Nach dem Abschuss eines russischen Kampfjets droht das Beziehungs-Aus.
Artem Korotaew / TASSDer Abschuss eines russischen Kampfjets durch die Türkei am Dienstag sorgt für heftige Spannungen zwischen den beiden Ländern. Die Türkei behauptet, die Maschine vom Typ Su-24 sei in türkischen Luftraum eingedrungen und habe wiederholte Warnungen ignoriert. Russlands Präsident Wladimir Putin dagegen sagte, der Jet sei über Syrien abgeschossen worden, und übte heftige Kritik. Er sprach von einem „Stoß in den Rücken, verübt von Komplizen des Terrorismus“.
Die falschen Partner
Die russisch-türkischen Beziehungen standen in jüngster Zeit häufiger im Fokus der Medienberichterstattung. Viel geschrieben wurde über das geplante Pipeline-Projekt „Turkish Stream“, der die South-Stream-Pipeline ersetzen und russisches Erdgas durch das Schwarze Meer nach Südeuropa transportieren sollte. Jedoch kam es auch beim Turkish Stream immer wieder zu Verzögerungen, unter anderem, weil beide Länder keine Einigung über den Gaspreis erzielen konnten.
Wladimir Awatkow, Türkei-Experte am Staatlichen Moskauer Institut für Internationale Beziehungen (MGIMO), sieht das Pipelineprojekt in Gefahr. Nicht nur der Abschuss des russischen Kampfjets zeuge von mangelndem strategischem Geschick der türkischen Politik. „Ankara versteht nicht, dass der Turkish Stream dem Land einen größeren Einfluss in Europa verschaffen könnte. Die Türkei könnte die Gasverteilung in Europa mitbestimmen“, bemerkt der Experte. Die Türkei bevorzuge es stattdessen, sich kleinere Vorteile zu sichern.
Kurz vor dem Abschuss des Kampfjets hatten die russischen Streitkräfte in Syrien begonnen, von der Terrororganisation „Islamischer Staat“ kontrollierte Tankfahrzeuge und Erdölanlagen zu zerstören. Möglicherweise passte das der türkischen Regierung nicht, da sie vom Ölgeschäft mit der Terrormiliz profitiere, vermutet Awatkow. Der Experte rechnet mit einer scharfen Reaktion aus Moskau. Eine Kooperation Russlands und der Türkei in geopolitischen Fragen und in Fragen der Sicherheit hält er nun für ausgeschlossen.
Kein Abbruch der Beziehungen?
Beim G-20-Gipfel Mitte des Monats in Antalya führten Russlands Präsident und sein türkischer Amtskollege Erdoğan noch durchaus konstruktive Gespräche. Es schien, als könnten Unstimmigkeiten geklärt werden. Doch jetzt hat sich die Lage geändert. Ein für Dezember geplanter Besuch Erdoğans in Russland wird möglicherweise nicht stattfinden. Russlands Außenminister Sergej Lawrow wollte am Mittwoch in die Türkei reisen, sagte jedoch nach dem Abschuss der Su-24 ab.
Dennoch geben Experten den russisch-türkischen Beziehungen eine Zukunft. Wladimir Sotnikow vom Institut für Orientalistik der Russischen Akademie der Wissenschaften meint zwar auch, dass der Vorfall „sicherlich eine Zeit lang“ die Beziehungen zwischen Moskau und Ankara verschlechtere. Auch er geht davon aus, dass Russland in einer „ernsthaften“ Weise auf den Abschuss reagieren werde. Er glaubt aber nicht, dass es ein Ende der wirtschaftlichen Zusammenarbeit geben oder gar zu einem Abbruch der Beziehungen kommen wird.
Boris Kagarlizki, Direktor des Instituts für Globalisierung und soziale Bewegungen, rechnet hingegen überhaupt nicht mit einer allzu harten Reaktion aus Russland. Die russische Antwort werde nicht von den Beziehungen zur Türkei abhängen, sondern davon, wie der Kreml die zukünftigen Beziehungen zum Westen insgesamt einschätzt. Er geht von einer eher mäßigen Antwort Moskaus auf den Vorfall aus.
Behlül Özkan, ein Experte für internationale Beziehungen an der Marmara-Universität Istanbul, sieht die Türkei in einer schwierigen Lage. Der Unterstützung des Westens könne sie sich keinesfalls sicher sein. „In diplomatischer Hinsicht hat sich die Türkei vergaloppiert“, glaubt er. Das russische Flugzeug sei im Einsatz für den Kampf gegen die Dschihadisten abgeschossen worden. Es stelle sich nun die Frage, wie die Türkei grundsätzlich zu extremistischen Gruppierungen stehe, bemerkt Özkan.
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