Putin-Besuch in Japan: Nur Tokio kann den Südkurilen-Streit lösen

Putin ist erstmals seit elf Jahren wieder zu Besuch in Japan.

Putin ist erstmals seit elf Jahren wieder zu Besuch in Japan.

Kremlin.ru
Die Südkurilen sind zwischen Russland und Japan seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs heftig umstritten. Neben patriotischem Ethos spielen auch Bodenschätze und strategische Überlegungen eine große Rolle.

Der russische Präsident Wladimir Putin ist derzeit – erstmals seit elf Jahren – zu Besuch in Japan. Auch wenn es offiziell nicht darum gehen soll, so steht doch eine zentrale Frage im Raum: Werden die beiden Länder den nunmehr sechzig Jahre andauernden Landstreit endlich beilegen?

Japan und Russland haben noch immer keinen Friedensvertrag seit Ende des Zweiten Weltkriegs unterzeichnet. Der Zankapfel zwischen den beiden Anrainern des asiatischen Pazifiks ist eine Inselkette zwischen Russlands Insel Sachalin und Japans Insel Hokkaido.

Die Südkurilen, die aus den Inseln Iturup, Kunaschir, Schikotan und dem Habomai-Archipel bestehen, wurden zuerst durch Japan im 19. Jahrhundert kolonisiert. In den letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs besetzte die Sowjetunion die Inseln und zwang Japan zur Aufgabe der Inseln.

Japan erhebt Anspruch auf die Souveränität der Inseln, die es als sein „Nördliches Territorium“ bezeichnet. Bereits in den Sechzigerjahren war Moskau einen Schritt entgegengekommen und bereit, einen Kompromiss mit Tokio einzugehen. Es bot Schikotan und Habomai an, doch Japan bestand auf der Rückgabe der gesamten Inselkette.

Ein emotionsgeladenes Thema in beiden Ländern

Als Japan 1945 zur Räumung der Südkurilen gezwungen wurde, mussten 17 000 japanische Bürger die Inselkette verlassen. Viele dieser Menschen leben heute noch und wohnen auf Hokkaido. „Für jede Regierung in Tokio wäre es politischer Suizid, einen Kompromiss zu den Nördlichen Territorien zu schließen“, sagt Shigeo Tanaka, Politologe aus Sapporo, der Hauptstadt Hokkaidos. „Die Vereinigung der ehemaligen Einwohner des Nördlichen Territoriums hat großen politischen Einfluss und genießt Rückhalt in der Bevölkerung.“

Tamara Tschikowa, Professorin an der Staalichen Universität von Sachalin, glaubt, dass die Rückgabe Schikotans und des Habomai-Archipels – ein von verschiedenen russischen Regierungen unterbreitetes Angebot – starke Proteste hervorrufen würde. „Die Logik der Patrioten ist, dass Russland keine Gebiete an ein Land zurückgeben sollte, das ein Verbündeter von Nazi-Deutschland war“, erklärt sie und fügt rhetorisch hinzu: „Würde Russland etwa Kaliningrad an die Deutschen zurückgeben?“

Tanaka sagt, dass solch ein Vorschlag auch für Japan nicht akzeptabel wäre, da es auf der Rückgabe von Kunaschir und Iturup beharre. „Japan glaubt, sein Gesicht bereits verloren zu haben, als es die russische Souveränität über den Süden der Insel Sachalin anerkannte, die nach dem Russisch-Japanischen Krieg 1904/05 offiziell ein Teil Japans gewesen war“, fügt der Politologe hinzu.

Russlands Tor zum Pazifik

Die Inseln Kunaschir und Iturup sind äußerst rohstoffreich und es wird angenommen, dass dort eine Fülle Seltener Erden verborgen liegt. Die erfolgreichen Öl- und Gasprojekte auf der nahe gelegenen Insel Sachalin haben die Energiekonzerne dazu angespornt, auch im Gewässer um die Kurilen nach fossilen Rohstoffen zu suchen. Die Inseln mit ihren Urwäldern, Vulkanen und Wasserfällen verfügen zudem über ein sehr großes touristisches Potenzial.

Und doch hat die russische Regierung diesen Ideen eine Abfuhr erteilt: Sie hält die dünn besiedelten Inseln für Ausländer und ortsfremde Russen geschlossen. Der Grund dafür, da sind sich die meisten Experten einig, liegt im enorm strategischen Wert der Inseln.

In den vergangenen Jahren hat Russland seine militärischen Aktivitäten auf und um die Inseln herum gesteigert. Am 8. Juni ordnete der russische Verteidigungsminister Sergej Schojgu eine schnellere Fertigstellung der Militäreinrichtungen auf den Südkurilen an. Russland plant, etwa 1,2 Milliarden Euro in den Ausbau der Inselkette zu investieren, wobei der größte Teil dieser Summe für Verteidigungsanlagen ausgegeben werden soll. Mit dem Bau von Garnisonen auf Iturup und Kunaschir wurde bereits begonnen.

Die in Japan erscheinende „Review of Island Studies“ äußerte die Vermutung, dass die erhöhte militärische Aktivität Russlands auf den Südkurilen ihren Grund vor allem in der geplanten Eröffnung der Nordostpassage habe. Diese Schifffahrtsroute verbindet die Karasee mit dem Pazifischen Ozean und verläuft entlang der russischen Arktikküste. Sie bietet dem Land sowohl militärische als auch wirtschaftliche Vorteile.

Die Inseln Kunaschir und Iturup sind ein integraler Bestandteil von Russlands Verteidigungs- und Wirtschaftsstrategie für die Pazifikregion. Unter diesen Umständen besteht die einzige Chance für einen Friedensvertrag zwischen Russland und Japan darin, dass sich Tokio zu einem Kompromiss bereit erklärt.

Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland

Diese Webseite benutzt Cookies. Mehr Informationen finden Sie hier! Weiterlesen!

OK!