Frankreich könnte in der Nato und EU als Fürsprecher Russlands auftreten.
Reuters
Der Moskau-Besuch von Frankreichs Präsident François Hollande am Donnerstagabend bildete den Schlusspunkt einer diplomatischen Tournee, die er nach den Terroranschlägen des „Islamischen Staates“ in Paris vor zwei Wochen aufgenommen hatte. Hollande war mit seinen Amtskollegen aus den USA, Großbritannien, Deutschland und Italien zusammengekommen, um über die Notwendigkeit eines gemeinsamen Vorgehens gegen die IS-Terroristen zu sprechen.
Nach den mehrstündigen Verhandlungen zwischen Hollande und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin steht fest, dass eine große Anti-IS-Koalition gemeinsam mit den USA und Russland noch in weiter Ferne steht. Auf einer Pressekonferenz nach dem Treffen sagte Putin, dass Russlands Partner im Nahen Osten eine Führungsrolle der USA im Kampf gegen den IS nicht akzeptierten. Von französischer Seite wurde das nicht kommentiert. Auch über die Zukunft des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad gab es keine Einigung. Hollande meinte, im künftigen Syrien gäbe es keinen Platz für Assad. Russlands Präsident hingegen betonte erneut, dass es Aufgabe des syrischen Volkes sei, über das politische Schicksal seines Präsidenten zu entscheiden.
Trotz dieser Differenzen gab es einen Durchbruch. Als solchen bezeichnete jedenfalls Alexej Puschkow, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses der Staatsduma, ein vereinbartes Abkommen, das gemeinsame Handlungen gegen den IS in Syrien vorsieht. Wie Hollande erläuterte, wurde beschlossen, „den Informationsaustausch zu intensivieren und unsere Angriffe auf den IS und terroristische Gruppierungen zu konzentrieren“. Die Angriffe sollten sich dabei laut Putin auf die Stellungen des IS beschränken. Von „Andeutungen und bloßen Ankündigungen“ sei nun der Schritt zu „konkreten Vereinbarungen“ gemacht worden, sagte Puschkow dem russischen TV-Sender Rossija 24.
Politikexperten geben sich in ihrer Einschätzung zu den Verhandlungsergebnissen zurückhaltender. Von einem Durchbruch zu sprechen, sei „viel zu viel“, findet Dmitri Danilow, Geschäftsführer der Abteilung für Europäische Sicherheit des Europa-Instituts an der Russischen Akademie der Wissenschaften. Das Abkommen zwischen Russland und Frankreich zeige einen möglichen Weg im Kampf gegen den IS auf. Sollte eine geschlossene internationale Koalition nicht realisierbar sein, wären solche individuellen Kooperationen eine Alternative, meint Danilow. Die Ergebnisse des Treffens zwischen Putin und Hollande könnten Vorbildcharakter für andere Staaten in der Anti-IS-Koalition der USA haben.
Jewgeni Mintschenko, Direktor des Internationalen Instituts der Politischen Expertise, hält es für sehr wichtig, dass nun konkrete Maßnahmen vereinbart worden seien. Zudem weist er darauf hin, dass der Westen dem Kurs Russlands in der Syrienpolitik nun nicht mehr ganz so ablehnend gegenüberstehe. Dennoch müsse abgewartet werden, wie die geplanten Maßnahmen in der Praxis umgesetzt werden können. Pawel Swjatenkow, Experte des unabhängigen Instituts der Nationalen Strategie, liest dagegen keine konkreten Absprachen aus dem Abkommen heraus.
Der Besuch des französischen Präsidenten kann eine positive Rolle auch für die Beziehungen zwischen Moskau und der Nato spielen. Dmitri Danilow sieht Frankreich als möglichen Vermittler. Im Licht der neuen Beziehungen zu Russland vor dem Hintergrund des Konflikts in Syrien könne Paris Einfluss auf andere Mitglieder von Nato und EU ausüben, glaubt er. Gerade nach dem Abschuss eines russischen Kampfjets durch die türkische Luftwaffe und daraus entstandenen heftigen diplomatischen Spannungen könne Frankreich als Friedensstifter auftreten.
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