Ungewöhnlich scharfe Töne: Warum Russland die Resolution zu Syrien ablehnt

Der russische UN-Botschafter Safronkow reagierte harsch auf den Vorwurf seines britischen Kollegen.

Der russische UN-Botschafter Safronkow reagierte harsch auf den Vorwurf seines britischen Kollegen.

Reuters
Russland hat im UN-Sicherheitsrat sein Veto gegen eine Resolution zum angeblichen Einsatz von Chemiewaffen des Regimes von Bashir Assad gegen das eigene Volk eingelegt. Es ist bereits das achte Veto des Landes gegen eine UN-Sicherheitsrats-Resolution zu Syrien. Die Debatte soll sehr konfrontativ verlaufen sein.

Worum geht es bei dieser Resolution?

Die Resolution wurde dem UN-Sicherheitsrat von drei Staaten vorgelegt - den USA, Frankreich und Großbritannien. Sie bezog sich auf den angeblichen Einsatz von Chemiewaffen in der Stadt Chan Schaichun in Syrien in der Südprovinz Idlib am 4. April.

Wie es im Bericht der US-Regierung heißt, hätten Assads Truppen Sarin „gegen die Opposition eingesetzt, um den Verlust von militärisch wichtigen Territorien zu vermeiden“. Im Ergebnis, so behaupten die amerikanischen Geheimdienste, sei die einheimische Zivilbevölkerung betroffen gewesen, die 50 bis 100 Todesopfer zu beklagen hätte. Die USA sind überzeugt, dass dieser Vorfall nicht von der Opposition provoziert wurde.

Der Resolutionsentwurf forderte, dass die syrische Regierung alle Informationen zu den Lufteinsätzen an diesem Tag herausgeben solle. Unter anderem wurde Damaskus aufgefordert, die Namen "aller Piloten sämtlicher Flugapparate" zu nennen und ein Treffen mit diesen zu organisieren sowie Zugang zu den Militärbasen zu gewährleisten, von denen der Luftschlag erfolgte. Sollte der Verdacht sich bestätigen, wären Sanktionen und der Einsatz militärischer Gewalt gegen Syrien die Folge.

Warum wurde die Resolution abgelehnt?

Für den Antrag stimmten am Mittwoch, dem 12. April, zehn Mitglieder des UN-Sicherheitsrates. Dagegen votierten Russland und Bolivien. Die restlichen drei Mitglieder – China, Äthiopien und Kasachstan – enthielten sich der Stimme. Da der Resolutionsentwurf über die notwendige Mehrheit für eine Annahme verfügte, machte Russland von seinem Vetorecht Gebrauch.

Wie bewertet Russland die Resolution?

Russland ist gegen die Resolution, da es sie als "nicht zielführend" erachtet. Wäre sie angenommen worden, wäre das "die faktische Legitimierung" des Raketenanschlags der USA gegen Syrien gewesen, der unter Umgehung des Völkerrechts, das heißt ohne Beschluss der UNO, erfolgte, erklärte der stellvertretende russische UN-Sondergesandte Wladimir Safronkow die Position seines Landes.

Der Ständige UN-Vertreter Großbritanniens Matthew Rycroft, erklärte, dass Russland sein Vetorecht missbrauche, indem es die Regierung Syriens "gewissenlos verteidigt". Assad sei "ein Mörder und Verbrecher" und Moskau habe "das Vertrauen" verloren, wobei es für den Kreml noch nicht zu spät sei, sich zu besinnen.

Der russische Diplomat reagierte harsch auf den Vorwurf seines britischen Kollegen. Er warf London vor, dass dieses, "die Interessen von Militärgruppierungen unterstützt, von denen viele Christen und andere Minderheiten im Nahen Osten abschlachten".

"Die Sache ist doch die“, so Safronkow weiter, „und das wissen auch schon viele in der UNO, dass Sie erschrocken waren, schlaflose Nächte hatten, weil Sie befürchteten, wir könnten mit den Vereinigten Staaten zusammenarbeiten. Sie haben solche Angst davor und lassen nichts unversucht, um diese Zusammenarbeit zu unterminieren". Da ihm sein britischer Kollege nicht die gebührende Aufmerksamkeit zukommen ließ, fügte er hinzu: "Schau mich an! Schau nicht weg! Was guckst du denn weg?!"

Später erklärte der Kreml, dass er die Erklärung Safronkows nicht für missverständlich erachte. "Es wurde nichts Beleidigendes geäußert. [...] Einer Rückgratlosigkeit drohten in der Zukunft unschöne Folgen", kommentierte der Pressesprecher des russischen Präsidenten Dmitrij Peskow.

Russland lehnte die Resolution der "Trojka" ab - konnte es eine Alternative bieten?

Neben der Resolution der Trojka lagen dem Sicherheitsrat ursprünglich noch zwei weitere Vorschläge vor. Einer war eine "Kompromissvariante" des letztendlichen US-amerikanisch-französisch-britischen Vorschlags: Die Forderung nach Vorlage aller Informationen zu den Flügen und nach Zugang zu den Militärbasen wurde durch die Forderung ersetzt, mit der Ermittlungsgruppe und der UNO "umfassend zusammenzuarbeiten".

Der dritte Entwurf wurde von Russland eingebracht. Dieser sieht eine Untersuchung vor und nicht "das Benennen von Schuldigen noch vor Ermittlung der Fakten". Die Russische Föderation schlug vor, Experten der UNO und der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) vor Ort zu schicken.

Mit welchen Folgen ist nun zu rechnen?

Dies ist bereits das achte Mal, dass Russland eine Resolution zur Syrienfrage blockiert, und nie hatte es bisher ernsthafte Konsequenzen gegeben. "Die UNO-Tribüne ist bereits seit längerer Zeit vor allem ein Forum zur Äußerung der eigenen Gedanken, so eine Art internationaler Hyde-Park", sagte gegenüber RBTH Jewgenij Mintschenko, Direktor des Internationalen Instituts für politische Einschätzungen. Er glaubt, dass die UNO immer seltener wirksame Beschlüsse verabschieden werde, obwohl diese Tribüne ein unverzichtbares Instrument sei.

"Wir wussten vorher, dass gegen ihn [den Resolutionsentwurf] ein Veto eingelegt werden würde. Stellt sich natürlich die Frage, wozu das Ganze?", fragte auf der Sitzung der Diplomat aus Bolivien, wobei er davon ausging, dass dies die Art und Weise des Westens sei, auf die Gespräche zwischen den USA und Russland einzuwirken.

Unterm Strich sei das nur eine "große Illusion", auch wenn manch einer der westlichen Partner glauben mag, dass er auf Russland Druck ausübe, wenn er das Land isoliert, ist sich Andrej Susdalzew, Dekan der Fakultät für Weltwirtschaft und -politik der Wirtschaftshochschule, sicher.

"Der Sicherheitsrat ist gegenwärtig die einzige ständig Plattform im System der internationalen Beziehungen, auf der man einander seine Ansprüche geltend und eine entsprechende Argumentation äußern kann. Und es ist übrigens ganz gut so, dass alle vollkommen offen sprechen. Unsere Partner halten sich auch nicht besonders zurück. Die Diplomatie macht manchmal der Polemik Platz. Das ist von Zeit zu Zeit recht nützlich", resümiert Susdalzew gegenüber RBTH.

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