Russland drängt auf UN-Resolution auch zu Chemiewaffen im Irak

Reuters
Russland hat auch eine Resolution des UN-Sicherheitsrates zu Chemiewaffen im Irak angeregt, die von dort aus in die Hände der Terroristen des Islamistischen Staates (IS) gelangen könnten. Westliche Medien vermuten hinter dem Vorstoß jedoch keine guten Absichten, sondern lediglich ein Ablenkungsmanöver zugunsten des Assad-Regimes.

Einige westliche Medien werfen Russland vor, die Einrichtung eines neuen UN-Gremiums, das den Einsatz von chemischen Waffen in Syrien untersuchen soll, hinauszögern zu wollen. Das Gremium soll mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet werden. Russland wolle mit seiner Verzögerungstaktik lediglich von Syrien ablenken und den syrischen Präsidenten Baschar Al-Assad aus der Schusslinie nehmen, so der Vorwurf. Syrien wird seit langem von den westlichen Staaten beschuldigt, Chemiewaffen eingesetzt zu haben.

Am Mittwoch der vergangenen Woche regte Russlands UN-Botschafter Vitali Tschurkin im Sicherheitsrat eine neue Resolution an, die sich mit dem Einsatz chemischer Waffen nicht nur in Syrien, sondern auch im Irak – und zwar durch Terroristen des Islamischen Staats – befassen solle. Zudem erklärte Tschurkin, die Russische Föderation würde gerne Einzelheiten erfahren, wie das neue von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon vorgeschlagene UN-Gremium vorzugehen beabsichtige.

Anfang August dieses Jahres hatte der UN-Sicherheitsrat einstimmig eine Resolution verabschiedet, wonach UN-Generalssekretär Ban Ki-moon und die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) beauftragt wurden, Ermittlungen zu dem Einsatz chemischer Waffen in Syrien vorzubereiten. In einem Schreiben an die Sicherheitsratsmitglieder schlug Ban Ki-moon vor, neben der OPCW zusätzlich ein dreiköpfiges unabhängiges Expertengremium einzurichten. Dieses Gremium solle die Verantwortlichen für Giftgasangriffe in Syrien identifizieren, um später Sanktionen durch den Sicherheitsrat verhängen zu können. Die OPCW-Experten haben kein Mandat, Täter zu ermitteln.

 

Ungerechtfertigte Vorwürfe

Am 2. September gab Vitali Tschurkin bekannt, dass Russland weitere Fragen zur Funktionsweise des geplanten und von der UN getragenen internationalen Investigationsmechanismus habe. Moskau wandte sich direkt an den UN-Generalsekretär und fordert nun, dass Ban Ki-moon seine schriftlichen Erklärungen an die Sicherheitsratsmitglieder übergibt, um „eine gemeinsame Vorstellung“ von der zukünftigen Funktionsweise des Investigationsmechanismus zu bekommen.

Nahost-Experte Sergej Demidenko vom nichtstaatlichen russischen Institut für Strategische Bewertungen und Analyse nennt die Anschuldigungen der westlichen Medien gegen Tschurkin und Russland ungerechtfertigt. Er erinnert daran, dass Russland vor gut zwei Jahren das Rahmenprogramm zur Vernichtung chemischer Waffen in Syrien initiiert habe. Unterstützung dafür gab es von den USA. Alle Organisationen, auch die Vereinten Nationen, bestätigten damals, dass das komplette Chemiewaffenarsenal in Syrien vernichtet worden sei. Unterstellungen, Assad habe chemische Waffen zum Einsatz gebracht, hätten sich als unbegründet erwiesen, so Demidenko: „Alle diese Vorwürfe gegen Russland sollte man daher jetzt im Kontext der internationalen Lage sehen, die sich im Laufe des letzten Jahres im Hinblick auf Russland entwickelt hat“, meint er.

Demidenko betont, dass die Lage in Syrien sehr fragil sei. Daher sei Tschurkin wohl der Auffassung, dass Assads Regime nicht noch weiter geschwächt werden dürfe. „Sollte die Tätigkeit des neuen UN-Gremiums allein gegen Baschar al-Assad gerichtet sein, so käme das bestehende Gleichgewicht sofort wieder ins Schwanken“, erklärte er gegenüber RBTH. Russland stehe hinter Assad, denn er sei die Verkörperung des „Kampfes, des fortschrittlichen Syriens gegen dunkle Kräfte, die aus dem Irak aufziehen“, erläutert Demidenko weiter.

Auf der Pressekonferenz zur Übernahme des Vorsitzes im UN-Sicherheitsrat durch Russland erwähnte Tschurkin einen der Gründe dafür, dass Moskau vom UN-Generalsekretär Erklärungen verlangt hatte und die Diskussion zu dieser Frage vorübergehend vertagen wollte. Es sei geplant, dass das neue Gremium aus freiwilligen Spenden finanziert werden solle. Daher stellte Tschurkin die Frage, inwiefern das neue Gremium unbefangen handeln und von seinen Geldgebern unabhängig sein könne. Tschurkin betonte, dass es nur einiger weniger Tage bedürfe, um die geplante Arbeitsweise des internationalen Investigationsmechanismus‘ zu klären.

Assads Tage sind gezählt

Jewgeni Satanowski, Leiter des unabhängigen Nahost-Instituts, bezeichnete die Kritik an Tschurkins Einwänden gegen die Arbeitsweise des neuen Gremiums als „Elemente des Informationskriegs“. Der Experte verwies auf die Frage nach der Herkunft der chemischen Waffen, die „sowohl im Irak gegen Kurden als auch in Syrien eingesetzt werden“. Laut Satanowski gebe es „eine Quelle – und zwar Labors im Irak. Dort werden primitive und dennoch wirksame chemische Waffen hergestellt, zum Beispiel Senfgas“. Ganz offensichtlich könne Assad diese Labors nicht unter seiner Kontrolle gehabt haben.

Unterdessen betonen russische Experten, dass es Russland sowohl in der Frage der Chemiewaffen als auch in allen anderen Aspekten der Syrienfrage nicht einzig und allein um eine Unterstützung Assads gehe. Hauptziel sei es, einen kompletten Zusammenbruch des syrischen Staates und ein unkontrollierbares Chaos zu vermeiden. Zugleich meinen einige Analysten, die Haltung der USA sei nicht ganz abwegig. Danach läge der Schlüssel zur Lösung der Syrienfrage in der Abdankung von Assad. „Sollte Baschar al-Assad im syrischen Bürgerkrieg siegen, würde das Land niemals wieder aufgebaut werden können. Keiner würde Assad Kredite geben, und Syrien wäre nicht in der Lage, seine Probleme selbst zu lösen. Assad wird so oder so gehen müssen. Allerdings nicht sofort“, resümiert Demidenko.

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