Robin Szolkowy: „Laufen auf dem Eis kann man nur miteinander“

Nach den Olympischen Spielen fasste Aljona Sawtschenko den Entschluss, noch einmal um olympisches Gold zu kämpfen. Robin hingegen glaubte nicht mehr an eine Goldmedaille bei den nächsten Spielen. Foto: Reuters

Nach den Olympischen Spielen fasste Aljona Sawtschenko den Entschluss, noch einmal um olympisches Gold zu kämpfen. Robin hingegen glaubte nicht mehr an eine Goldmedaille bei den nächsten Spielen. Foto: Reuters

Der fünffache Weltmeister im Paarlauf Robin Szolkowy beendete – von vielen völlig unerwartet – im Sommer dieses Jahres seine sportliche Karriere und fuhr nach Russland, um dort als Trainer zu arbeiten. Im Interview mit RBTH erzählt er von seiner Entscheidung, seine Karriere zu beenden und neuen beruflichen Herausforderungen.

Die Meldung, dass der berühmte deutsche Eiskunstläufer, zweifache Olympiamedaillengewinner, fünffache Weltmeister und vierfache Europameister im Paarlauf Robin Szolkowy als Trainer im Team der russischen Trainerin Nina Moser anfangen würde, schlug im August ein wie eine Bombe. Das Delikate an der Geschichte ist, dass Moser das russische Paar Tatjana Wolossoschar und Maxim Trankow, die Olympiasieger von Sotschi und größten Gegner Szolkowys und seiner ehemaligen Partnerin Aljona Sawtschenko, trainiert. Und auch wenn im Vorfeld verkündet wurde, dass er mit seinen ehemaligen Konkurrenten nicht direkt zusammenarbeiten werde, sorgte dieses Ereignis doch für einige Aufregung. Jetzt erzählt der Eiskunstläufer erstmals, warum er sich zu diesem Schritt entschieden hat und wie er sich in seiner neuen Rolle als Trainer fühlt.

In unserem Gespräch bekennt Robin Szolkowy, dass er völlig überrascht gewesen sei, als er die E-Mail von Nina Moser mit dem Angebot einer

Ich bin ein Mann in den besten Jahren, aber für einen Eiskunstläufer bin ich etwas zu alt.

Zusammenarbeit erhielt – noch vier weitere Male habe er diese Mitteilung lesen müssen, um sie ganz zu begreifen. Die beiden kennen einander seit vielen Jahren, aber einen etwas engeren Austausch hatte es nie gegeben, arbeitete man doch für konkurrierende Teams und diese Konkurrenz war recht unbarmherzig. Aber wie Moser einmal erzählte, sei Szolkowy in dieser Frage nie so prinzipiell gewesen wie Aljona Sawtschenko. Der gescheite, ruhige, freundliche, joviale und offene Szolkowy ist tatsächlich so. „Einige fragen mich, warum ich ausgerechnet zu unseren Konkurrenten gegangen bin, aber ich bin überzeugt, dass man auf dem Eis nur miteinander, nie aber gegeneinander laufen kann“, sagt er. Er glaube an die Freundschaft zwischen Sportlern und daran, dass man den Wettkampf auf die Eisfläche begrenzen und außerhalb des Eises dem Konkurrenten die Hand schütteln oder auch ein ungezwungenes Gespräch im Umkleideraum führen könne. Auch wenn er dabei im Kopf manchmal gedacht habe: „Ich hoffe, bei der Deutschen Eislauf-Union kommt niemand auf falsche Gedanken.“

 

Sawtschenko und Szolkowy: It’s just business

Doch dieser Lebensabschnitt ist vorbei. Robin Szolkowy ist seinen Weg gegangen, Aljona Sawtschenko den ihren. Sie trainiert mit ihrem neuen Partner, dem Franzosen Bruno Masso. Seit April haben die ehemaligen Partner sich nur ein einziges Mal getroffen und auch das nur flüchtig. Sie sind nicht im Unfrieden auseinander gegangen, aber es verband sie auch keine tieferen Gefühle miteinander, auch wenn sie elf Jahre zusammen auf dem Eis gelaufen waren.

Mit Aljona habe er immer schon nur eine rein berufliche Beziehung gehabt, sagt Szolkowy. Während all der Jahre ihrer Zusammenarbeit seien sie kein einziges Mal zusammen Kaffee trinken gewesen, hätten nie gemeinsam das Kino besucht und sich am Wochenende auch nicht angerufen, um sich zu

Einige fragen mich, warum ich ausgerechnet zu unseren Konkurrenten gegangen bin, aber ich bin überzeugt, dass man auf dem Eis nur miteinander, nie aber gegeneinander laufen kann.

erkundigen, wie es dem anderen gehe. Auf dem Eis sei ihr Gespür für den jeweils anderen stark ausgeprägt gewesen, aber man habe keine Sentimentalität oder menschliche Wärme zugelassen, erinnert sich Robin Szolkowy. Für ihn sei dieses Ende auch nicht unerwartet gekommen und habe so bei ihm nicht für Missstimmung gesorgt. Robin mag nicht ausschließen, dass man sich in ein paar Jahren einmal anrufen und miteinander plaudern wolle, doch momentan sei dies nicht aktuell.   

Erfährt man solche Einzelheiten, versteht man, warum Robin Szolkowy die Atmosphäre im Moser-Team gefällt. Natürlich sei es in erster Linie ein Team von Profis. Aber darüber hinaus sei es eben auch eine große, harmonische Familie, in der alle zusammenhalten. Der Charakter und die Mentalität der Russen imponieren dem deutschen Eiskunstläufer: „Die Russen können hart arbeiten, aber sie können auch sehr gut feiern, zum Beispiel im Familienkreis oder zusammen mit Freunden.“

 

Kein Bedauern  

Robin Szolkowy ist nach Russland gekommen, um sich beruflich weiterzuentwickeln. Die Arbeit bei Moser ist für ihn eine ausgezeichnete Chance, um sich von einem Sportler zu einem Trainer weiterzuentwickeln, seine Erfahrungen weiterzugeben und gleichzeitig neues Know-how zu erwerben. Nina Moser sagte, dass ihr schon immer sein katzenartiger Stil gefallen habe, seine sanften und fließenden Bewegungen. Doch Robin Szolkowy ist klar, dass das allein den russischen Partnern zu wenig ist. Aber

schließlich ist er nicht nur ein Naturtalent, sondern hat sich darüber hinaus vieles selbst beigebracht. Und auf das Lernen und Lehren möchte er sich konzentrieren. „Ich bin noch kein Trainer, aber wenn es mir gelingen sollte, jemandem etwas beizubringen und er dadurch besser läuft, würde mich das sehr freuen“, sagt er bescheiden. Dabei hat er schon erste Erfolge zu verzeichnen: Das Paar Jewgenija Tarasowa und Wladimir Morosow, mit dem Szolkowy zu arbeiten begonnen hat, hat die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit bereits auf sich gezogen – es belegte den dritten Platz beim Grand Prix in Kanada.

Die Kommunikation erfolgt zurzeit noch auf Englisch. Aber der Deutsche beabsichtigt, die russische Sprache zu erlernen, zumindest ein bisschen. Vorerst umfasst Szolkowys Vokabular nicht viel mehr als zehn Wörter, wie „prawo“ („rechts“), „lewo“ („links“), „uliza“ („Straße“) oder „gostiniza“ („Hotel“). Wie jeder richtige Sportler hat auch er einen Plan: Bis Mitte nächsten Jahres will er in der Lage sein, kleinere Dialoge auf Russisch zu führen.

Robin Szolkowys Ehefrau Romy bleibt erst einmal in Chemnitz. Denn noch ist nicht ganz klar, wie langfristig sich die Zusammenarbeit mit Nina Moser gestalten wird. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist Robin jedoch überzeugt, dass dies die beste Entscheidung gewesen sei, die er nach dem Abschluss seiner sportlichen Karriere habe treffen können. Den Verlauf seiner sportlichen Jahre bedauert er ebenfalls nicht. Selbst seine letzte Niederlage nicht. Zusammen mit Aljona Sawtschenko hätte er in Sotschi im Wettkampf gegen Wolossoschar und Trankow Gold holen können, selbst bei einem fehlerfreien Lauf der Russen. Aber dem deutschen Paar unterlief ein Fehler.

Ich bin noch kein Trainer, aber wenn es mir gelingen sollte, jemandem etwas beizubringen und er dadurch besser läuft, würde mich das sehr freuen.

Ein ernster und folgenschwerer Fehler, der den beiden bei ihrer zweiten Figur unterlief – da sei ihnen bewusst geworden, dass sie den Sieg aus der Hand gegeben hätten und sich im besten Falle mit einer Medaille zufrieden geben durften, nun aber die Zähne zusammenbeißen mussten, um ihren Auftritt fortzusetzen, erinnert sich Szolkowy. Aljona Sawtschenko fasste daraufhin den Entschluss, noch einmal um olympisches Gold zu kämpfen. Robin hingegen glaubte nicht mehr an eine Goldmedaille bei den nächsten Spielen. „Bei den Olympischen Spielen war ich 34 Jahre alt. Ich hatte Probleme bei den Sprüngen, ich war nicht ausreichend schnell und morgens spürte ich Schmerzen in meinen Knien und dem Rücken. Ich bin ein Mann in den besten Jahren, aber für einen Eiskunstläufer bin ich etwas zu alt“, meint er. Er habe genug Medaillen und Titel errungen, um diesen Lebensabschnitt abzuschließen und einen neuen zu beginnen.

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