Einseitige Sanktionen der USA und EU gegen Russland wiedersprechen die UN-Charta, meinen Experten. Foto: Reuters
Beim St. Petersburg International Legal Forum, das von Mittwoch bis Samstag vergangener Woche stattfand, diskutierten Rechtsexperten aus aller Welt unter anderem die gegen Russland verhängten Sanktionen der EU und der USA. Wladimir Tschischow, Repräsentant der Russischen Föderation bei der Europäischen Union, erklärte, dass Versuche Russlands gescheitert seien, mit Unterstützung der Welthandelsorganisation WTO gegen die im Zuge der Ukraine-Krise verhängten Sanktionen vorzugehen. Nun werde vor europäischen Gerichten geklagt, kündigte Tschischow an. Er erinnerte daran, dass einige russische Unternehmen und russische Staatsbürger diesen Weg mit Unterstützung internationaler Juristen bereits eingeschlagen haben. Kläger sind das Erdölunternehmen Rosneft sowie die staatlichen Banken Sberbank, VTB und Vneschekonombank, der Rüstungskonzern Almaz-Antej sowie der Geschäftsmann Arkadi Rotenberg. Tschischow kritisierte die Sanktionen: „Maßnahmen dieser Art sind nicht nur widersprüchlich und stellen einen Angriff auf die nationale Souveränität dar, sondern sie schädigen die Autorität der Vereinten Nationen."
Insbesondere Sanktionen gegen Privatpersonen verurteilte Tschischow. Es stünden insgesamt 150 natürliche Personen aus Russland und der Ukraine auf den Sanktionslisten, doch tatsächlich seien weitaus mehr Menschen davon betroffen. „De facto können die Bewohner der Krim kein Visum für den Schengenraum bekommen", so Tschishow. Nach der Eingliederung der Krim in die Russische Föderation nehmen die Staaten der Europäischen Union Visumsanträge nur noch in konsularischen Einrichtungen in der Ukraine entgegen. Entsprechende Stellen auf der Halbinsel Krim wurden geschlossen.
Tschischow bemerkte zudem, dass die sektoriellen Sanktionen spürbare Auswirkungen auf die russische Wirtschaft hätten. Insbesondere zeigten die von der EU eingeführten Finanzsanktionen, die es einer Reihe von Unternehmen aus Russland verbieten, Kredite in Europa mit einer Laufzeit von mehr als 30 Tagen aufzunehmen, Wirkung. Allerdings, so Tschischow, blieben die Sanktionen auch für die Länder der EU nicht ohne Folgen: „Die Sanktionen gegen Russland könnten Deutschland bis zu 25 000 Arbeitsplätze kosten." Sollten sie noch länger anhalten, könne dies sogar zu einem geringeren Wachstum des Bruttoinlandsprodukts der Bundesrepublik führen, „und zwar um bis zu 0,5 Prozent".
Joseph Brand, Partner von Squire Patton Boggs, erläuterte die Auswirkungen der US-Sanktionen. Die einseitigen Sanktionen würden in den USA nach dem Prinzip der Extraterritorialität wirken, was bedeute, dass sie sich nicht nur auf die US-amerikanischen Firmen auswirkten, sondern auf alle, die mit den USA am Markt kooperierten. Jedes beliebige Unternehmen, das den US-Dollar als Zahlungsmittel akzeptiere, würde automatisch unter den Geltungsbereich der US-amerikanischen Gesetzgebung fallen.
Kazem Gharib Abadi, stellvertretender Generalsekretär des Rates für Menschenrechte des Iran, verwies auf die iranischen Erfahrungen mit der gerichtlichen Anfechtung von Sanktionen seitens der USA und der EU. „Es gibt zwei Kategorien von Sanktionen: internationale, die vom Sicherheitsrat der UN verhängt werden, und einseitige Sanktionen, die über Beschlüsse der Vereinten Nationen hinausgehen", erklärte er. Gharib Abadi sieht in einseitigen Sanktionen einen Widerspruch zur UN-Charta. Konstantin Dolgow, bevollmächtigter Vertreter für Menschenrechte des Außenministeriums der Russischen Föderation bedauerte, dass es in der UN-Charta keine eindeutigen Regeln zu unilateralen Sanktionen gebe. Er halte es für ein „Problem, dass die politische und geopolitische Agenda damit beginnt, eine internationale Rechtswirklichkeit zu schaffen", so Dolgow.
Laut Andrej Klischas, Vorsitzender des Komitees des Rates der Russischen Föderation für die verfassungsgebende Gesetzgebung und staatlichen Aufbau, komme hinzu, dass das Prinzip der Extraterritorialität der Sanktionen im Widerspruch zu den internationalen Normen stehe. Insbesondere könne die Verwendung der US-amerikanischen Währung durch Dritte nicht bedeuten, dass diese automatisch unter US-amerikanische Gerichtsbarkeit fielen. „Es würde uns nie in den Sinn kommen, diejenigen, die russisches Erdgas beziehen, unserer Jurisdiktion zu unterstellen", so Klischas, der ebenfalls auf der Sanktionsliste der EU aus dem Jahr 2014 steht. Er glaubt, dass der Grund dafür seine „Beiträge im russischem Parlament" gewesen seien, die „nach Meinung der EU den Staatsaufbau der Ukraine zerstören würden", vermutet Klischas.
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
Abonnieren Sie
unseren kostenlosen Newsletter!
Erhalten Sie die besten Geschichten der Woche direkt in Ihren Posteingang!