Russland und die Türkei: Das Schweigen der Männer

Putin und Erdoğan wollen nicht mehr miteinander reden.

Putin und Erdoğan wollen nicht mehr miteinander reden.

Reuters
Beim UN-Klimagipfel in Paris gingen sich Russlands Präsident Wladimir Putin und sein türkischer Amtskollege Recep Tayyip Erdoğan demonstrativ aus dem Weg. Gleichwohl sie nicht miteinander sprachen, fielen harte Worte. Eine baldige Aussöhnung halten Experten für unwahrscheinlich.

Am Montag begann in Paris die UN-Klimakonferenz. Doch nicht das eigentliche Thema stand im Zentrum des Eröffnungstages – vielmehr wurde es von aktuellen politischen Entwicklungen an den Rand gedrängt, vor allem von den derzeit angespannten Beziehungen zwischen Russland und der Türkei. Nach dem Abschuss eines russischen Kampfjets durch die türkische Luftwaffe stand die Frage im Fokus der Aufmerksamkeit, ob Russlands Präsident Wladimir Putin und sein türkischer Kollege Recep Tayyip Erdoğan den Vorfall besprechen würden.

Putin traf sich zwar zu Gesprächen mit US-Präsident Barack Obama, Bundeskanzlerin Angela Merkel, dem Staatspräsidenten der Volksrepublik China, der südkoreanischen Staatschefin und dem israelischen Ministerpräsidenten. Ein Treffen mit Erdoğan aber gab es nicht. „Wir haben uns nicht gesehen“, bestätigte Putin. Russlands Präsident deutete neue Erkenntnisse zum Vorfall an und unterstellte der Türkei, dass der angebliche Schutz der syrischen Turkmenen nur eine Ausrede gewesen sei. „Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass die Entscheidung, unser Flugzeug abzuschießen, mit der Sicherung von Transportwegen für Öllieferungen in die Türkei zusammenhängt“, sagte Putin auf einer Pressekonferenz auf dem Klimagipfel.

Er beschuldigte die Türkei, Ölhandel mit der Terrormiliz IS zu betreiben. Putin warf der Türkei zudem vor, Sicherheitsbedenken Russlands über die ungehinderte Einreise von Terroristen, die durch die Visafreiheit zwischen den beiden Ländern  begünstigt worden sei, nicht ernst genug genommen zu haben. Türkische Staatsbürger benötigen für die Einreise nach Russland jetzt wieder ein Visum. Erdoğan erklärte noch am selben Abend, er werde zurücktreten, wenn es Beweise gebe, dass die Türkei Öl vom IS kaufe. 

Dauerhaft zerrüttetes Verhältnis

Leonid Isajew, Konfliktforscher und Arabist an der  russischen Hochschule für Wirtschaft, sieht das Verhältnis zwischen beiden Staaten nachhaltig gestört. Es werde schwierig werden, auf das Niveau der Zusammenarbeit vor dem Abschuss der Su-24 zurückzukehren. Putins harte Worte gegen die Türkei und die ebenso heftige Antwort ließen den Beginn einer langen Eiszeit befürchten, meint Isajew. Das russisch-türkische Verhältnis sei derzeit von großer Emotionalität geprägt, die gegenseitigen Aussagen würden persönlich genommen. Viele Türen seien zugeschlagen worden, glaubt der Experte.

Wie wird sich der Konflikt zwischen Russland und der Türkei auf den Konflikt in Syrien und auf die internationale Zusammenarbeit im Kampf gegen den IS auswirken? „In Syrien ist die Situation so oder so angespannt. Von einer Fortsetzung des Konflikts zwischen Russland und der Türkei profitiert nur der IS“, sagt Isajew. In der aktuellen angespannten Lage gebe es keine Gewinner, weder Russland noch die Türkei oder die Nato. Die Nato werde zwar offiziell hinter der Türkei stehen, doch gleichzeitig alles versuchen, damit der Konflikt nicht weiter eskaliere, glaubt er.  

Man sollte nicht vergessen, dass die Türkei einmal ein wichtiger Partner Russlands gewesen sei, meint der Turkologe Wladimir Awatkow, Direktor des Zentrums für orientalische Forschungen der internationalen Beziehungen und öffentliche Diplomatie. Doch auch er sieht große Hürden auf dem Weg zu einer erneuten Annäherung. Nur ein Regimewechsel könne noch etwas bringen, glaubt er.

Dossier: Russland und die Türkei in der Krise

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