Fischer trifft Putin: Rendezvous in Moskau

Der russische Präsident Wladimir Putin (links) und der österreichische Präsident Heinz Fischer.

Der russische Präsident Wladimir Putin (links) und der österreichische Präsident Heinz Fischer.

Mikhail Metzel / TASS
Ranghohe Kontakte zwischen Österreich und Russland nehmen wieder zu – trotz des schwierigen politischen Umfelds. Vertreter aus Politik und Wirtschaft beider Länder begrüßen die Intensivierung bilateraler Beziehungen. Überschwänglichen Optimismus halten Experten jedoch für verfrüht.

Nach dem Wendepunkt in den Beziehungen zwischen Moskau und dem Westen – der Einführung der ersten Sanktionen gegen Russland vor zwei Jahren – war Österreich das erste Land der Europäischen Union, das der russische Präsident Wladimir Putin besuchte. Nun kommt das österreichische Staatsoberhaupt, Heinz Fischer, zum zweitägigen Gegenbesuch in die russische Hauptstadt. Mit dabei eine hochrangige Delegation: Österreichs Außenminister Sebastian Kurz, Justizminister Wolfgang Brandstetter, Land- und Forstwirtschaftsminister Andrä Rupprechter sowie Staatssekretärin Sonja Steßl. Zudem reisen Vertreter aus Wissenschaft und Kultur mit.  

Im Zuge des Besuchs trifft sich Heinz Fischer mit Wladimir Putin, Russlands Premier Dmitrij Medwedjew und weiteren ranghohen Vertretern der russischen Politik. Den Boden dafür hat der österreichische Vize-Kanzler und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner bei seinem Moskau-Besuch im vergangenen Februar bereitet, bei dem die Arbeit der Österreichisch-Russischen Gemischten Kommission für Handel und wirtschaftliche Zusammenarbeit wiederaufgenommen wurde. Eigentlich hätte die Kommissionssitzung in der österreichischen Hauptstadt stattfinden sollen. Der russische Kommissionsvorsitzende und Vize-Premier Dmitrij Kosak wurde jedoch auf die Sanktionsliste der EU gesetzt. 

Intensivierte Kontakte 

Zum Abschluss unterzeichneten die Vertreter der Kommission einen Handlungsplan zu 26 gemeinsamen Wirtschaftsprojekten im Wert von vier Milliarden Euro. Vor dem Hintergrund des kräftigen Rückgangs des Handelsvolumens beider Länder 2015 um nahezu ein Viertel im Vergleich zum Vorjahr erhält dieser Projektumfang eine besondere Dimension. „2013 erzielte Österreich noch ein Rekord-Exportergebnis von 3,48 Milliarden Euro nach Russland“, erinnert der österreichische Handelsdelegierte in der Russischen Föderation Dietmar Fellner. Doch der Verfall der Ölpreise, die Rubelabwertung, die geringere Kaufkraft und die Liquiditätsengpässe der Auftraggeber hätten sich neben den Sanktionen negativ auf die Auftragslage österreichischer Exporteure und die russischen Exporte des Landes ausgewirkt.

Dennoch habe keines der 1 200 österreichischen Unternehmen Russland verlassen, hieß es vonseiten der österreichischen Botschaft in Russland. „Die Zusammensetzung der Delegation des Herrn Bundespräsidenten belegt, dass die bilateralen Beziehungen zwischen Österreich und Russland äußerst vielschichtig sind“, erklärte Botschafter Emil Brix. „Es freut mich, dass die politischen Kontakte zwischen Österreich und Russland in letzter Zeit wieder zugenommen haben“, fügte er hinzu.

Sicherheit bestimmt die Agenda

Vor dem Besuch des Vize-Kanzlers Mitterlehner in Moskau hatte der österreichische Staatschef die Sanktionen gegen Russland in einem Interview mit der russischen Nachrichtenagentur Tass kritisiert: „Ich würde die Zukunft gern ohne Sanktionen sehen“, sagte Fischer.

Doch: „Übereifriger Optimismus wäre fehl am Platz“, wie Wladimir Schweizer, Leiter der Abteilung für soziologische und politologische Forschung am Europa-Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften, im Gespräch mit RBTH betont. „Sowohl Mitterlehner als auch der Präsident haben wiederholt erklärt, dass Sanktionen schlecht sind. Dabei sprachen sie sich jedoch nicht gegen die Sanktionen als solche aus, sondern gegen die bestehende internationale Situation, die für Österreich und für Russland Verluste bringt“, erläutert der Politologe.

„Österreich erinnert sich, dass wir es kraft unserer Opfer im Zweiten Weltkrieg befreit haben und dass die Position der UdSSR zur vollständigen Unabhängigkeit des Landes im Jahr 1955 und später zum Erlangen der Neutralität beigetragen hat“, meint Schweizer. Doch ungeachtet der positiven historischen Erfahrung sei das heutige Verhältnis ebenso gestört wie zu anderen Ländern. Mit Österreich als Vermittler könne man nur mit gewisser Vorsicht rechnen, mahnt er. Es sei daran erinnert, dass Fischer schon vor einem Jahr in Moskau erwartet wurde, als der 70. Jahrestag des Sieges begangen wurde. Damals schickte Wien jedoch den österreichischen Botschafter zur Parade nach Moskau.

„Österreich trägt die im Rahmen der EU konsensual getroffenen Entscheidungen mit – das betrifft auch die aufgrund der Annexion der Krim und der Krise in der Ostukraine verhängten Sanktionen gegen Russland. Eine Aufhebung der Sanktionen verlangt die vollständige Umsetzung der Minsker Vereinbarungen“, unterstrich Botschafter Brix im Gespräch mit RBTH. So werde Fischer bei seinem Staatsbesuch in der russischen Hauptstadt auch die Lage in der Ukraine diskutieren – neben den bilateralen Fragen und internationalen Problemen wie die Syrien-Krise. „Angesichts des österreichischen OSZE-Vorsitzes im kommenden Jahr wird der Sicherheitsproblematik auf dem europäischen Kontinent besondere Aufmerksamkeit zukommen“, bestätigt der Kreml.

Kultur und Energie im Mittelpunkt

Unter den schwierigen Bedingungen setzen Moskau und Wien auf die Entwicklung kultureller Beziehungen und auf die Wirtschaftsbranchen, die von den Sanktionen unberührt bleiben. Die Zusammenarbeit in Kultur und Tourismus wird aktiv gefördert: Fürs nächste Jahr ist das gemeinsame russisch-österreichische Tourismusjahr geplant. Die österreichische Botschaft versichert, sich in Visaangelegenheiten gegenüber russischen Antragstellern gesetzestreu, jedoch auch entgegenkommend zu verhalten – bei touristischen Visa betrage die Ablehnungsquote weniger als 0,1 Prozent.

Für die russische Seite bleibt weiterhin die Energiewirtschaft die Hauptrichtung der Zusammenarbeit – vorrangig dabei sind die Perspektiven der Pipeline North Stream 2. Einer der zentralen Anteilseigner des Projekts ist die österreichische OMV. Wie die russische Wirtschaftszeitung „Kommersant“ zuvor berichtete, haben Vize-Kanzler Mitterlehner und der russische Premier das Thema bereits hinter verschlossenen Türen diskutiert. Österreich werde alle Anstrengungen unternehmen, um die Umsetzung des Projekts durch eigenen Einfluss zu fördern, sagte der Vize-Kanzler und Wirtschaftsminister des Landes bei dem Gespräch.

Die Details zur Umsetzung diskutierten die Vorstände von Gazprom und OMV vergangene Woche in Sankt Petersburg. Bis Jahresende sei eine Lieferung von 1,5 Millionen Tonnen russischen Erdöls an die OMV geplant, erklärten die Unternehmenschefs. Zudem solle der geplante Asset-Tausch abgeschlossen werden. Danach werde die OMV an zwei Abschnitten des Urengoi-Gasfeldes aktiv. Gazprom werde sich im Gegenzug den Projekten seines österreichischen Partners auf dem norwegischen Schelf und in der Nordsee anschließen.

Galina Dudina ist Redakteurin im außenpolitischen Ressort der russischen Tageszeitung „Kommersant“.

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