Wie ein Russe seine Bank überlistete

„Unsere Anwälte denken, dass er nicht für 24 Monate, sondern für vier Jahre wegen Betrugs ins Gefängnis kommen wird. Jetzt ist es eine Sache des Prinzips", - meldete der Milliardär Oleg Tinkow, Gründer von Tinkoff Kreditnyje Sistemy, per Twitter.  Foto: ITAR-TASS

„Unsere Anwälte denken, dass er nicht für 24 Monate, sondern für vier Jahre wegen Betrugs ins Gefängnis kommen wird. Jetzt ist es eine Sache des Prinzips", - meldete der Milliardär Oleg Tinkow, Gründer von Tinkoff Kreditnyje Sistemy, per Twitter. Foto: ITAR-TASS

Ein Ex-Polizist wurde über Nacht zum Helden Tausender Bankkunden. Er hatte vor dem Abschluss seines Kreditkartenvertrags das Kleingedruckte zu seinen Gunsten abgeändert – die Bank bemerkte die Änderungen jahrelang nicht.

Alles begann 2008: Dmitrij Agarkow, Ex-Polizist aus der russischen Millionenstadt Woronjesch, erhielt mit der Post ein alltägliches Angebot für eine Kreditkarte. Die Vertragsklauseln passten ihm zwar nicht, doch anstatt das Angebot einfach zu ignorieren, scannte er es ein, änderte kurzerhand die Bedingungen im Kleingedruckten und sendete es an die Ausgabebank Tinkoff Kreditnyje Sistemy zurück.

Seine Vertragsversion sah einen Zinssatz von null Prozent, keine Gebühren und kein Kreditlimit vor. Agarkow behielt sich auch das Recht vor, jedes Mal, wenn die Bank seine Bedingungen nicht einhielt, eine Strafgebühr von 75 000 Euro zu verlangen und weitere 150 000 Euro, wenn die Bank den Vertrag annulliert. Die Angestellten der Bank hatten anscheinend darauf verzichtet, das Kleingedruckte zu prüfen, den Vertrag unterzeichnet und Agarkow eine Kreditkarte ausgestellt.

Zum Skandal kam es erst nach fünf Jahren, als die Angelegenheit vor dem Gericht landete – Tinkoff Kreditnyje Sistemy verlangte die unbezahlten Schulden zurück. Agarkow wurde über Nacht zum Helden und eine Berühmtheit für Tausende von Russen, die aufgrund des Kleingedruckten in den Verträgen oft maßlos überzogene Gebühren für die Überziehung des Kreditrahmens entrichten müssen. „Sie unterschreiben den Vertrag, ohne sich das Dokument genau anzusehen. Das geben die Kreditnehmer vor Gericht meist auch zu", erzählte Agarkows Rechtsanwalt Dmitrij Michlewitsch gegenüber der Tageszeitung Kommersant. „Agarkow hätte sich den Spaß machen können, eine Insel irgendwo in Malaysia zu kaufen, und die Bank hätte dafür dem Gesetz nach zahlen müssen", so der Rechtsanwalt.

 

Das Recht des Schwächeren

Ein Richter hatte Partei für Agarkow ergriffen und den Vertrag für rechtlich verbindlich erklärt. Er hatte ihn nur dazu aufgefordert, das ausstehende Minus in Höhe von knapp 500 Euro zu bezahlen. Daraufhin wurde der Disput etwas unhöflich. Agarkow sagte, er habe erwartet, die gesamten 600 000 Euro zugesprochen zu bekommen, die ihm die Bank seiner Meinung nach schuldet, während Milliardär Oleg Tinkow, Gründer von Tinkoff Kreditnyje Sistemy, per Twitter meldete: „Unsere Anwälte denken, dass er nicht für 24 Monate, sondern für vier Jahre wegen Betrugs ins Gefängnis kommen wird. Jetzt ist es eine Sache des Prinzips."

„Formal müssen die Bedingungen des Vertrags in der Form akzeptiert werden, wie sie durch beide Parteien unterzeichnet wurden", erklärt Robert Gurdjumow, Seniorpartner bei Hellevig, Klein und Usov. „Mit anderen Worten: Wenn eine Bank die Vertragsklauseln eines Kunden akzeptiert, kann sie sich später nicht weigern, diese einzuhalten." Andererseits würden solche Vereinbarungen zwischen dem Kunden und der Bank als Verträge entsprechend dem Paragrafen 428 des russischen Zivilgesetzbuches

betrachtet, was laut Gurdjumow bedeutet, dass sie nur durch eine der Seiten mit einem offiziellen Nachtrag geändert werden können, nachdem das Original unterzeichnet worden ist. „In einem Zivilprozess wie diesem neigen die Gerichte dazu, für die Person und nicht für die Bank als der schutzbedürftigen Seite Partei zu ergreifen. Aber wenn nachgewiesen werden kann, dass Herr Agarkow absichtlich versucht hat, das Gesetz zu übertreten, indem er die Dokumente der Bank fälschte, könnte er den Fall verlieren", so Gurdjumow.

Der Experte erklärt weiter: „Solche Fälle werden durch Gerichte der allgemeinen Rechtsprechung und nicht etwa durch Schiedsgerichte geklärt, was bedeutet, dass auch Zeugenaussagen eine Rolle spielen können. Die entscheidende Frage ist, ob die Bank nachweisen kann, dass ihre Angestellten nicht aufmerksam genug die Vertragsklauseln gelesen haben, was eigentlich zu ihrem Job gehört. Wahrscheinlich nicht."

 

Die Einsicht des Stärkeren

Am Ende schlossen beide Seiten Frieden und einigten sich außergerichtlich. „Dieser Konflikt ist nicht sehr konstruktiv, deshalb

entschieden wir uns dafür, ihn auf eine gesittete Weise zu beenden und alle Anklagen auf beiden Seiten fallen zu lassen", sagte Oliver Hughes, Präsident von Tinkoff Kreditnyje Sistemy, in einer Stellungnahme.

„Wir stimmen mit Herrn Agarkow darin überein, dass die Banken ihre Arbeit besser machen müssen, wenn sie dem Kunden die Vertragsklauseln der Dienstleistung erläutern. Wir arbeiten daran, das finanztechnische Fachwissen zu verbessern und den Kunden mit den wichtigsten Informationen sowie fairen Ratschlägen zur Verwendung der Kreditkarte zu versorgen", zeigte sich der Präsident der Großbank einsichtig.

Hughes fügte hinzu: „Da Herr Agarkow Kreditkarten prinzipiell nicht mag, haben wir ihm eine Tinkoff-Black-Debitkarte ausgestellt, für die die Bank eine jährliche Dividende in Höhe von zehn Prozent auf das Guthaben zahlt und für einige Einkäufe bis zu 30 Prozent in bar zurückerstattet."

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