Tobolsker Kreml liegt auf einer steil aufragenden Landspitze hoch über der Stadt. Foto: RIA-Novosti
Gegründet im Jahr 1587 war Tobolsk einer der ersten asiatischen Vorposten Russlands und wurde später die Hauptstadt Sibiriens. Die russische Kolonisierung Sibiriens begann im 16. Jahrhundert unter Zar Iwan IV., der auch als Iwan der Schreckliche in die Geschichte eingegangen ist. 1552 brachten Truppen des Zaren Kasan in ihre Gewalt, eine Stadt am Ufer der Wolga im östlichen Teil Russlands. Es war bis dahin von Tataren regiert, einem bis heute verstreut in Russland lebenden islamischen Volk. Von Kasan ausgehend drangen die Russen allmählich weiter ostwärts über den Ural bis zu den weiten Steppen Zentralasiens vor. In diesem öden Land herrschte das mongolische Khanat Sibir, das der Region ihren Namen gab.
Drei Jahrzehnte nach der Einnahme Kasans führte Jermak Timofejewitsch, ein Flusspirat aus der Wolgaregion, ein kleines Kosakenheer in einen ambitionierten Eroberungszug gegen das Khanat Sibir. 1580 nahmen sie die heute russische Stadt Tjumen ein. Zwei Jahre später fiel auch die sibirische Festung Isker am Fluss Tobol an den Piraten. Im Jahr 1587 gründeten Russen flussabwärts von Isker am Zusammenfluss von Irtysch und Tobol die Stadt Tobolsk.
Zwischenstation für Verbannte
Tobolsk wurde zur Hauptstadt Sibiriens und war später eine Station auf dem Weg Verbannter in die entlegensten Winkel des Russischen Reichs. Der Schriftsteller Fjodor Dostojewski, der zu vier Jahren Zwangsarbeit im nahe gelegenen Omsk verurteilt worden war, legte hier einen Zwischenhalt ein.
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Russlands letzter Zar Nikolaus II. und seine Familie wurden während des russischen Bürgerkriegs nach Tobolsk verschleppt. Man hielt sie in der Residenz des Gouverneurs gefangen und schaffte sie später nach Jekaterinburg, wo man sie hinrichtete.
Eine einzigartige Sehenswürdigkeit von Tobolsk und ganz Sibirien ist der Kreml. Er liegt auf einer steil aufragenden Landspitze hoch über der Stadt. Von diesem Plateau aus hat man eine wunderbare Aussicht auf die vom Wind gezeichnete zentralasiatische Steppe. Die Festungsanlage ist umgeben von weißen Mauern mit spitzen Wachtürmen an jeder Ecke. Das Zentrum im Inneren bildet die 1686 erbaute Sophienkathedrale mit ihren vielen goldenen und blauen Zwiebeltürmen.
Links von der Sophienkathedrale erhebt sich der Glockenturm, der 1799 speziell für die Glocke aus Uglitsch erbaut wurde. Neben Dostojewski und der Zarenfamilie ist die Glocke eine weitere nach Tobolsk verschleppte Berühmtheit. Sie erinnert an die Unruhen in der Stadt Uglitsch im 16. Jahrhundert, die dort nach dem mysteriösen Tod von Dmitri, Sohn von Iwan dem Schrecklichen, ausbrachen. Die Glocke, die den Tod Dimitris verkündete, wurde als Schuldige für die Unruhen ausgemacht und, nachdem sie sogar ausgepeitscht worden sein soll, ins 300 Kilometer entfernte Tobolsk verbannt.
Der Kreml beherbergt außerdem die Schutz-und-Fürbitte-Kathedrale, in der beeindruckende Deckengemälde besondere Aufmerksamkeit verdienen. Am südlichen Ende des Geländes befindet sich ein Museum mit Dauerausstellung über das Tatarenvolk und einer Nachbildung der berühmten Glocke von Uglitsch. Im Museum am Abgeordneten-Palast kann man einen Eindruck von Tobolsk aus der Zeit als sibirische Hauptstadt bekommen.
Malerische Altstadt
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Die Altstadt liegt unterhalb des Kremls am Irtysch. Graue Holzhäuschen mit farbenfrohen Fensterrahmen prägen das Stadtbild und vermitteln einen Eindruck, wie Tobolsk zu Zarenzeiten ausgesehen haben könnte.
Im Verwaltungsgebäude des Rajons (Verwaltungsbezirk) Tobolsk (ul. Mira 10) wurde die letzte Zarenfamilie gefangen gehalten. Ein kleines Museum erinnert daran. Sehenswert ist auch das wenige Schritte entfernte Haus (ul. Mira 9) des berühmten Chemikers Dmitri Mendeljew, der die Grundlagen für das Periodensystem der chemischen Elemente schuf.
Die tatarische Vergangenheit der Region wird lebendig bei einem Besuch
der Moschee (ul. Puschkina 27) oder des Sibirisch-Tatarischen Kulturzentrums (ul. Jerschowa 30), das auch ein Museum betreibt. Gelegentlich finden hier tatarische Kulturveranstaltungen statt. Für ein wahres Abenteuer empfiehlt sich ein Abstecher zur Fluss-Anlegestelle Tobolsk unterhalb des Kremls. In den Sommermonaten kann man von hier aus drei- bis viertägige Fahrten auf einem Fährschiff über den Irtysch nach Omsk unternehmen (Preis pro Kabine etwa USD 60).
Nicht weit entfernt von Tobolsk liegt Tjumen, eine Station der Transsibirischen Eisenbahn. Zugverbindungen gibt es auch zu den sibirischen Städten Omsk und Nowosibirsk.
Die einfachste Verbindung nach Tobolsk ist ein Flug nach Tjumen und danach eine Weiterfahrt mit dem Zug. Die Fahrtzeit beträgt etwa vier Stunden (Ticket einfache Fahrt: 20 bis 60 Euro). Direktflüge zwischen Tjumen und Moskau oder Sankt Petersburg verkehren täglich (Hin- und Rückflug ab 325 Euro).
Anreise aus östlicher Richtung mit dem Zug aus Omsk an geraden Tagen möglich (Ticket für eine einfache Fahrt ab 36 bis 60 Euro).
Unterkunft
Das Hotel Georgiewskaja (ul. Lenskaja 35) in der Nähe des Tobolsker Kremls bietet Luxus-Suiten für rund 80 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
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