Afghanistan: Russland schneidet der Nato den Weg ab

Experten vermuten politische Gründe hinter dem Transportstopp. Foto: AP

Experten vermuten politische Gründe hinter dem Transportstopp. Foto: AP

Russland verbietet Nato-Militärtransporte nach und aus Afghanistan über russisches Territorium. Russische Experten vermuten hinter der Entscheidung von Ministerpräsident Medwedjew einen Protest gegen die Weigerung der Nato, in der Afghanistanfrage weiter mit Russland zusammenzuarbeiten.

Russlands Regierung hat beschlossen, Transporte von militärischen Gütern der Nato nach Afghanistan über russisches Staatsgebiet künftig nicht mehr zu erlauben. Der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedjew unterzeichnete eine entsprechende Anordnung. Er begründete den Schritt damit, dass die UN-Resolution 1368 bereits im Dezember 2014 abgelaufen sei. Diese Resolution des UN-Sicherheitsrates aus dem Jahr 2001 war die Grundlage für die Afghanistan-Mission der internationalen Sicherheitsbeistandsgruppe (International Security Assistance Force – Isaf).

Laut Nato-Website gab es seit 2008 eine Vereinbarung mit der Russischen Föderation, dass die Allianz nichttödliche Militärgüter auf dem Landweg durch Russland nach Afghanistan bringen durfte. Seit 2010 durften auch Militärgüter aus Afghanistan herausgebracht werden.

Im Jahr 2012 gestatte die russische Regierung zudem den Transport auf dem Luftwege. Als Umschlagstelle wurde der Flughafen der Wolgastadt Uljanowsk gewählt. Die Einrichtung einer "Nato-Basis" in Russland, wie einige Medien damals schrieben, sorgte für Diskussionen in der Öffentlichkeit und rief Proteste der Opposition hervor.

Mit zunehmenden Schwierigkeiten auf der Haupttransportroute von Karatschi in Pakistan bis an die afghanische Grenze im Norden gewann der Transfer durch Russland an Bedeutung. Den pakistanischen Streitkräften gelang es nicht, die Route zuverlässig zu sichern. Die Nato-Transporte waren häufige Angriffsziele aufständischer Taliban.

 

Politische Hintergründe

Experten gehen davon aus, dass die Entscheidung der russischen Regierung hauptsächlich politisch motiviert ist. Alexander Chramtschichin, Direktor des Instituts für Politik- und Militäranalyse, vermutet, dass die Entscheidung nicht nur wegen der ausgelaufenen UN-Resolution getroffen worden sei. „In dieser Entscheidung Moskaus steckt weitaus mehr Politik", sagte er.

Mehrere Faktoren könnten seiner Meinung nach eine Rolle gespielt haben. Erstens ist der Umfang der Transporte mit dem Abzug der meisten internationalen Streitkräfte stark zurückgegangen. Finanzielle Verluste für Russland hielten sich trotz Transportstopps daher in Grenzen. Zweitens sei Russland unzufrieden mit der neuen Unterstützungsmission der westlichen Länder in Afghanistan, da diese nicht durch einen UN-Beschluss geregelt ist. Auch glaubt Chramtschichin, dass die Anordnung des Ministerpräsidenten „eine Art Antwort" Moskaus auf die Sanktionen gegen Russland sein könnte.

Der Militärexperte Viktor Murachowskij, Chefredakteur der Zeitschrift „Arsenal Otjetschestwa" (zu Deutsch - "Arsenal des Vaterlandes"), hat ebenfalls keine Zweifel an einem politischen Hintergrund. Er meint, Russland habe auf die einseitige Aufkündigung der Zusammenarbeit in der

Afghanistanfrage durch die Nato im vergangenen Jahr reagiert. Bis zuletzt habe Russland gehofft, dass es gelingen würde, „einen gemeinsamen Kampf gegen den Terrorismus und die afghanischen Taliban zu organisieren", so Murachowskij. Doch diese Hoffnungen seien enttäuscht worden und daher habe sich Russland zu diesem „demonstrativen Schritt" entschlossen.

Die Isaf-Mission in Afghanistan endete im vergangenen Jahr. Mehr als 12 500 Soldaten, davon rund 10 000 US-Militärs, blieben jedoch im Land, um die neue Unterstützungsmission der Nato abzusichern. Deren Hauptaufgabe ist es, afghanische Sicherheitskräfte auszubilden und die Sicherheit der diplomatischen Vertretungen im Land zu gewährleisten.

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