Russlands großer Sieg in Sotschi

Insgesamt konnten russische Sportler bei den olympischen Spielen in Sotschi 33 Medaillen gewinnen.  Foto: flickr.com/sochi2014

Insgesamt konnten russische Sportler bei den olympischen Spielen in Sotschi 33 Medaillen gewinnen. Foto: flickr.com/sochi2014

Die Mannschaft Russlands hat die Nationenwertung der Olympischen Spiele im eigenen Land gewonnen. Nach der Blamage bei den Spielen in Vancouver 2010 zeigten die russischen Sportler in Sotschi das beste Ergebnis bei Winterspielen. Dabei wurden Geschichten geschrieben, die sich nur in olympischen Höhen abspielen können.

Vor dem Beginn der Olympischen Spiele in Sotschi haben sich die russischen Sportfunktionäre wahrscheinlich unweigerlich an den elften Platz im Jahr 2010 in Vancouver erinnert und sich vorsichtig geäußert: Ein dritter Platz in der Gesamtwertung in Sotschi 2014 wäre schon ein Erfolg, hieß es. Die Pessimisten sahen einen fünften Platz als wahrscheinlicher an. Die Optimisten, oder besser gesagt Träumer, waren in der Minderheit und ihre Prognosen fanden kaum Gehör. Aber das objektive Endergebnis lautet nunmehr: Die Mannschaft Russlands hat die Nationenwertung bei den Olympischen Spielen gewonnen – sowohl nach der Zahl der Goldmedaillen, als auch nach der amerikanischen Variante, die alle Medaillen gleich gewichtet berücksichtigt.

Russland ist erst das vierte Land, dessen Mannschaft im eigenen Land die meisten Goldmedaillen erringen konnte. Vorher gelang dies lediglich 1932 den USA, 1952 Norwegen und 2010 Kanada.

Die Auswahl Russlands schloss den Wettbewerb mit 13 Gold-, elf Silber- und neun Bronzemedaillen ab. Die russische Mannschaft egalisierte den Rekord der sowjetischen Mannschaft von 1976, die bei den Olympischen Winterspielen in Innsbruck ebenso viele Goldmedaillen gewann.

Insgesamt konnten russische Sportler bei den diesjährigen Spielen 33 Medaillen gewinnen. Das ist das beste Ergebnis in der Geschichte des russischen Sports. Bisher lag der Rekord bei 29 Medaillen, die von der Nationalmannschaft der UdSSR bei den Olympischen Spielen 1988 in Calgary errungen wurden.

 

Von Unglücksraben zu Glückskindern

Zwei Tage haben die Geschichte der Olympischen Spiele verändert. Den Kampf um den Gesamtsieg haben – so unerwartet es auch gewesen sein mag – die Biathleten und die Skilangläufer entschieden. Diese waren zuvor eher durch Missgeschicke, vierte Plätze, zerbrochene Ausrüstung, Stürze und Schießfehler aufgefallen.

Der Sieg der Biathlon-Männer-Staffel im abschließenden Rennen schien ein Ding der Unmöglichkeit, insbesondere da der bis dato einzige Medaillengewinner von Sotschi – Jewgenij Garanitschew – in der Aufstellung fehlte. Aber das russische Quartett erkämpfte sich den ersten Platz.

„Vielleicht ist dies eine Eigenschaft des russischen Charakters – alles am letzten Tag wiedergutzumachen?", nimmt Jewgenij Ustjugow an, der in Vancouver den Massenstart gewann. „Wir haben schon mehrfach das Publikum in Erstaunen versetzt, weil wir bei den Einzelwettbewerben nicht sonderlich überzeugten, uns dann aber in der Staffel zusammengerauft und ein Super-Ergebnis erzielt haben."

Die Skilangläufer – Alexander Legkow, Maxim Wylegschanin und Ilja Tschernousow – belegten das gesamte Siegerpodest beim Ski-Marathon im Massenstart über 50 Kilometer. Auf diese zwei Siege in den für Russland traditionell starken Wintersportarten Langlauf und Biathlon wartete das Publikum bei den Olympischen Spielen lange, aber letztlich nicht vergebens.

„Der Wert dieser Goldmedaille lässt sich nicht messen, er ist wertvoller als mein Leben", sagte Lechkow gegenüber Journalisten und konnte die Freudentränen nicht zurückhalten. „Ich kann mit Worten nicht ausdrücken, was ich empfinde. Ich habe 15 Jahre auf dieses Ergebnis hingearbeitet."

 

Eiskunstlauf: Einer für alle und alle für einen

Es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass die Erfolgsgeschichte in den Mannschaftswettbewerben mit den Siegen der russischen Eiskunstläufer begann, die Gold im Mannschaftswettbewerb, der erstmals in der Geschichte der Spiele stattfand, gewannen. Die 15-jährige Julia Lipnizkaja, die mit Bravour beide Programme absolvierte, wurde zur jüngsten Olympiasiegerin. Außerdem waren die Paarläufer Tatjana Wolososchar und Maxim Trankow, die im Anschluss auch den Einzel-Wettbewerb gewannen, die ersten Eiskunstläufer die zweifache Olympiasieger bei ein und denselben Olympischen Spiele wurden. Und Adelina Sotnikowa errang die erste Goldmedaille in der Geschichte des sowjetischen und russischen Einzellaufens der Frauen. Der 17-jährigen gelang das, was weder Kira Iwanowa, noch Irina Sluzkaja zu erreichen vermochten.

Der einzige ambivalente Moment während des Eiskunstlauf-Turniers ist wohl die Aufgabe Jewgenij Pljuschtschenkos gewesen. Er verhalf im Mannschaftswettbewerb seinen Teamkollegen zur Goldmedaille, aber sein Rücken, der nach einer Operation mit einer künstlichen Bandscheibe, die

mit vier Schrauben befestigt war, eine weitere Teilnahme verhinderte, ließ ihn im Stich. Die Kommentare in Richtung Pljuschtschenkos waren vollkommen unterschiedlich. Darunter war auch Folgendes zu hören: Ein Sportler muss auch trotz Schmerzen und gelähmtem Bein an den Start gehen und sein Programm absolvieren, selbst wenn er danach auf der Krankentrage herausgetragen wird. Wie sich später herausstellte, wäre es genau so auch gewesen. Eine der vier Schrauben hielt während eines Vierfachsprungs die Belastung nicht mehr aus und zerbrach. Am 2. März steht Pljuschtschenko in einer israelischen Klinik, in die er aus Sotschi zur Untersuchung abgereist war, eine weitere Operation bevor.

 

Die Eishockey-Mannschaft enttäuschte

Aber die Aufmerksamkeit der gesamten Sport- und sportbegeisterten Welt wechselte von Pljuschtschenko recht schnell zu den Eishockeyspielern. Der Auftritt der russischen Eishockey-Nationalmannschaft, die bereits die dritten Olympischen Spiele hintereinander ohne Medaille geblieben ist, war die größte Enttäuschung bei diesen Spielen.

„Die Fans kann ich für unser Ergebnis nur um Verzeihung bitten", sagte der Cheftrainer der Nationalmannschaft, Sinetula Biljaletdinow, nach dem Spiel gegen die Finnen, die Russland den Einzug ins Viertelfinale verdarben. „Es lässt sich kaum erklären, warum wir so wenige Tore geschossen haben. Wir haben in der Mannschaft Spieler, die in ihren Klubs hervorragende Schützen sind. Man denke nur an Owetschkin, der alleine in der vergangenen Saison vierzigmal traf. Ich kann das momentan absolut nicht erklären."

 

Liebe Grüße aus Korea

Die Profis der NHL, Stars des transatlantischen Eishockeys, konnten ihre Mannschaft nicht zum Sieg führen. Dafür hinterließen die eingebürgerten Sportler jede Menge positiver Emotionen bei den Russen. Viktor Ahn, dreifacher Shorttrack-Olympiasieger von Turin war aufgrund seiner Verletzungen für die Auswahl Südkoreas nicht mehr von Interesse. Aber in Russland glaubten die Funktionäre an ihn und wurden am Ende auch nicht enttäuscht. Er errang vier Medaillen – dreimal Gold (über 1 000 und 500 Meter sowie in der 5 000-Meter-Staffel) und Bronze über 1 500 Meter. Ahn ist der erfolgreichste Olympionike der russischen Mannschaft und der Shorttrack-Läufer mit den meisten Titeln.

 

Das russische Glück des amerikanischen Snowboarders

Seine Dankbarkeit gegenüber Russland für seinen Titel, für die Erfüllung seines Traumes, brachte auch Vic Wild zum Ausdruck. Der Snowboarder

aus den USA hat übrigens in Russland nicht nur seine Berufung sondern auch seine Liebe gefunden. Die Snowboarderin Aljona Sawarsina ist nämlich seine Frau. Beide konnten Medaillen im Parallel-Riesenslalom erringen – er gewann Gold, sie Bronze. Ihre Umarmung nach dem Zieleinlauf war der romantischste Moment dieser Olympischen Spiele.

„Aljona ist der einzige Mensch, mit dem ich so viel Zeit verbringen kann", bekennt Vic. „Sie beflügelt mich zu meinen Siegen. Sie bringt mich dazu, ehrlich zu sein. Meine Frau ist im alltäglichen Leben rigoroser als ich, aber gleichzeitig ist sie ein sehr verletzlicher Mensch. Und sie ist ein klein wenig durchgeknallt! Wie auch ich selbst. Mit Aljona fühle ich mich wesentlich besser als ohne sie. Ich hoffe, dass wir auch noch in 20 Jahren zusammen sein werden."

 

Versöhnung im Namen des Sieges

Und zum Schluss noch ein ganz besonderer Sportler Russlands: Alexander Subkow, Pilot im Zweier- und Viererbob. Das ist nicht die Geschichte einer Liebe, sondern die Geschichte einer Freundschaft, die Geschichte einer typisch männlichen Handlungsweise. Für die Teilnahme bei den Olympischen Spielen vergaßen Subkow und sein Anschieber Alexej Wojewoda, die in Turin Silber und in Vancouver Bronze geholt hatten, ihre persönlichen Differenzen – sie verwehrten sogar einige Jahre lang den Handschlag – und setzten sich wieder zusammen in einen Bob. Das Ergebnis: zweimal Gold.

„Niemand glaubte, dass wir Olympiasieger werden könnten, weder im Zweier, noch im Vierer", erzählt Subkow. „Aber unsere Erfahrung, die wir über die Jahre gesammelt haben, hat alles andere überwogen. Hier waren großartige Sportler am Start, und wir waren heute die besten von ihnen."

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