Russlands UN-Botschafter Witali Tschurkin und der russische Außenminister Sergej Lawrow.
ReutersDer UN-Sicherheitsrat hat am vergangenen Samstag über zwei Syrien-Resolutionen Russlands und des Westens abgestimmt. Beide Initiativen scheiterten.
Zuerst legten Frankreich und Spanien einen gemeinsamen Entwurf vor: eine unverzügliche Waffenruhe und eine Flugverbotszone über Aleppo, so der Vorschlag. Russland legte ein Veto ein. Witali Tschurkin, Vertreter Russlands im UN-Sicherheitsrat, schlug eine Alternative vor: Damit Kampfhandlungen eingestellt werden könnten, müsse der Syrien-Gesandte des UN-Generalsekretärs, Staffan de Mistura, den Abzug der Dschabhat al-Nusra aus Ost-Aleppo aushandeln. Auch dieser Entwurf verfehlte die erforderliche Mehrheit: Großbritannien, die USA, Frankreich und sechs weitere Sicherheitsratsmitglieder stimmten dagegen. China sprach sich für die russische Resolution aus. Beim französisch-spanischen Entwurf enthielt sich Peking der Stimme.
Eine Überraschung ist das Scheitern der beiden Resolutionsentwürfe nicht. Gleich zu Beginn der Sicherheitsratssitzung wertete Tschurkin dies als „eines der merkwürdigsten Spektakel in der Geschichte“ und betonte, alle Versammelten verstünden sehr gut, dass keiner der beiden Vorschläge eine Chance habe. Zuvor erklärte der russische UN-Botschafter, für Russland sei es inakzeptabel, das Vorgehen der eigenen Luftwaffe in Syrien unter dem Druck des Sicherheitsrates einzuschränken, was durch eine Flugverbotszone jedoch erforderlich würde.
Der Westen warf Moskau indes vor, keine friedliche Lösung des Konflikts zu verfolgen und stattdessen auf einen Sieg Baschar al-Assads zu setzen. Das Veto gegen die Flugverbotszone werde weiteres Blutvergießen nach sich ziehen: „Dank ihres heutigen Vorgehens werden Syrer ihre Leben in Aleppo und darüber hinaus in russischen und syrischen Bombardements lassen“, sagte der britische UN-Botschafter Matthew Rycraft an seinen russischen Kollegen gerichtet.Russland seinerseits kritisierte den Westen für seine unausgewogene Syrien-Politik und das russische Außenministerium warf den Initiatoren des französischen Entwurfs vor, „mit dem Versuch, Flüge über Aleppo zu verbieten, den Terroristen der Dschabhat al-Nusra Rückendeckung zu geben“. Der Westen sei von der Idee „einer verfassungswidrigen Macht in Syrien“ getrieben, hieß es in einer Ministeriumserklärung auf Facebook.
Der Politologe Leonid Issajew von der Higher School of Economics glaubt, die Stimmung sei zu angeheizt, um zu einer gemeinsamen Position zu kommen. „Nach dem Beschuss der syrischen Regierungstruppen durch die amerikanische Luftwaffe am 17. September und den Angriff auf ein UN-Hilfskonvoi am 19.September halten beide Seiten an gegenläufigen Positionen fest und sind nicht mehr zu Gesprächen bereit“, sagt Issajew gegenüber RBTH.
Frankreich habe Russland nicht überzeugen können: „Vielleicht wäre ein Kompromiss zur französischen Resolution möglich gewesen“, vermutet Issajew. „Aber dafür müssen die Gemüter erstmal abkühlen. Momentan wird jede Initiative der Gegenseite grundsätzlich ausgeschlagen.“Wassilij Kusnezow vom Institut für Orientalistik der Russischen Akademie der Wissenschaften stimmt dem zu: „Momentan ist keine diplomatische Regulierung zu erwarten“, ist er überzeugt. „Es liegt nicht nur an der destruktiven Position der USA, die Russland für alles, was in Syrien geschieht, aufs Schärfste kritisieren. Die innersyrischen Konfliktparteien selbst streben derzeit keine Regulierung an“, erklärt der Nahost-Experte.
Issajew betont: „Damaskus will es offensichtlich ausnutzen, dass die Regierungstruppen auf dem Schlachtfeld in einer günstigeren Lage sind als die Rebellen.“ Die syrische Regierung werde erst nach einem Sieg in Aleppo zur politischen Lösungsfindung übergehen. Dadurch hätte sie eine stärkere Position bei den Verhandlungen.
Wassilij Kusnezow ist sich indes unsicher, ob die Regierungstruppen genug Potenzial haben, um Aleppo zurückzuerobern – selbst mit der Unterstützung aus Russland und dem Iran: Damaskus sei am Ende seiner Kräfte und werde in jedem Fall verhandeln müssen.Dabei seien die Vereinten Nationen als Verhandlungsplattform sehr wichtig. Eine Alternative zur Lösungsfindung innerhalb der UN gebe es nicht, trotz aller momentanen Rückschläge: „Staffan de Mistura hat für die Übergangsperiode viel vorgearbeitet. Wenn der Friedensprozess angestoßen wird, fängt er nicht bei null an. Das ist wichtig“, betont Kusnezow.
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