Kritik an MH17-Bericht: „Keine Spur von Logik“

Russische Experten kritisieren unter anderem ein Video aus der Präsentation des Abschlussberichts, das den Anflug der Rakete veranschaulicht.

Russische Experten kritisieren unter anderem ein Video aus der Präsentation des Abschlussberichts, das den Anflug der Rakete veranschaulicht.

Reuters
Die russische Luftfahrtbehörde hat den am Dienstag veröffentlichten niederländischen Bericht über den MH17-Absturz in der Ostukraine scharf kritisiert. Die Schlussfolgerungen seien falsch. Zudem seien Erkenntnisse aus Russland ignoriert worden.

„Grundsätzlich falsch“ und „keine Spur von Logik“. Mit diesen Worten verurteilte der stellvertretende Leiter der russischen Luftfahrtbehörde Rosaviation den am Dienstag veröffentlichten Abschlussbericht der Niederlande zur Absturzursache von Flug MH17. Oleg Storchevoy, zugleich der offizielle Sprecher der russischen Kommission zur Aufklärung der Katastrophe, erklärte, der Bericht liefere keine eindeutigen Beweise dafür, dass die Maschine der Malaysia Airlines durch eine moderne Luftabwehrrakete vom Typ Buk abgeschossen worden sei. Diese Version der Buk wird in Russland hergestellt.

Keine überzeugenden Beweise

Laut Storchevoy hatte die internationale Kommission nur Fotobeweise vorlegen können. Auf einem dieser Bilder sei zudem noch ein Teil einer Buk-Rakete zu sehen gewesen – unwahrscheinlich nach einer Explosion, wie er anmerkte. Zudem sei Russland nicht über den Fund von Raketenteilen informiert worden. „Davon haben wir erst beim letzten Treffen im August erfahren, als feststand, dass es keine weiteren Treffen mehr geben würde, und es keine Gelegenheit zu Stellungnahmen mehr gab“, kritisierte Storchevoy.

Zugleich habe die Kommission keine Submunitionen im Flugzeuggehäuse nachweisen können, wie es für eine moderne Buk-Rakete typisch gewesen wäre. Wie die Experten des Rüstungskonzerns Almas-Antei, Hersteller des Luftabwehrraketensystems Buk, erklärten,  seien auch am Absturzort keine Überreste der schmetterlingsförmigen Submunitionen der modernisierten Buks mit dem charakteristischen „I Profil“-Form gefunden worden.

Der Rüstungskonzern ist daher überzeugt, dass der Absturz nicht durch eine moderne Buk-Rakete verursacht wurde. Es sei jedoch möglich, dass ein älteres Modell zum Einsatz gekommen sei. Ältere Buk-Modelle seien bereits vor vier Jahren in Russland ausgemustert worden, würden aber noch vom ukrainischen Militär eingesetzt. Der niederländische Bericht hatte dagegen den Abschuss durch eine moderne Buk-Rakete als möglich bezeichnet.

Erkenntnisse russischer Ermittler wurden ignoriert

Ferner kritisierte Storchevoy, dass die niederländische Kommission den Großteil der russischen Anmerkungen zum Absturz von MH17 nicht berücksichtigt habe. Die Kommission hätte außerdem den russischen Vorschlag, in Russland einen Einblick in die Kenndaten des Luftabwehrraketensystems zu gewinnen, abgelehnt.

Ebenso sind laut einem weiteren Rosaviation-Vertreter russische Hinweise zum wahrscheinlichen Abschussort ignoriert worden. So werde im niederländischen Bericht als möglicher Ort, an dem die Rakete abgefeuert wurde, die Stadt Snischne genannt, die am 17. Juli 2014 unter der Kontrolle der Aufständischen stand. Nach den Berechnungen der Experten von Almas-Antei hingegen wurde die Rakete eher in der Gemeinde Zaroschtschenskoje abgefeuert. Dort war am Unglückstag ukrainisches Militär stationiert. 

Offene Fragen

Die Ermittlungen lassen einige Fragen offen. Unter anderem kritisieren die Experten von Almas-Antei ein Video aus der Präsentation des Abschlussberichts, das den Anflug der Rakete veranschaulicht. Die Rakete fliegt in der Simulation auf Gegenkurs zur Boeing, ausgehend von Snischne als Startpunkt. Das Rüstungsunternehmen habe jedoch durch ein Feldexperiment belegen können, dass in diesem Falle das Flugzeug an einer anderen Stelle getroffen worden sein müsste. Das gesamte Cockpit und der rechte Flügel statt des linken Flügels wären bei dieser Flugbahn betroffen gewesen.

Unklar sei auch, wieso nur ein Raketensplitter die typische „I-Profil“-Form aufweise. Bei einem Abschuss durch eine moderne Buk-Rakete müssten wesentlich mehr Splitter dieser Art vorliegen. Storchevoy zufolge ist Russland aber lediglich ein Submunitionsstück mit der typischen Form vorgelegt worden. Und es gebe keinerlei Beweis dafür, dass dieses aus dem Cockpit der abgestürzten Maschine stamme.

Russische Experten zweifeln zudem an der Aussage ukrainischer Kollegen, dass ein Gefechtskopf mit den Submunitionen dieser Form sowohl auf einer modernen als auch auf einer veralteten Buk-Rakete eingesetzt werden könne. Mit dieser Grundsatzfeststellung versuchten sie, die Schlussfolgerungen der Almas-Antei-Experten infrage zu stellen, kritisieren die russischen Fachleute.

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