Experten des Waldai-Klubs debattieren: Wer ist Donald Trump?

Der designierte US-Präsident Donald Trump und seine Frau Melania bei einem Konzert als Auftakt der Feierlichkeiten zu seiner Vereidigung in Washington (USA). 19. Januar 2017.

Der designierte US-Präsident Donald Trump und seine Frau Melania bei einem Konzert als Auftakt der Feierlichkeiten zu seiner Vereidigung in Washington (USA). 19. Januar 2017.

Reuters
Zur Amtseinführung des 45. US-Präsidenten versucht die russische Expertengemeinschaft, das Phänomen Trump zu entschlüsseln und dessen Einfluss auf die innenpolitische Situation in den USA und auf die Beziehungen zwischen Russland und den USA vorauszusagen. Nun traf man sich im Waldai-Klub, um gemeinsam zu diskutieren.

Wer ist dieser „Trump“ und wie wird sich sein Phänomen auf die Beziehungen zwischen Russland und den USA auswirken? Dies sind die Fragen, die die russische Expertengemeinschaft zu beantworten versucht, um so das wahre Gesicht des neuen Präsidenten hinter dem Vorhang aus impulsiven Tweets und skandalträchtigen Ankündigungen zu erkennen.

Kurz vor der Amtseinführung hat sich am Mittwoch eine Expertengruppe im Waldai-Klub in Moskau getroffen, um nochmals zu versuchen, das „Phänomen Trump“ in das russische Verständnis des politischen und gesellschaftlichen Lebens in den USA zu integrieren.

Wer ist dieser Trump?

Die wichtigste Frage, die russische Experten bewegt, ist jene, was Trump im Kontext des systemumfassenden politischen Lebens in den USA verkörpert und wie sich dieses politische und kulturelle Phänomen auf den außenpolitischen Kurs der Weltmacht auswirken könnte.

„Trump: eine historische Gesetzmäßigkeit oder ein historischer Irrtum?“ fragte sich Iwan Safrantschuk, Dozent am Lehrstuhl für weltpolitische Prozesse des Moskauer Staatlichen Instituts für Internationale Beziehungen (MGIMO). Im Unterschied zu Trumps protestierenden Gegnern in den USA neigen die russischen Experten nicht dazu, Trumps Sieg bei den Präsidentschaftswahlen mit Fehlern des Wahlkampfteams Hillary Clintons oder gar der Einmischung des Kremls zu erklären. Sie vermuten vielmehr, dass es der skandalträchtige Kandidat vermochte, die grundlegenden Veränderungen in der US-amerikanischen Gesellschaft zu spüren.

„Trump ist jemand, der es geschafft hat, dem amerikanischen Volk die These schmackhaft zu machen, dass sich die USA auf dem absteigenden Ast der Geschichte befänden“, sagte Andrej Sustschenzow, Programmdirektor des Internationalen Diskussionsklubs Waldai und Professor am MGIMO. Für Sustschenzow zeugt die Äußerung einer solch unkonventionellen These vom „sehr großen Mut“ des Kandidaten.

Trump trifft den Nerv vieler Amerikaner

Für die russischen Experten, die selbst Augenzeugen des Zerfalls der „unvergänglichen“ Sowjetunion waren, war Trumps Erklärung über das Scheitern der US-Politik in den vergangenen Jahrzehnten keine leere Wahlkampfphrase, die die Gefühle der unzufriedenen Wähler ansprechen sollte. Vielmehr sei es eine aktuelle Frage, die die USA vor dem Verlust ihres globalen Einflusses retten solle. „Stellen Sie sich zum Beispiel vor, vor welchen Problemen eine solche Aussage die Sowjetunion hätte bewahren können“, sagte Sustschenzow.

Das Talent Trumps, Fragen zu stellen, die für die Führungskreise der USA unbequem sind, erkläre sich dadurch, dass er der Vertreter einer anderen, und zwar der industriellen Elite sei, glaubt Andrej Besrukow, ehemaliger russische Agent, der seinerzeit aus den USA ausgewiesen wurde und gegenwärtig als Berater des Rosneft-Präsidenten tätig ist.

„Wie auch Trumps Präsidentschaft verlaufen wird: Das Tor für einen nationalen Dialog darüber, was die USA eigentlich sind, wie sie mit ihren globalen Hauptopponenten umgehen sollen und was die Eliten unternehmen sollten, um das Land wieder zum Weltführer werden zu lassen, ist aufgestoßen worden. In diesem Sinne hat Trump sein Ziel bereits erreicht“, sagte Besrukow. Eben diese Wiedergeburt der USA als Wirtschaftsmacht sei das zentrale Anliegen Trumps, glaubt der Experte.

„Eine Mannschaft aus Superhelden“

Der Einfluss Trumps auf die zukünftigen Beziehungen zwischen Russland und den USA bewegt die russischen Experten nicht weniger als die innenpolitischen Probleme der USA:

„Trump konnte eine, sagen wir mal, Mannschaft aus Superhelden aufstellen, die es ansonsten nicht in das Weiße Haus geschafft hätten: hocheffiziente, ergebnisorientierte Menschen mit einer hervorragenden Erfolgsbilanz, die bisher noch keine politischen Ambitionen gezeigt haben“, sagte Sustschenzow, und ruft damit Assoziationen zu dem Blockbuster „Suicide Squad“ hervor, in dem eine Mannschaft aus Superhelden für „unausführbare“ Aufträge eingesetzt werden soll.

Auf die Frage, ob es tatsächlich realistisch sei, dass die Beziehungen zwischen Russland und den USA wiederbelebt würden, äußerten sich die russischen Experten sehr zurückhaltend. „Man muss davon ausgehen, dass Trump von einer ausschließlich komplementären Rhetorik im Verhältnis zu Russland und Putin zu einer realistisch-pragmatischen Agenda übergehen wird“, sagte Maxim Sutschkow, Fachmann des Russischen Rates für internationale Angelegenheiten und Redakteur der Zeitung „Al-Monitor“. Den voraussehbaren Veränderungen in Trumps Rhetorik sollte man gelassen entgegenblicken, glaubt der Experte, da dies aufgrund der Komplexität der Beziehungen zwischen Russland und den USA unvermeidbar sein werde.

„Das Entscheidende ist, sich nicht auf gute zwischenmenschliche Beziehungen zwischen den beiden Staatsoberhäuptern zu verlassen. So etwas haben wir schon erlebt zwischen den Freunden Boris und Bill, den Freunden George und Wladimir und den Freunden Dmitrij und Barak. Das erzeugt die Illusion von Flitterwochen. Wenn diese vorbei sind, kommt es auch oft zu Krisen, die die Beziehung belasten und zu einem kritischen Zustand führen können“, schloss Sutschkow.

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