Foto: Reuters
Das Jahr 2014 brachte Maria Scharapowa sowohl glänzende Siege als auch bittere Enttäuschungen. Die Russin begann die Saison wie immer in Melbourne, doch dieses Mal kam sie zu den Australian Open nicht direkt aus dem Urlaub, sondern von der Behandlung einer Verletzung. Sie war nur mittelmäßig erfolgreich, dennoch war es nach der fünfmonatigen Verletzungspause zuvor eine tolle Sache, wieder Turnierluft schnuppern zu dürfen.
Aus dem australischen Sommer brach Scharapowa direkt zu den Olympischen Winterspielen in Sotschi auf. Der Zeitplan während ihres Besuchs war eng gestrickt. Scharapowa nahm an der Eröffnungszeremonie der Spiele teil, war als Korrespondentin für den amerikanischen Fernsehsender NBC tätig, eröffnete einen Tenniscourt für Kinder und nur manchmal war sie auch als Fan zu sehen.
Nachdem sie mehr als einen Monat nicht an Turnieren teilgenommen hatte, nahm sie die Saison in Kalifornien wieder auf. Wegen ihrer mangelnden Spielpraxis und weil das gegenseitige Verständnis zwischen ihr und ihrem neuen Trainer, dem Holländer Sven Gröneveld, noch nicht hergestellt war, schied sie bei den Pacific Life Open in Indian Wells früh aus. Doch bereits bei den Miami Open kurz darauf war sie wieder in Form und verlor erst im Finale – gegen Erzrivalin Serena Williams.
Wichtige Siege zur Mitte der Saison
Die konsequente Arbeit brachte Scharapowa schließlich den ersten Titel der Saison. Ihren 27. Geburtstag feierte Scharapowa mit dem 30. Turniersieg ihrer Karriere, den sie bei der WTA-Veranstaltung in Stuttgart gewann. Sie setzte ihre Siegesserie fort und gewann im Mai zum ersten Mal in ihrer Karriere das WTA-Turnier in Madrid. Dabei besiegte sie in drei aufeinanderfolgenden Spielen Gegnerinnen aus den Top-5 der Weltrangliste: Li Na, Agnieszka Radwańska und Simona Halep waren chancenlos.
Die French Open wurden für Scharapowa zu einem der intensivsten Turniere ihrer Karriere. Drei Mal in Folge musste sie in ihren Spielen einen Satzrückstand wettmachen. Nachdem sie ihr fünftes Grand-Slam-Turnier schließlich gewinnen konnte, bekannte der Tennisprofi: „Wenn mir jemand vor ein paar Jahren gesagt hätte, dass ich das Roland-Garros-Turnier öfter gewinnen würde als alle anderen Grand-Slam-Turniere, hätte ich ihn für verrückt erklärt."
Doch ihre Siegesserie nach dem Triumph in Paris fortzusetzen, gelang der Tennisspielerin nicht. In Wimbledon kam die Russin nur bis ins Achtelfinale
und bei den US Open hielt Scharapowa nur bis zum Beginn der zweiten Woche durch; sie verlor schließlich gegen Caroline Wozniacki.
Auch die asiatische Turnierserie begann für den Tennisstar in Wuhan nicht sehr erfolgreich. Sie verlor bereits in der zweiten Runde gegen Timea Bacsinszky, die nicht zu den besten 50 Spielerinnen der Welt gehört. Scharapowa reagierte jedoch auf die bestmögliche Art auf den Misserfolg: Sie gewann zum ersten Mal das Turnier in Peking und erlangte ihren ersten Titel auf einem Hartplatz seit eineinhalb Jahren. Dank dieses Sieges qualifizierte sich Scharapowa schlussendlich für das Saisonfinale der WTA-Tour in Singapur.
Erfolgreich war sie allerdings auch da nicht. Zehn Jahre nach ihrem einzigen Sieg beim Tourfinale schied Scharapowa bereits in der Vorrunde aus. Den Titel gewann wieder die Weltranglistenerste Serena Williams.
Der Serena-Komplex
Andrei Tscherkasow, Bronzenmedaillengewinner bei den Olympischen Spielen 1992 und Viertelfinalist bei drei Grand-Slam-Turnieren, meint, Scharapowa mache unter dem neuen Trainer keine Fortschritte mehr. „Maria hat eine widersprüchliche Saison gespielt. Einerseits hat sie das Turnier in Roland Garros und große Turniere in Madrid, Stuttgart und Peking gewonnen. Andererseits hat sie sich, außer vielleicht oberflächlich, praktisch in keiner Weise entwickelt; und gegen Serena hat sie wieder verloren. Das heißt, sie hat ihren toten Punkt im Grunde genommen nicht überwunden", stellt Tscherkasow fest. Außerdem gebe ihm der Misserfolg Scharapowas beim WTA-Finale zu denken. „Dort kam sie nicht über die Gruppenphase hinaus und hat eine sehr nervöse Spielweise an den Tag gelegt. Ist Sven Gröneveld wirklich der Trainer, den Scharapowa jetzt braucht, oder einfach nur ein hochgelobter Experte?"
Scharapowa sei stark genug, um Serena zu schlagen, glaubt Anna Tschakwetadse, Trainerin der russischen Fedcup-Teams, die acht WTA-Turniere gewonnen hat und es bei den US Open bis ins Halbfinale geschafft hat. „Ich denke, dass die Fans, Kommentatoren oder wer auch immer mit
dieser Saison zufrieden sein können. Nur Scharapowa selbst ist es nicht. Sie hat von sich mehr erwartet und sie kann auch mehr", glaubt die ehemalige Profispielerin. „Ihre Leistung besteht darin, dass sie nach so vielen Jahren an der Spitze nicht die Motivation verloren hat. Früher war es für sie einfach, psychisch ausgeglichen zu bleiben. Sie war die Jüngste, hatte Perspektiven und war talentiert." Das Talent sei geblieben, doch nun tauchten junge Spielerinnen auf, mit denen sie sich messen müsse. „Unter diesem ständigen Kampf leidet die Psyche. Ich denke, dass Serena sogar mehr unter diesem Kampf gelitten hat. Dieses Jahr hat sie nicht so aggressives Tennis gezeigt wie sonst. Ich bin der Meinung, dass Maria ihren Serena-Komplex überwinden kann", meint Tschakwedatse. „Serena ist bereits 33 Jahre alt und mit jeder Saison fällt ihr der Prozess der Regeneration schwerer. Wenn Scharapowa Verletzungen verhindern kann, kann sie bald die Weltranglistenerste werden", ist sie überzeugt.
Laut Scharapowa selbst ist es nicht ihr oberstes Ziel, im kommenden Jahr die Weltrangliste anzuführen. „Meine Hauptaufgabe werden Siege bei Grand-Slam-Turnieren sein und nicht die Rückkehr auf Platz 1 der Weltrangliste", erklärte der Tennisprofi.
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