January 7, 2017 - Zaitseve, Donetsk Oblast, Ukraine - Soldier of the Donetsk Peoples Republic watching ukrainian positions inside his trench close to the frontline of Zaitseve, Ukraine.
ZUMA Press/Global Look PressSeit dem 7. April 2014 tobt im Osten der Ukraine ein Bürgerkrieg, in dem die selbst ernannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk gegen die ukrainische Armee kämpfen. Heftig gekämpft wurde bis zum 12. Februar 2015, dem Tag, an dem die Minsker Vereinbarungen verabschiedet wurden. Seither gilt ein Waffenstillstand, der ab und zu durch gegenseitigen Beschuss unterbrochen wird.
Bisweilen eskaliert die Situation: Erst Ende Januar brachen erneut Kämpfe aus, die Dutzenden von Menschen das Leben kosteten. Laut UN-Schätzungen beträgt die Zahl der Opfer des Konflikts im Osten der Ukraine bislang mindestens 9 800 Menschen, darunter Kämpfer als auch Zivilisten. Zudem gehören die 298 Todesopfer der Flugzeugkatastrophe vom 17. Juli 2014 dazu. Die Boeing 777 wurde über dem umkämpften Verwaltungsgebiet Donezk abgeschossen. Von wem, ist bis heute unklar. Alle Opfer des Absturzes waren Ausländer, die Verantwortung für den Abschuss schieben beide Konfliktparteien von sich.
Im Osten grenzt die Ukraine an Russland und die Mehrheit der Bevölkerung spricht Russisch. Das zum größten Teil von den selbst ernannten Volksrepubliken kontrollierte Donezbecken verfügt über ein großes Steinkohlevorkommen und gilt als eine der am meisten wirtschaftlich entwickelten Regionen der Ukraine.
Im Februar 2014 wurde in Kiew Präsident Janukowitsch entmachtet, woraufhin es in den östlichen Gebieten der Ukraine zu Unruhen kam. Die Bevölkerung befürchtete, dass die neue Regierung eine nationalistische Politik betreiben und die russische Sprache verbieten würde. Die Lage wurde zusätzlich durch das Referendum auf der Krim am 16. März 2014 zugespitzt: Als Ergebnis trat die Halbinsel Krim der Russischen Föderation bei.
Demonstranten in Donezk und Luhansk, die am 7. April 2014 das Verwaltungsgebäude besetzt hatten, riefen die Gründung der Volksrepubliken Donezk und Luhansk aus. Als Antwort organisierte Kiew einen Anti-Terror-Einsatz – diese Bezeichnung behält die Ukraine für den Konflikt im Donbass offiziell bis heute bei. Die militärischen Auseinandersetzungen wurden von Woche zu Woche heftiger. Im Sommer 2014 wurden bereits schwere Geräte, Luftstreitkräfte und Raketenabwehrsysteme eingesetzt.
Bild: Kirill Polukhin/RBTH
Beide Konfliktseiten bedienen sich einer fanatischen Rhetorik. Während Kiew die Aufständischen als Terroristen bezeichnet, werfen die selbst ernannten Volksrepubliken der ukrainischen Regierung Nazi-Taktiken und Völkermord an der russischsprachigen Bevölkerung vor.
Andererseits sind die Volksrepubliken und die restliche Ukraine nach wie vor wirtschaftlich eng miteinander verbunden: Der Donbass beliefert die Ukraine mit Steinkohle und die Betriebe in den Volksrepubliken zahlen Steuern an Kiew. Laut dem ukrainischen Sicherheitsdienst überwiesen die Volksrepubliken im vergangenen Jahr rund eine Milliarde Euro an den ukrainischen Haushalt.
„Es ist das Paradoxe dieses Konflikts, dass egal in welcher Phase des Krieges – ob heiße oder kalte – die Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Aufständischen und der restlichen Ukraine nie unterbrochen wurden“, stellt der Journalist Wiktor Loschak fest. Und die gemeinsame Wirtschaft funktioniere, sagt er, trotz Opfer auf beiden Seiten: Die von den Volksrepubliken kontrollierten Gebiete und die restliche Ukraine hingen zu stark voneinander ab.
Im Dezember 2014 gab Russland eine offizielle Stellungnahme ab. Der russische Ministerpräsident Dimitrij Medwedjew stellte damals klar: Die Krim gehört zu Russland und der Donbass zur Ukraine. Die russischen Staatsbürger, die an der Seite der Aufständischen im Donbass kämpften, hätten diese Entscheidung selbst getroffen, hieß es aus dem Kreml und dem russischen Außenministerium. Moskau erkennt die Volksrepubliken Donezk und Luhansk bis heute nicht an.
Gleichzeitig liefert Russland humanitäre Hilfsgüter in die Volksrepubliken und übt starke Kritik an Kiew. Als sich die Lage im Januar dieses Jahres zuspitzte, beschuldigte Russlands Präsident Wladimir Putin die Ukraine der Eskalation und meinte, Kiew inszeniere sich als Opfer, um Unterstützung von internationalen Geldgebern zu erhalten.
Unterstützung bekommt die Ukraine in der Tat vom Westen, der Russland die Schuld am Konflikt im Osten der Ukraine gibt. Zwar beteiligen sich Europa und die USA nicht militärisch am Donbass-Konflikt, doch auf beiden Seiten kämpfen einige Dutzend Freiwillige aus westlichen Ländern an der Front.
Ein ukrainischer Soldat an der Frontlinie nahe der Stadt Awdijiwka im Februar 2017. Foto: Reuters
Im Herbst 2014 und Winter 2015 wurden in der belarussischen Hauptstadt Minsk zwei Vereinbarungen unterschrieben, die eine friedliche Lösung für den Konflikt vorsehen. Unterstützt wurden die Vereinbarungen von Russland, der Ukraine, Frankreich und Deutschland.
Laut diesen Minsker Vereinbarungen muss die Ukraine nach Abzug aller Truppen und dem Ende der Kämpfe eine Verfassungsreform durchführen und eine Amnestie für die Aufständischen verkünden. Danach sollten die Volksrepubliken unter ukrainische Kontrolle zurückkehren und in die neuen Machtstrukturen integriert werden. So weit kam es bislang aber nicht – die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen steckt in der Phase der Waffenruhe fest.
Wie der stellvertretende Leiter des Instituts für die GUS-Länder Wladimir Jewseew betont, stellt die Auseinandersetzung in der Ukraine derzeit den größten europäischen Konflikt dar. „Wird diese Krise nicht gelöst, wird sie sich auf Europa auswirken und zwar in Form von illegalen Waffenlieferungen, Radikalisierung und Flüchtlingsströmen“, ist der Experte sicher.
Dass der Friedensprozess nicht in Gang kommt, findet Jewseew gefährlich: „Der Westen versucht, die Ukraine zu vergessen. Aber das klappt nicht, denn sie ruft sich mit immer neuen Eskalationen und Todesopfern in Erinnerung.“ Außerdem sei genau die Krim- und Donbass-Frage ausschlaggebend für die russisch-amerikanischen Beziehungen, meint der Experte. Ohne einen Kompromiss in der Ukraine-Krise werde es keinen konstruktiven Dialog zwischen Moskau und Washington geben – und das betrifft die ganze Welt.
Die Minsker Vereinbarungen seien alternativlos, betont Sergej Karaganow, Leiter der Fakultät für Weltwirtschaft und -politik an der Higher School of Economics in Moskau. Doch von alleine geschehe nichts – es müsse Druck auf die Konfliktseiten ausgeübt werden, und zwar seitens der externen Mächte wie Russland und die USA. „Die europäischen Länder sind zu viel mit ihren eigenen Problemen beschäftigt. Ihr Einfluss auf die Ukraine ist sehr gering. Die Schlüsselrolle auf der westlichen Seite können nur die USA spielen“, meint der Experte.
Wladimir Jewseew stimmt seinem Kollegen zwar zu, betont aber, dass eine Zusammenarbeit zwischen den USA und Russland unklar sei. „Niemand weiß bisher, wie sich die Administration von Donald Trump in Bezug auf den Ukraine-Konflikt verhalten wird. Die russische Position ist klar, es hängt alles von Washington ab“, sagt der Experte.
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