sein wird.
Gleichzeitig kursiert die Meinung, dass Moskau Teheran auf diese Weise vor einer zu engen Annäherung an den Westen warnen wolle. Nach Einschätzung von Alexej Arbatow, dem Leiter des Zentrums für Internationale Sicherheit am Institut für Weltwirtschaft und Internationale Beziehungen, ist dies „ein Signal dafür, dass der Iran nicht gänzlich auf die Zusammenarbeit mit dem Westen umschalten solle". Der Experte betont, dass der Westen „vieles von dem, was Russland geben kann, nicht geben" könne. Das betreffe in erster Linie Waffensysteme. Ein solches Vorgehen würde von Israel und den Königshäusern am Persischen Golf, von denen Europa und die USA abhängig sind, scharf verurteilt werden.
In Moskau fürchtet man, der Iran werde sich Richtung Westen wenden und die Interessen Russlands vernachlässigen. „Und darüber hinaus eigene Interessen zum Nachteil Russlands durchsetzen. Er könnte beispielsweise in den Öl- und Gasmarkt einsteigen, was Preissenkungen nach sich zöge, und sich gegenüber dem Westen als eine Alternative zu Russland aufstellen", meint Arbatow.
Es stellt sich nun die Frage, welche Raketen Russland an den Iran liefern wird und wann. Nach Angaben von Alexander Chramtschichin, stellvertretender Direktor des Instituts für politische und militärische Studien, werden die S-300-Systeme in der ehemals gelieferten Version PMU-1 nicht
mehr hergestellt. Ob der Iran andere Versionen des Systems akzeptieren werde, sei angesichts der früheren ablehnenden Haltung Teherans gegenüber solchen Vorschlägen unklar.
Dabei dürfte es nach Einschätzung des Experten schwierig werden, ähnliche Systeme, wie sie angeboten wurden und sich jetzt im Bestand der russischen Armee befinden, zu liefern, weil sie dafür stark umgerüstet werden müssten. In einer akzeptablen Frist sei eine solche Umrüstung nicht zu bewerkstelligen, meint Chramtschichin.
Auch die Lieferung neuerer S-400-Systeme könnte Schwierigkeiten bereiten. Russische Unternehmen hätten wegen des neuen Rüstungsprogramms für die russische Armee bis 2020 nicht genügend Kapazitäten, um diese für den Iran herzustellen. Wie Chramtschichin meint, könnten die Lieferungen dabei um acht bis zehn Jahre verschoben werden, was Teheran kaum zufriedenstellen dürfte.
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