Absturz der Tu-154: Behörden ermitteln in drei Richtungen

Die Such- und Rettungsoperation in Sotschi.

Die Such- und Rettungsoperation in Sotschi.

Nina Zotina/RIA Novosti
Für die Ermittlungsbehörden gibt es drei mögliche Ursachen für den Absturz des russischen Militärflugzeugs vom Typ Tu-154 über dem Schwarzen Meer am Sonntagmorgen: Pilotenfehler, technisches Versagen und Terroranschlag. Alle an Bord befindlichen Personen kamen durch die Tragödie ums Leben.

Ein Flugzeug des Verteidigungsministeriums der Russischen Föderation vom Typ Tu-154 zerschellte am Morgen des 25. Dezembers 1,5 Kilometer vor der Schwarzmeerküste auf seinem Flug nach Syrien. Die  Identifikation der Passagiere ist noch im Gange. Gegenwärtig ist lediglich bekannt, dass sich unter den 92 Personen an Bord 68 Musiker des berühmten Alexandrow-Ensembles, neun Journalisten und acht Besatzungsmitglieder befanden.

Mitarbeiter des Ministeriums für Katastrophenschutz haben bisher die Leichen von sieben Opfern bergen können. Der Präsident der Russischen Föderation Wladimir Putin beauftragte den Ministerpräsidenten des Landes Dmitrij Medwedjew damit, eine Sonderkommission einzurichten und die Ermittlungen persönlich zu koordinieren.

Medienberichten zufolge ereignete sich die Tragödie während des Steigfluges. Einen Notruf hat die Besatzung nicht abgesetzt. Die Mitarbeiter des Ministeriums für Katastrophenschutz und die Ermittlungsbehörden haben ihre Tätigkeit am Ort der Tragödie aufgenommen. Die Fachleute werten bereits die Flugschreiber aus. Zudem befragen sie das verantwortliche Bodenpersonal sowie die Flugzeugtechniker. Gegenwärtig gehen die Experten von drei möglichen Ursachen aus.

1. Technisches Versagen

Nach Einschätzung des Generaldirektors des Zivilflug-Verbandes Aeroport Viktor Gorbatschow hat das Flugzeug während des Abhebens möglicherweise nicht über ausreichend Schubkraft verfügt. „Irgendetwas hat mit den Triebwerken nicht gestimmt. Genaueres wissen wir noch nicht und können vorerst nur Vermutungen anstellen. Diese reichen von Treibstoffproblemen bis zum Ausfall der Triebwerke. Das Abheben der Maschine ist der schwierigste Teil des Flugs. Verfügt der Flieger nicht über ausreichend Schubkraft und Geschwindigkeit, gerät er ins Trudeln“, erläuterte Gorbatschow.

Die abgestürzte Tu-154 nahm ihren Betrieb 1984 auf. 2014 wurde sie generalüberholt. Die letzte Durchsicht war im September dieses Jahres erfolgt. Nach den Worten Gorbatschows sei ein so hohes Alter bei Flugzeugen kein Anlass zur Sorge. „Weltweit sind Flugzeuge in Betrieb, die 30, 50 oder gar 60 Jahre alt sind. Das spielt keine Rolle. Die Flugeignung entsprach allen Anforderungen“, so der Verbandschef.

Nicht alle Experten teilen die Meinung Gorbatschows. Nach Meinung von Viktor Litowkin, Leutnant der Reserve und Militärsachverständiger der Nachrichtenagentur TASS, durchlebt die zivile Flotte der russischen Armee – im Unterschied zu den Jagdfliegern – gegenwärtig eher schwierige Zeiten. „Den Grundstock der Zivilflotte des russischen Verteidigungsministeriums bilden die Tu-154 sowjetischer Fertigung. Nach dem Zusammenbruch der Flugzeugindustrie in den Neunzigerjahren wurden keine Militärtransportmaschinen und Passagierflugzeuge für die Armee mehr hergestellt“, erklärte Litowkin.

Das russische Verteidigungsministerium, so der TASS-Experte weiter, dürfe keine Passagiermaschinen im Ausland kaufen. Zudem gebe es  gegenwärtig keinen Ersatz für die Tu-154. „Nach dem Abschluss der Ermittlungen werden die Militärs auch weiter mit diesen Maschinen fliegen“, fügte der Sachverständige hinzu.

2. Pilotenfehler

Wie das Verteidigungsministerium der Russischen Föderation mitteilte, wurde die Tu-154 von Roman Wolkow geflogen, einem mit über 3.000 Flugstunden sehr erfahrenen Piloten. „Die Flugzeugbesatzung war eine der erfahrensten. Sie haben mit eben jener Maschine mehrfach Überführungen von Maschinen des Typs Su-30, Su-35 und Su-24 zum Flughafen Basil al-Assad durchgeführt“, teilte eine nicht näher benannte Quelle aus Sicherheitskreisen  der Zeitung Iswestija mit.

Dennoch können die Experten zum jetzigen Zeitpunkt die Möglichkeit eines Pilotenfehlers, in dessen Ergebnis das Flugzeug zu schnell Höhe aufnahm, die Crew die Kontrolle verlor und das Gerät ins Trudeln geriet, als eine der Hauptursachen des Absturzes nicht komplett ausschließen. „Wir untersuchen in alle Richtungen – angefangen von minderwertigem Treibstoff über menschliches Versagen bis hin zu einem Terroranschlag“, verlautet aus Sicherheitskreisen.

3. Terroranschlag

Eine Reihe Sachverständiger zieht einen Vergleich der heutigen Tragödie zum Anschlag auf den Airbus 321-231 auf dem Flug von Scharm el-Scheich nach St. Petersburg am 30. Oktober 2015. Damals hatten Terroristen eine Bombe in der für Sperrgut verwendeten Heckzelle des Flugzeugs versteckt. 22 Minuten nach dem Start explodierte die Maschine in der Luft und stürzte aus mehreren Tausend Metern Höhe in die Tiefe.

Dieses Mal geschah die Tragödie sieben Minuten nach dem Abheben. Ein solch abrupter Absturz kommt nur in außergewöhnlichen Fällen vor, wenn etwas explodiert oder sich ein Teil gelöst hat. Bei diesem Flugzeugtyp kann normalerweise nur das Heck abbrechen“, sagte auf Radio Kommersant FM der Major der russischen Luftstreitkräfte und Flugausbilder Andrej Krasnoperow.„Die Wetterbedingungen waren normal. Wenn irgendetwas mit dem Flugzeug gewesen wäre, zum Beispiel mit den Triebwerken, hätte die Besatzung einfach kehrt gemacht und wäre im Gleitflug im Küstenbereich gelandet.“

In allen anderen Fällen, so der erfahrene Pilot, würde der Flugkapitän ohne Panik den Tower über das Problem informieren und das Notsignal einschalten. Dies sei aber nicht geschehen. „Das bedeutet, dass in der siebten Flugminute etwas Unvorhergesehenes und Akutes passiert ist. Zur Besatzung kann ich nichts sagen, und ein offensichtlicher technischer Mangel ist derzeit nicht erkennbar. [...] Im Küstenbereich wurde sogar jemand von Trümmern getroffen. Das bedeutet, dass die Flugzeugteile über ein größeres Gebiet verstreut wurden, was darauf hin deutet, dass das Flugzeug noch in der Luft explodiert ist“, urteilte Krasnoperow .

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