Es gab keine großen Überraschungen bei Putins Fragestunde. Foto: EPA
Am Donnerstag stellte sich der russische Präsident Wladimir Putin zum 13. Mal in seiner TV-Livesendung „Direkter Draht" den Fragen der Bürger. Erwartungsgemäß drehten sich viele Fragen um die Wirtschaftslage. Weniger scheint die Russen offenbar die Ukraine-Krise zu bewegen, gleichwohl es auch dazu Fragen gab.
Die Russen beschäftigen vor allem die Folgen des Konflikts mit dem Nachbarland und sie machen sich Sorgen, dass der Konflikt weiter eskalieren und daraus ein vollwertiger Krieg entwachsen könnte. Der russische Präsident beruhigte seine Bürger, eine solche Entwicklung hielt er für „ausgeschlossen". Der Konflikt in der Ukraine sei hausgemacht, nicht die Ukraine-Politik, sondern das Land selbst sei gescheitert und nationalistische Kräfte würden die Probleme des Landes für ihre Zwecke ausnutzen. Putin betonte, dass die Russen und Ukrainer „ein Volk" seien. Von Kiew erwarte er Respekt.
Die Aussage über das einige Volk könnte nach Ansicht von Sergej Markow, Direktor des kremlnahen Instituts für Politikforschung, strategische Folgen haben. Ansonsten seien Putins Antworten zum Ukraine-Konflikt nicht zufriedenstellend gewesen, nicht einmal für diejenigen, die „die Ukraine als ein de facto von den Amerikanern besetztes Land" betrachten. Beim Ukraine-Thema sei Unzufriedenheit zu spüren gewesen, findet Markow. Die USA kamen diesmal in der Fragestunde vergleichsweise gut weg beim russischen Präsidenten. Feinde habe Russland nicht, mit Ausnahme des Terrorismus, sei Putins Botschaft gewesen, analysiert Konstantin Kalatschow, Leiter der Unabhängigen Expertengruppe.
#Putin: "Gescheitert sind nicht wir, sondern die ukrainische Innenpolitik. Russland macht keine Fehler."
— RBTH (DE) (@rbth_de) April 16, 2015
Der unabhängige Politologe Dmitrij Oreschkin ist der Meinung, Putin habe Verantwortung für den Konflikt mit der Ukraine von sich gewiesen, indem er daraus eine „interne Angelegenheit der Ukraine" gemacht habe. Putins Ansage, dass es mehr humanitäre Hilfe für den Donbass geben werde, wertet Oreschkin als Absage an russische Investitionen in das Gebiet. Putin habe stattdessen den ukrainischen Präsidenten Poroschenko in die Pflicht genommen, indem er sagte, dieser würde sich zu wenig um das Donezbecken kümmern. „Für das Donezbecken ist das ein schlechtes Zeichen", meint Oreschkin.
Bei Fragen zur Außenpolitik wirkte Putin deutlich freier und schien sich dabei wohler zu fühlen als bei Wirtschaftsfragen, konstatiert Alexej Muchin, Direktor des russischen Zentrums für politische Information. Bei diesen Fragen stand Putin nicht immer gut da. Putin hätte sich rechtfertigen müssen „für die Handlungen der Regierung, die derzeit von vielen als ungenügend, schwach und verspätet angesehen werden. Hier musste er einiges einstecken", so Muchin. Die Frage nach Hypotheken in Fremdwährung führte ihn zum Beispiel in eine Sackgasse.
#Putin : "Unser Fehler war es aber in der Vergangenheit, unser Regime anderen Ländern aufzubürden. Heute tun dies die USA."
— RBTH (DE) (@rbth_de) April 16, 2015
Dennoch habe Putin sein Volk beruhigen können, findet Muchin: „Er hob das Wachstum hervor, dass es trotz der Sanktionen gibt. Er betonte, dass der Lebensstandard nicht weiter sinken wird, sondern dass die Sanktionen im russischen Interesse genutzt werden, um das Wachstum voranzutreiben." Das sei das wichtigste Fazit gewesen.
Konstantin Kalatschow sieht die Ängste der Bevölkerung für eine Zeit lang gemildert, das soziale Selbstbefinden sei gestiegen. Dass es keine allzu
kritischen Fragen gab, wundert ihn nicht. Die hätte auch das russische Volk nicht gewollt, vielmehr habe es sich versichern wollen, dass alles nach Plan verlaufe, das Land stabil sei und Putin alles unter Kontrolle habe, meint Kalatschow. „Sinn dieser Sendung ist gewissermaßen, eine Art Massentherapie durchzuführen. Am Ende sollen alle davon überzeugt sein, dass es keine unlösbaren Probleme gibt", erklärt Kalatschow. Putin habe seine Chance genutzt und sich vorteilhaft präsentiert, resümiert er: „Er zeigte sich kompetent, gütig, entschlossen."
Dmitrij Oreschkin und Alexej Muchin sind Kalatschows Meinung. Der Verlauf der Fragestunde sei wenig überraschend gewesen, vielmehr vorhersehbar, stellenweise sogar langweilig. „Putin war gut in Form und informiert. Natürlich gab es ein Script für die Fragestunde – es wäre eher eine Überraschung, wenn dem nicht so wäre", sagt Oreschkin. Und Muchin stellt abschließend fest: „Wladimir Putin hat seine bekannten Standpunkte noch einmal deutlich gemacht. Neues gab es nicht."
Laut Rostelekom, gab es bei der Fragestunde 4000 Anrufe pro Minute. Insgesamt kam es über 3 Mio. Fragen an. Die Systemen waren überfordert und brachen immer wieder zusammen. Journalisten und Politologen verfolgten den Direkten Draht live mit und scherzten. Worüber? Erfahren Sie jetzt bei uns im Twitter.
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