Der dritte Mann im Staat: Wer ist Sergei Iwanow?

Bis zu seinem Abgang gehörte der Ex-Spion zu Putins engsten Vertrauten.

Bis zu seinem Abgang gehörte der Ex-Spion zu Putins engsten Vertrauten.

Reuters
Seit vergangenen Freitag ist Sergei Iwanow nicht mehr der Leiter des Präsidialamtes. Der ehemalige Spion und enge Putin-Vertraute möchte kürzer treten. In ihm verliert der russische Präsident einen seiner fähigsten Männer an vorderster Front.

Der russische Präsident Wladimir Putin hat seinen treuen Gefährten Sergei Iwanow am vergangenen Freitag von der Position des Präsidialamtsleiters entbunden – auf dessen eigenen Wunsch hin. Iwanow übernimmt einen ruhigeren Posten: Er wird zum Sonderbevollmächtigten des Präsidenten für Umweltschutz und Verkehr.

Putins engster Vertrauter war de facto der dritte Mann im Staat. Der raffinierte Intellektuelle mit hervorragendem Englisch begann seine Karriere als Spion und stieg schließlich zum Staatsmann auf. Es sei vor allem die Umsicht, die ihn als gestandenen Profi auszeichne, sagten Iwanows Kollegen im Kreml. Er habe es immer geschafft, sich von sensiblen Themen zu distanzieren, ohne an Haltung zu verlieren.

Sowjetischer James Bond

Iwanows lange Freundschaft mit Putin hat seinem Aufstieg sicherlich Auftrieb verliehen. Die beiden Männer lernten sich Ende der 1970er-Jahre beim KGB kennen. Beide waren auf Auslandsmission: Putin in der DDR, Iwanow in Finnland und Kenia.

„Er ist der perfekte Spion, wie Mr. Smith aus dem Film „Matrix“. In einer Menschenmenge bleibt er unsichtbar, sowohl sein Äußeres als auch sein Name“, schrieb der Journalist Michail Sygar einst über Iwanow. In den 1990er-Jahren rangen Russlands wichtigste Nachrichtendienste – der Inlandsgeheimdienst FSB und die Auslandsaufklärung SWR – um seine Dienste.

Beim SWR brachte es Iwanow bis zum ersten stellvertretenden Direktor des Europa-Ressorts. Mit 40 Jahren war er einer der jüngsten Geheimdienstgeneräle. Schließlich machte jedoch der FSB das Rennen im Kampf um den wertvollen Agenten – nachdem Putin an die Spitze des Inlandsgeheimdienstes getreten war. Im Jahr 1998 machte Putin Iwanow zu seinem Stellvertreter und stärkte damit den analytischen Flügel des Geheimdienstes: Iwanow leitete das Ressort für Analyse, Prognose und strategische Planung. Nachdem Putin zum Ministerpräsidenten geworden war, übernahm Iwanow die Schlüsselposition im Sicherheitsrat: das Amt des Sekretärs.

Reformator des Militärs

2001 wurde Sergei Iwanow zum Chef des russischen Verteidigungsministeriums – damals eine der am meisten heruntergewirtschafteten Behörden des Landes. Die Armee und die Marine waren in denkbar schlechtem Zustand, Russland stand nach der Kursk-Tragödie unter Schock. Iwanow musste das Ansehen des Militärs vor allem in den Augen der russischen Bevölkerung wiederherstellen. Er vermied personalpolitische Zäsuren und leitete die Transformation der russischen Streitkräfte hin zu einer Freiwilligenarmee ein. Die Besoldung der Soldaten stieg unter Iwanows Führung um rund das Doppelte, für die Waffenentwicklung und -beschaffung wurde ein stabiler Etat eingerichtet. Die Reformen wurden vor dem Hintergrund des wüsten Zweiten Tschetschenienkrieges vollzogen.

Der Verteidigungsminister war um eine scharfzüngige Erklärung nie verlegen. Gegen Terroristen dürfe alles eingesetzt werden, außer Kernwaffen. „Hauptsache es ist effektiv“, sagte er einst. „Mittel und Methoden stehen selbstverständlich nicht zur Debatte“, fügte er hinzu.

Ab 2005 bekleidete er zusätzlich zur Position des Verteidigungsministers das Amt des Vize-Ministerpräsidenten. 2007 legte er beide Ämter nieder und übernahm den Posten des ersten Vize-Premiers im russischen Regierungskabinett.

Russlands Mann für die Auslandsbeziehungen

Als erster Vize-Premier verantwortete Iwanow die Konsolidierung der Rüstungsindustrie, einer ihm vertrauten Branche. Rüstungsbetriebe wurden zu staatlichen Holdings zusammengeführt. Seine größte Unternehmung auf diesem Feld war die Schaffung des Luftfahrtkonzerns United Aircraft Corporation (OAK), dessen Verwaltungsrat er bis Ende 2006 vorstand. Die Passagiermaschine Sukhoi Superjet und das Navigationssatellitensystem Glonass sind die bekanntesten Projekte dieser Zeit.

Iwanows andere wichtige Funktion in der Machtvertikale war die Verbindung nach Washington. Er war de facto Putins Bevollmächtigter für die Beziehungen zur Bush-Administration. Im Grunde war er Russlands zweites Gesicht auf der außenpolitischen Bühne – nach Putin.

Hinter den Kulissen wurde Iwanow damals als Putin-Nachfolger gehandelt – die zweite Amtszeit des russischen Präsidenten neigte sich dem Ende zu. Der zweite Favorit war Dmitri Medwedew – ein Mann für nationale Projekte, aber im Ausland von geringerem Gewicht. Warum Medwedew und nicht Iwanow das Rennen machte, erklärt ein Insider so: „Iwanow ist ein sehr enger Vertrauter Putins. Dennoch ging man sehr bedächtig mit ihm um. Alle wussten ja, dass er ein erfolgreicher Profi ist. Was wäre passiert, wenn er plötzlich eigene Ambitionen entwickelt hätte?“

Nach der Rückkehr Putins ins Amt des Präsidenten übernahm Iwanow die Leitung des Präsidialamts. Dabei habe er sich jedoch eher zurückgehalten, berichteten die Medien. Intern hätten Andere die Zügel in der Hand gehabt.

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