Der Sotschi-Effekt: Russlands Wintersportler auf Höhenflug

Eisschnellläufer Pawel Kulischnikow ist in dieser Saison unaufhaltsam. Foto: Grigorij Sysojew/RIA Novosti

Eisschnellläufer Pawel Kulischnikow ist in dieser Saison unaufhaltsam. Foto: Grigorij Sysojew/RIA Novosti

Russische Sportler feiern im Wintersport einen Erfolg nach dem anderen, auch in Disziplinen, in denen russische Siege bisher eher selten waren. Profitiert der russische Sport nicht nur von guten Trainern, sondern noch immer von den Millionen-Investitionen in die Olympischen Winterspiele von Sotschi? Davon jedenfalls sind russische Sportexperten überzeugt.

Im Ski-Alpin war Russland zuletzt in den Jahren 1978 bis 1981 erfolgreich. Doch in diesem Jahr am 27. Januar gewann der 31-jährige Alexander Choroschilow im österreichischen Schladming eine Etappe im Slalom-Weltcup. Auch der Eisschnellläufer Pawel Kulischnikow war sehr erfolgreich: Am 15. Februar wurde der 20-Jährige in Heerenveen in den Niederlanden Weltmeister über 500 Meter. Außerdem holte er bei der Eisschnelllauf-Sprint-Weltmeisterschaft in Astana (Kasachstan) den Titel im Sprintmehrkampf. In der Weltcup-Saison 2014/ 2015 gewann Kulischnikow ganze zehn Mal Etappen über die Distanzen über 500 und 1 000 Meter – das hat zuvor noch kein Eisschnellläufer geschafft. Der letzte große Erfolg der Russen im Sprint datierte aus dem Jahr 2006. Damals holte Dmitri Dorofejew Silber bei den Olympischen Spielen in Turin auf einer Distanz über 500 Meter – heute ist er der Trainer von Pawel Kulischnikow.

Und die Siegesserie scheint kein Ende zu nehmen: Am 15. Februar wurde in Sigulda in Lettland der neue Weltmeister im Rennrodeln gekürt. Gewonnen hat mit Semjon Pawlitschenko, 23 Jahre alt, erstmals ein Russe. Er tritt damit in die Fußstapfen von Sergej Dallin, der 1981 für die Sowjetunion erfolgreich war. Der russische Snowboarder Andrei Sobolew wurde am 23. Januar im österreichischen Kreischberg Weltmeister im Parallel-Riesenslalom. Der 25-Jährige löste damit Vic Wild, der seit 2011 für Russland startet, als erfolgreichsten russischen Snowboarder ab. Wilds größter Erfolg war Bronze bei der Weltmeisterschaft 2013.

Der Snowboarder Andrei Sobolew (in der Mitte) wurde am 23. Januar im österreichischen Kreischberg Weltmeister im Parallel-Riesenslalom. Foto: Pressebild

Im Rodeln und Snowboarding waren, wie das Silber von Albert Demtschenko und die beiden Goldmedaillen von Vic Wild bei Olympia in Sotschi bewiesen haben, Spitzenergebnisse bei den Männern in den letzten Jahren keine Seltenheit. Der Durchbruch beim Abfahrtski kommt dagegen einer Sensation gleich. Bis zu dieser Saison galt es für Alexander Choroschilow bereits als Erfolg, beim Weltcup unter die ersten Zehn zu kommen.

Alexander Choroschilow gewann im Januar im österreichischen Schladming eine Etappe im Slalom-Weltcup. Foto: Wikipedia.org

Eisschnellläufer Kulischnikow hingegen hatte schon zuvor mit bemerkenswerten Leistungen überzeugt. Er machte 2012 Schlagzeilen, als er Gold und Silber bei der Weltmeisterschaft der Junioren holte. Allerdings wurde bei einem Dopingtest bei ihm die verbotene Substanz Methylhexanamin nachgewiesen, eine zweijährige Sperre folgte. Nun ist er zurück. Der russische Sportminister Vitali Mutko verglich Kulischnikow gar mit dem Sprintstar Usain Bolt. Auf der Eisbahn wirkte Kulischnikow wie von einem anderen Stern.

 

Olympia in Sotschi machte die russischen Sportler stark

Beweisen diese Erfolge nur Talent und treffsicheres Gespür der Trainer? Oder zeigen die vielen Milliarden Rubel, die in den russischen Olympiakader für Sotschi und auch in die Sportler der Reserveliste investiert wurden, noch ihre Wirkung, auch lange nachdem das olympische Feuer erloschen ist? Sportminister Mutko ist davon überzeugt: „Die vorläufigen Ergebnisse sprechen dafür, dass der Sieg des russischen Teams in Sotschi eine innere Logik hatte. Wir arbeiten weiter an einem System, das die Reservisten in das nationale Team überführt. Und das Potenzial unserer Reserve ist sehr groß", heißt es auf der offiziellen Webseite des russischen Sportministeriums.

Russische Sportexperten vermuten hinter dem Erfolg gute Trainer und kluge Entscheidungen auf der staatlichen Ebene des Sportmanagements. Der ehemalige Eisschnellläufer Iwan Skobrew, zweifacher Medaillengewinner bei den Olympischen Spielen von Vancouver, sagt: „Nicht nur Pawel Kulischnikow, unser gesamtes derzeitiges Männer-Team im Eisschnelllauf kann sich sehen lassen. Dieser Trend ist nicht allein der Verdienst des Trainers, sondern auch das Ergebnis einer durchdachten staatlichen Politik." Er erinnert daran, dass im Vorfeld der Olympiade in Russland hochmoderne

Eislaufbahnen in Kolomna, der Heimat Kulischnikows, im Moskauer Gebiet Krylatskoje und Tscheljabinsk entstanden. „Wo stünde Kulischnikow heute, wäre da nicht das neue Oval in Kolomna?", fragt Skobrew.

Swetlana Schurowa, Eisschnellläuferin, Olympiasiegerin, zweifache Weltmeisterin und Abgeordnete der Staatsduma, verweist ebenfalls auf Kulischnikows Standortvorteil: „Der junge Mann kommt aus Kolomna, einem der wichtigsten Eislaufzentren Russlands. Dort wurden immer schon angehende Weltmeister trainiert, dort gab es immer begabte Kinder."

Schurowa ist zuversichtlich, dass die russischen Wintersportler auch bei Olympia 2018 im südkoreanischen Pyeongchang wieder gute Ergebnisse erzielen werden: „Bis dahin stehen die jungen Sportlerinnen und Sportler, die in Sotschi die Reserve bildeten, in voller Blüte." Einen weiteren Vorteil sieht sie ausgerechnet in der Wirtschaftskrise: „Bei allen ihren negativen Folgen birgt sie auch gewisse Vorteile. Beispielsweise können oder müssen unsere Spitzensportler aus finanziellen Gründen möglicherweise häufiger hier in der Heimat trainieren. So sind sie präsenter in der Öffentlichkeit – und für manches Kind werden sie vielleicht zum anspornenden Vorbild."

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