Russland will ein Einfuhrverbot für Süßwaren und Blumen verhängen. Foto: AFP/East NEws
Am Montag beschloss der Außenministerrat der Europäischen Union (EU) die Verlängerung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland mit dem Ziel einer kompletten Umsetzung der Minsker Vereinbarungen. Russland reagiert darauf wohl ebenfalls mit einer Verlängerung und Ausweitung der russischen Gegensanktionen. Ministerpräsident Dmitrij Medwedjew legte dem russischen Präsidenten einen entsprechenden Vorschlag vor. Putins Sprecher Dmitrij Peskow erklärte gegenüber Journalisten, dieser würde im Kreml bearbeitet und schon bald angenommen werden.
Timur Nigmatullin, Analyst bei der Investmentgesellschaft Finam, geht davon aus, dass die EU von der jüngsten Eskalation des Konflikts im Osten der Ukraine zu einer Verlängerung der Sanktionen bewogen worden sei. Nigmatullin nannte die russische Antwort darauf wirtschaftlich und politisch vorhersehbar. Die Folgen der Gegensanktionen für die russische Wirtschaft schätzt er gering ein und verweist auf Angaben des russischen Ministeriums für Wirtschaftsentwicklung. Demnach sei der Hauptgrund für die hohe Inflation in den letzten Quartalen nicht das Embargo, sondern die Rubel-Abwertung gewesen. „Nur etwa zwei Prozent entfallen auf die russischen Gegensanktionen", so Nigmatullin.
Konstantin Korischtschenko, Dozent für Fondsmärkte und Finanzengineering an der RANEPA findet, die aktuelle Situation sei wirtschaftlich für keine der Parteien von Vorteil. „Die Sanktionen senken den Warenumsatz zwischen Russland und Europa deutlich, manchmal gleich um Dutzende Prozent, und hindern die Wirtschaft Europas daran, aus der Rezession zu kommen", meint er. Gleichzeitig hätten die Sanktionen auch Auswirkungen auf die Zusammensetzung des russischen Konsumverhaltens, auf die Beschaffung von Finanzmitteln auf westlichen Märkten und den Zugang zu Technologien. „Der negative Effekt zeigt sich auch an einer immer größer werdenden staatlichen Beteiligung an der Wirtschaft", sagt Korischtschenko.
Er findet aber, dass es auch positive Auswirkungen der Sanktionen auf die Wirtschaft Russlands gebe: „Die Importsubstitution und ein System der internen Refinanzierung entwickeln sich und östliche Beziehungen werden intensiviert."
Auch in Behördenkreisen ist man überzeugt, dass die russischen Sanktionen gegen Lebensmittel und deren Produzenten aus Europa, den USA, Kanada und Australien die Entwicklung der heimischen Wirtschaft fördern. Nun wird die Liste um Produkte erweitert, für die bislang nur schwer russischer Ersatz zu bekommen ist. Russlands Landwirtschaftsminister Alexander Tkatschjow sagte gegenüber dem Fernsehsender "Rossija 24", das Ministerium schlage vor, den Import von Süßwarenerzeugnissen und Blumen zu verbieten.
Es gibt auch Stimmen, die nach einer differenzierteren Herangehensweise rufen. „Wir müssen die Positionen einer Reihe von Staaten berücksichtigen, wie Ungarn, Griechenland und Zypern, zu denen wir nicht nur gute Wirtschafts- und Handelsbeziehungen, sondern auch gute politische Beziehungen haben und die aktiv gegen die Politik der Sanktionen auftreten", sagt Walentina Matwijenko, Vorsitzende des russischen Föderationsrats. Diese Staaten sollten von Russland unterstützt werden, fordert sie.
Nigmatullin sieht tiefe Verwerfungen zwischen dem Westen und Russland, die durch die Ereignisse in der Ukraine entstanden seien. Daher sei in naher Zukunft nicht mit einem Ende der Sanktionen zu rechnen und alle makroökonomischen Vorhersagen sollten auf dieser Grundlage aufbauen.
Korischtschenko rechnet nicht mit einem Ende der Sanktionen vor Ende 2016, eventuell auch erst Mitte 2017. „In den USA wird es 2016 Präsidentschaftswahlen geben und in Deutschland sind 2017 Bundestagswahlen." Bis dahin würden sich vor dem Hintergrund eines durch die westlichen Medien vermittelten negativen Russland-Bildes wohl die russlandkritischen Hardliner behaupten können, meint er. „Der neue Staatschef der USA und eine neue Regierung in Deutschland werden sich dann damit befassen müssen, wie man das Problem löst", resümiert Korischtschenko.
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