Foto: Andrej Scheremetew, Carlo Borlenghi
Wolkenloser Himmel, vom Meer her weht eine leichte Brise und man spricht Russisch. Bei der Regatta Copa del Rey, die durch den königlichen Yachtclub von Palma de Mallorca ausrichtet, waren in diesem Jahr ungewöhnlich viele russische Crews am Start. Auffallend war das junge Alter der russischen Sportler – eine echte Seltenheit im Segelsport.
Zur russischen Delegation gehört auch das Team von „Tsaar Peter" (zu Deutsch - Zar Peter) , das in der Swan-60-Klasse startet. Erst seit drei Monaten sind die jungen Männer ein Team. Nach einem strengen Auswahlverfahren, hartem Training und mehrtägigen Wettkämpfen in der Ostsee, durften sie im Rahmen des Projekts Gazprom Youth Sailing Challenge an der Regatta vor Mallorca teilnehmen. „Das Projekt geht auf eine Initiative des Sankt Petersburger Yachtclubs zurück und wird nun von Gazprom unterstützt", erzählt Anastassija Gratschewa aus der PR-Abteilung des Yachtclubs. Aus vielerlei Gründen, nicht zuletzt wegen der Sprachbarriere, haben russische Segelsportler Probleme, auf den internationalen Profimarkt Fuß zu fassen. Dieser werde von Engländern, Amerikanern, Australiern und Deutschen dominiert. „Mit unserem Projekt wollen wir junge Sportler auf ein neues Niveau bringen. In Zukunft sollen sie bessere Chancen haben", erklärt Gratschewa die Idee hinter dem Projekt.
Höchstes Niveau
Der Groß der russischen Teilnehmer hatte sich noch vor einem Jahr nicht vorstellen können, auf einem solch hohen Niveau anzutreten. Marat Chairow aus Dolgoprudnyj bei Moskau ist überzeugt, dass die Teilnahme
Die Gazprom Youth Sailing Challenge ist in Russland das einzige privat finanzierte Programm zu Förderung des Segelsports. Zwar können Sporttalente auch mit staatlicher Unterstützung für ihre Teilnahme an Wettkämpfen beantragen, müssen dabei aber mit einem hohen bürokratischen Aufwand rechnen.
Der professionelle Segelsport hängt praktisch vollkommen vom privaten Sponsoring ab.
eine große Chance ist: „Als ich erfuhr, dass ich zum engeren Kreis für die Besatzung der 60-Fuß-Yacht gehöre, beschloss ich, mich dieser Herausforderung zu stellen. Eine weitere Chance, an einem solchen Wettkampf teilzunehmen, werde ich vermutlich nie mehr bekommen", betont er.
Von Asow bis Wladiwostok – das Interesse bei den russischen Nachwuchsseglern an dem Projekt war riesengroß. Insgesamt gingen 150 Bewerbungen bei den Veranstaltern ein. Nach dem Auswahlverfahren blieben noch 15 Teilnehmer übrig, die nun das Team der Yacht „Tsaar Peter" bilden, eines von sieben Schiffen der Swan 60 Klasse.
Viel Zeit für fürs Kennenlernen blieb den Auserwählten allerdings nicht. Nach nur fünf Tagen Training startete das Team seine erste Regatta, das Nord-Stream-Race. Innerhalb von vier Tagen durchquerten die jungen Talente die Ostsee von Sankt Petersburg zum deutschen Hafen Warnemünde.
Sprungbrett nach oben
Iwan Ismestjew aus Togliatti in der Oblast Samara kam über den Olympia-Sport zum Gazprom Youth Sailing Challenge. „Früher fuhr ich Finn-Jollen. Das sind kleine Yachten, in denen du selbst alles in der Hand hast – du lenkst, kontrollierst den Kurs und folgst den Segeln." Ismestjew muss jetzt umdenken: „Auf einer großen Yacht sieht das alles ganz anders aus. Hier bist Du Teil eines Teams, die Taktik ist vollkommen anders."
Auch Iwan Ismestjew ist froh Teil der Gazprom Youth Sailing Challenge zu sein: „Der Olympiasport eröffnet einem wenig Perspektiven. Nach einer Amateurkarriere hört man entweder auf oder wird Trainer. Das Gazprom-Programm ist deshalb eine große Chance für Olympiasportler wie mich". Der junge Segler steht voll hinter dem Projekt: „Das Trainingslager, das Übungsprogramm, alles ist durchdacht. Und vor allem: Es gibt eine Perspektive".
„Als Amateur hat man recht wenige Chancen, eine Profikarriere zu machen", stimmt Marat Chairow seinem Teamkollegen zu. „Hier haben wir die Möglichkeit, auf großen Yachten zu trainieren, die Arbeit im Team zu verbessern – das ist ein vollkommen anderes Niveau. Nach Saisonende werden die besten Sportler von uns ausgewählt, das Verfahren ist sehr fair".
Sieg in Mallorca für die Bronenosec
Das junge Team überraschte die Experten bereits am ersten Wettkampftag auf Mallorca. Beim ersten Rennen ließ die Crew der „Tsaar Peter" alle Konkurrenten hinter sich. Die darauf folgenden Tage nutzten die
gegnerischen Teams zur Korrektur, die russischen Nachwuchssegler überzeugten jedoch weiterhin mit beachtlichen Ergebnissen und erreichten schließlich Platz vier in der Gesamtauswertung. Eine weitere russische Yacht konnte sogar einen Sieg einfahren. Die „Bronenosec", die der Skipper des Sankt Petersburger Yachtclubs Vladimir Liubomirov lenkte. Auf dieser Yacht werden zukünftig die besten Sportler des Jugendteams eingesetzt. Die anderen nehmen eine wertvolle Erfahrung mit, die ihnen in ihrer Karriere hilft. „Die jungen Männer haben ihr Leben noch vor sich, sie wollen alle arbeiten und lernen. Ich bin davon überzeugt, dass viele von ihnen gute Voraussetzungen haben, um bei den Profis Fuß zu fassen", sagt Sergej Borodinow, Trainer des Teams von Gazprom Youth Sailing Challenge.
Davon ist man auch im Ausland überzeugt. Der bekannte deutsche Segelsportler Arne Hirsch fand das Niveau des russischen Teams großartig. Arne Hirsch ist Manager des Projekts German Offshore Challenger und war Ehrengast der Wettkämpfe in der Swan 60 Klasse: „Sie waren auf einigen Streckenabschnitten wirklich überlegen, haben einen tollen Teamgeist und die ganze Zeit ein Lächeln im Gesicht", sagt Hirsch.
Impulse für den russischen Segelsport
„Das Programm zur Förderung der jungen Segeltalente hat nicht nur eine sportliche, sondern auch eine soziale Bedeutung", sagt Vladimir Liubomirov vom Sankt Petersburger Yachtclub. „Bereits in den 1990er Jahren haben wir in unserem Club über die Probleme der sozialen Eingliederung von Olympia-Sportlern nachgedacht. Wenn ein Sportler
einige olympische Zyklen hinter sich gebracht hat, ist er oft schon über 30 Jahre alt", erklärt er. Zu spät für eine berufliche Umorientierung. „Es ist praktisch unmöglich, Spitzensport mit einem Studium zu vereinbaren oder eine berufliche Qualifikation zu erwerben". Für viele Amateursegler biete der Wechsel ins Profilager deshalb eine gute Perspektive. Profisegeln ist auch noch in einem Alter möglich, in dem andere Sportler längst ans Karriereende denken müssen. Zudem sind die Verdienstaussichten gut.
Bis vor kurzem gab es unter den Profiseglern kaum Russen. Nicht einmal die russischen Teams setzten auf die eigenen Leute. Mit dem Projekt Gazprom Youth Sailing Challenge soll sich dies nun ändern. Wenn es Erfolg hat, werde das auch dem Kinder-Segelsport Auftrieb geben, ist Vladimir Liubomirov überzeugt: „Viele Eltern der jetzt 14-15-jährigen denken über deren Perspektiven im Segelsport nach und bekommen eine zusätzliche Motivation. Alle sehen jetzt, was man erreichen kann". Die Welt des professionellen Segelsports sei groß, betont Liubomirov. Die Einkommen seien zwar nicht mit den Honoraren im Fußball oder Tennis vergleichbar, gibt er zu, dafür aber kann man sehr lange dabei sein: „Arbeitslos wird hier niemand."
2013 gründete der Sankt Petersburger Yachtclub die Nationale Akademie für Segelsport. Die wichtigste Aufgabe der Akademie ist die Entwicklung nationaler Sportsegelklassen sowie die Nachwuchsförderung.
Heute wird die Akademie von etwa 300 Kindern besucht. Der Unterricht ist kostenlos.
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
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