Neuer Doping-Report der Wada: Welche Strafen drohen Russland?

Richard McLaren, Leiter der unabhängigen Wada-Kommission.

Richard McLaren, Leiter der unabhängigen Wada-Kommission.

Alex McNaughton/RIA Novosti
Im zweiten Teil des Wada-Reports zu Doping im russischen Sport spricht Chefermittler Richard McLaren erneut von einem staatlichen Dopingsystem, angeblich gelenkt vom russischen Sportministerium. Während die Politik die Vorwürfe zurückweist, diskutieren Experten über mögliche Konsequenzen für den russischen Sport. Es droht ein Ausschluss von den nächsten Olympischen Spielen.

Die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada hat den zweiten Teil des Doping-Reports von Chefermittler Richard McLaren veröffentlicht. Dieser brachte eigentlich nichts Neues ans Licht, sondern präzisierte lediglich die Informationen aus dem ersten Bericht über Doping in Russland, der im Juli 2016 erschienen war. McLaren behauptet erneut, dass es in Russland ein staatliches Dopingsystem gebe, das Dopingfälle vertusche. Laut dem Ermittler sei das Sportministerium in dieses System involviert und das Programm werde vom russischen Geheimdienst gedeckt.  

Dem Report zufolge dopten mehr als 1 000 russische Sportler, darunter auch Teilnehmer der Olympischen Spiele 2012 in London und 2014 in Sotschi. Es wird behauptet, dass die Dopingproben zweier russischer Olympiasieger, die vier Goldmedaillen gewonnen hatten, zu hohe Salzwerte aufgewiesen hätten. Es gebe zudem weitere Verstöße, unter anderem auch bei der paralympischen Mannschaft.    

„Wir brauchen keine gefälschten Siege und Medaillen“

Der ehemalige russische Minister für Sport und heutige Vize-Ministerpräsident Witali Mutko sagte nach der Veröffentlichung des Reports, dass Russland die Ergebnisse der Olympischen Spiele in Sotschi nicht habe beeinflussen können. Es wäre nicht möglich gewesen, Dopingproben zu fälschen: „Die Olympischen Spiele wurden von internationalen Sportorganisationen durchgeführt, alles war unter deren Kontrolle.”

Der Politiker leugnet zwar nicht, dass es einzelne Dopingfälle gebe, wies jedoch den Vorwurf zurück, dass Russland ein staatliches Dopingsystem betreibe. „Wir brauchen keine erschlichenen Siege und Medaillen“, sagte Mutko im Interview mit der Nachrichtenagentur „Tass“. 

Der Leiter der nach dem ersten McLaren-Report gegründeten unabhängigen gesellschaftlichen Anti-Doping-Kommission Russlands, Witali Smirnow, bestritt ebenfalls, dass ein staatliches Dopingsystem in Russland existiere. Smirnow betonte, dass sich die Vorwürfe vorwiegend auf die Aussagen Grigory Rodtschenkows stützten. Dieser leitete einst das Anti-Doping-Labor in Moskau. Rodtschenkow hatte gestanden, die Fälschung von Doping-Proben organisiert zu haben. Später reiste er in die USA aus. Laut Smirnow seien dessen Aussagen jedoch nicht glaubwürdig.

Zukunft des russischen Sports ist ungewiss

Bisher ist unklar, welche Konsequenzen der Dopingskandal nach sich ziehen wird. Nach der Veröffentlichung des ersten Reports wurde sogar eine Sperre aller russischen Sportler für die Olympischen Spiele 2016 in Rio diskutiert. Das IOC sperrte im Endeffekt nur jene Athleten, bei denen bereits Doping nachgewiesen worden war, sowie die russische Leichtathletikmannschaft. 

Nun scheint sich Geschichte zu wiederholen, auch wenn bislang noch nicht feststeht, dass Russland auch diesmal mit glimpflichen Strafen belegt wird: Es könnten nicht nur in Sotschi gewonnene Medaillen entzogen werden, sondern auch ein Ausschluss Russlands von der Winterolympiade 2018 in Pyeongchang ausgesprochen werden. In einem Interview mit der Zeitung „Kommersant“ sagte der Rechtsanwalt und Sportrechtexperte Alexej Karpenko, dass Russland ein Entzug der Sportwettbewerbe im Lande sowie eine vollständige Sperre in einzelnen Disziplinen drohten.   

Die Meinungen gehen jedoch auseinander. Andrej Smolenski, Direktor des Forschungsinstituts für Sportmedizin an der Universität für Sport und Tourismus, glaubt, dass McLarens Rhetorik im Vergleich zum ersten Report milder geworden sei. Er habe diesmal betont, dass Russland viele positive Anti-Doping-Bemühungen nachgewiesen habe.  

„Ich glaube nicht, dass das IOC Wettbewerbe in Russland absagt oder eine Sperre verhängt. Einzelne Länder werden vielleicht Veranstaltungen in Russland boykottieren, aber das hat dann ja nichts mehr mit Sport zu tun, sondern mit Politik”, so Smolenski.

Das IOC hat das letzte Wort

Wie auch immer die Entscheidung des IOC ausfallen werde: Verbindlich sei nur diese und nicht der McLaren-Report, betont der Sportjurist Artjom Pazew. „Das sagt McLaren selbst: „Ich bin eine unabhängige Person, ich habe recherchiert und meine Schlussfolgerungen gezogen.“ Er gibt keine Empfehlungen an das IOC oder andere Sportorganisationen, er leitet lediglich seine Informationen weiter”, sagt Pazew.  

Laut dem Juristen gebe es beim IOC eine Sonderkommission, die ermittelt, ob in Russland ein staatliches Dopingsystem existiere. „Einzelne Dopingfälle mit einzelnen Athleten beweisen noch nicht, dass diese Verstöße einen systematischen Charakter haben. Nur die Sonderkommission kann entscheiden, ob internationale Sanktionen gegen Russland verhängt werden oder nicht“, erklärt Pazew. Die Kommission hat also das letzte Wort im Dopingskandal.

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