Skandal um Uljukajew: Der erste gefasste Minister

Seit einem Jahr wurde der Wirtschaftsminister vom Geheimdienst FSB beobachtet. Nun steht er vor Basmanny-Gericht in Moskau.

Seit einem Jahr wurde der Wirtschaftsminister vom Geheimdienst FSB beobachtet. Nun steht er vor Basmanny-Gericht in Moskau.

Maksim Blinov/RIA Novosti
Seit mindestens einem Jahr wurde er vom Geheimdienst FSB beobachtet – nun folgte die Verhaftung: Wirtschaftsminister Alexei Uljukajew wird der Korruption und Erpressung beschuldigt. Noch sind die Fakten und Hintergründe des Falls zum größten Teil unklar. Die politische Elite des Landes hält sich mit Einschätzungen zurück.

In der Reihe von Gouverneuren, Beamten und Großunternehmern, die statt auf bequemen Ledersitzen hinter Gittern sitzen, befindet sich nun auch der russische Minister für wirtschaftliche Entwicklung, Alexei Uljukajew. In der Nacht auf Dienstag wurde er aufgrund des Verdachts der Erpressung von Schmiergeldern in Höhe von zwei Millionen US-Dollar im Rahmen des Verkaufs des Unternehmens Baschneft an den Ölriesen Rosneft in Haft genommen. Zum ersten Mal in der Präsidentschaft Wladimir Putins wird damit ein hochrangiger Minister der Korruption beschuldigt.

Stress für Ministerpräsident Medwedew

Die Privatisierung des Ölkonzerns Baschneft fand im vergangenen Monat ohne offenen Wettbewerb statt, auch wenn einige Unternehmen Interesse an einer Übernahme geäußert hatten. Noch Ende Juli sagte Uljukajew, dass Rosneft seiner Meinung nach ein "ungeeigneter Käufer“ sei. Dieser Meinung waren auch Vize-Ministerpräsident Arkadi Dworkowitsch sowie der Wirtschaftsberater des Präsidenten und Ex-Minister für finanzielle Entwicklung, Andrei Beloussow. Die Übernahme fand dennoch statt. Während der Abwicklung sagte Wladimir Putin: „Es ist wohl nicht die beste Option, wenn ein staatliches Unternehmen ein anderes kauft. Ich war ebenfalls von dieser Haltung der Regierung überrascht. Aber es ist tatsächlich die Position der russischen Regierung, vor allem im Finanzbereich."

Es sei nicht ausgeschlossen, dass die Entwicklungen der vergangenen Tage die Umsetzung der Worte Putins sind, glaubt Michail Winogradow, Vorsitzender der Stiftung „Peterburgskaja Politika“. „Es könnte sein, dass es ein Versuch ist, die Privatisierung aufzuhalten", sagt Winogradow. Dabei schließt der Experte ein politisches Spiel nicht aus – einen ausschalten, um alle zu treffen, auch die Regierung. „Ministerpräsident Dmitri Medwedew stand in den letzten sechs Monaten gut da, der heutige Tag ist für ihn sicherlich ein stressiger Moment", sagt Winogradow.

Bemerkenswert ist, dass Medwedew die Geschehnisse um seinen Minister Uljukajew bis auf den Hinweis, der Sache nachzugehen, unkommentiert ließ. Der Pressedienst des Kremls teilte mit, dass Medwedew die Lage mit Putin besprechen werde. Putin selbst gab ebenfalls keinen Kommentar ab, doch sein Pressesprecher Dmitrij Peskow versicherte, dass der Präsident von Beginn an über den Fall Uljukajew informiert gewesen sein.

Minister seit einem Jahr unter Beobachtung

Der FSB teilte mit, dass Uljukajew schon länger unter Beobachtung gestanden habe. Seine Telefongespräche seien ein Jahr lang abgehört worden. Deshalb ist auch offensichtlich, dass die Vorwürfe der Annahme oder gar Erpressung von Schmiergeldern im Fall Rosneft nur einer der Gründe für die Verhaftung waren. Vor einem Jahr war eine mögliche Privatisierung Baschnefts noch kein Thema. „Wir sehen, dass das Ermittlungskomitee als Vorreiter auftritt. Und das, obwohl der FSB sich mit dem Fall beschäftigt hat", sagt der Politologe Jewgeni Mintschenko. „Ich glaube, es handelt sich um ein strategisches Mittel von Alexander Bastrykin, dem Vorsitzenden des Komitees. Wenn die Ermittlungen ein Jahr lang geführt wurden, dann schließe ich daraus, dass sie bereits zu jenem Zeitpunkt liefen, als der Vizesicherheitschef von Rosneft noch beim FSB arbeitete.“

Viele Experten sind sich einig, dass die Höhe der Bestechungsgelder für einen föderalen Minister zu niedrig sei. Andere behaupten das Gegenteil und sind sich einig, dass die zwei Millionen US-Dollar nur als Vorwand gedient hätten: „Wahrscheinlich gab es einen Konflikt mit Igor Setschin, nach dem die Institutionen alle verfügbaren Informationen hervorgebracht haben", sagt ein anonymer Mitarbeiter der Geheimdienste gegenüber „Russia Direct“. Eine andere Quelle betont, dass Uljukajew in seinem Amt kein Profi gewesen sei. "Denken wir zumindest an seine widersprüchlichen Aussagen über die wirtschaftliche Lage in Russland. Im Fall von Rosneft hat er zudem gezeigt, dass er keinen politischen Riecher hat, da er Igor Setschin kreuzte. Rosneft ist nicht die Art von Organisation, von der man Geld für Gefälligkeiten fordern kann, auch nicht über Mittelsmänner“, so der Informant. „Das Ergebnis ist die Festnahme auf frischer Tat, die vom Kreml dazu genutzt wird, zu zeigen, dass es im Kampf gegen Korruption keine Unantastbaren gibt.“

Erste Reaktionen der Politik verhalten

Dass es keine Unantastbaren gibt, ist für die Politiker des Landes mittlerweile zum Hauptthema geworden. 

Duma-Sprecher Wjatscheslaw Wolodin reagierte vorsichtig. „Wir leben in einem Rechtsstaat, vor dem Gesetz sind alle gleich, aber wir dürfen nicht vergessen, dass wir erst nach einem Urteil sagen dürfen, ob er schuldig oder unschuldig ist. Die Ermittlungen laufen, wir dürfen uns noch nicht einmischen", betonte er. 

Ob der Minister offiziell entlassen wird, ist bislang nicht bekannt. Das Ermittlungskomitee soll Hausarrest beantragt haben. Uljukajews Arbeit übernimmt unterdessen sein Stellvertreter Alexei Wedjew.

Der Beitrag wurde vorbereitet unter Mitwirkung von Artjom Kureew. Die ungekürzte Fassung des Texts erschien zuerst auf Russia Direct.

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