Der Konstrukteur Walerij Burdakow: Die Möglichkeiten des Buran waren wesentlich umfangreicher als die des amerikanischen Space Shuttles. Foto: RIA Novosti
Die 205 Flugminuten des Raumschiffs Buran im November 1988 waren eine überwältigende Sensation. Erstmals in der Geschichte der sowjetischen Weltraumfahrt landete eine Weltraumfähre vollautomatisiert, während die amerikanischen Space Shuttles bis zum Ende des Programms mit Handsteuerung zur Erde zurückgebracht werden mussten.
Aber warum blieb dieser triumphale Start der einzige? Und besteht überhaupt eine Hoffnung, dass russische Weltraumfähren wieder zu den Sternen fliegen werden? Darüber sprachen wir mit Dr. Walerij Burdakow, einem der „Väter" der Buran, ehemals Abteilungsleiter der wissenschaftlichen Produktionsvereinigung Energija und heute Professor am Moskauer Staatlichen Luftfahrtinstitut MAI.
Walerij Pawlowitsch, einige sagen, dass das Weltraumschiff Buran die komplizierteste Maschine sei, die jemals von Menschenhand erschaffen wurde.
Walerij Burdakow: Ohne jeden Zweifel. Bis zu seiner Fertigstellung konnte das amerikanische Space Shuttle sich dieses Titels rühmen. Aber die Möglichkeiten des Buran waren wesentlich umfangreicher als die des amerikanischen Space Shuttles – sowohl in Bezug auf die Nutzlast von 20 bis 30 statt 14,5 Tonnen als auch, was die Schwerpunktlage betrifft. Wir hätten die Weltraumstation Mir zur Erde transportieren und in ein Museumsexponat verwandeln können. Automatische Landung, die Verwendung eines unschädlichen Treibstoffs, horizontale Flugeignungstests, Transport der Raketentreibstofftanks auf dem Rücken eigens dafür gefertigter Flugzeuge – alles war super.
Wessen Idee war eigentlich die Schaffung eines orbitalen Raumschiffs in Form eines Flugzeugs, das wie ein solches auf einer normalen Landebahn landen kann?
Sergej Pawlowitsch Koroljows. Seine Geschichte hat er mir selbst erzählt: 1929, als er 23 Jahre alt und bereits ein bekannter Segelflieger war, hatte Koroljow eine Idee. Er wollte mit einem Segelflugzeug auf eine Höhe von sechs Kilometern aufsteigen und von dort mit hermetischer Kabine weiter in die Stratosphäre. Er beschloss, Ziolkowskij aufzusuchen, damit dieser ihn bei dem Projekt unterstütze.
Hat Ziolkowskij ihm weitergeholfen?
Nein. Er konnte dieser Idee nichts abgewinnen. Er sagte, dass der Segelflieger ohne ein Flüssigkeitsraketentriebwerk in großer Höhe nicht zu steuern sei und beim Rückflug zu schnell werden und auseinanderbrechen würde. Zum Abschied schenkte er ihm das Büchlein „Kosmische Raketenzüge" und riet ihm, über die Verwendung von Flüssigkeitsraketentriebwerken für Flüge nicht nur in die Stratosphäre, sondern noch höher, in den „Ätherraum", nachzudenken. Koroljow war sehr verstimmt.
Und wann haben Sie das Buran-Projekt aufgenommen?
Das war bereits im Jahr 1962, mit Unterstützung von Sergej Pawlowitsch, als ich mein erstes Patent für einen wiederverwendbaren Weltraumträger erhielt. Als der Rummel um die amerikanische Weltraumfähre begann, war die Frage, ob wir uns nicht auch mit diesem Thema beschäftigen sollten, noch nicht geklärt. Trotzdem wurde 1974 in der wissenschaftlichen Produktionsvereinigung Energija der sogenannte „Dienst Nr. 16" aufgebaut. Er hatte zwei Abteilungen: meine für Flugzeugfragen und die von Jefrem Dubinskij, die sich mit den Trägersystemen beschäftigte. Wir fertigten Übersetzungen an, führten wissenschaftliche Analysen durch, gaben die Weltraumfähren-„Fibel" heraus. Und arbeiteten nebenbei, ohne großes Aufsehen, an unserer eigenen Variante eines Raumschiffs und des dazugehörigen Trägersystems.
Die Genauigkeit bei der Landung des Buran hat alle absolut beeindruckt.
Als das Raumschiff bereits aus den Wolken herausflog, wiederholte einer unserer Chefs wie im Wahn: „Gleich zerschellt sie, gleich zerschellt sie!" Und er stöhnte erschrocken auf, als die Buran quer zur Landebahn zum Stehen kam. Aber in Wirklichkeit war dieses Manöver im Programm vorgesehen gewesen. Doch dieses Detail war dem Chef wohl verborgen geblieben oder er hatte es in diesem Moment vergessen. Das Raumschiff kam genau auf der Piste zur Landung. Die 205 Flugminuten der Buran verliefen ohne eine einzige Beanstandung an den Konstrukteuren.
Wie haben Sie sich nach diesem Triumph gefühlt?
Das kann man mit Worten nicht wiedergeben. Aber uns erwartete eine vollkommen andere Sensation: Dieses erfolgreiche und innovative Projekt wurde begraben. Die damals 15 Milliarden Rubel waren zum Fenster herausgeworfen worden.
Wurde denn dieses wissenschaftliche und technische Know-how des Buran-Projektes weitergenutzt?
Die Buran war wegen ihrer teuren und ungeschickten Trägerraketen als Weltraumfähre nicht rentabel zu betreiben. Aber die einzigartigen technischen Lösungen können im Rahmen der Buran-М weiterentwickelt werden. Das neue und unter Berücksichtigung der jüngsten wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften modifizierte Raumschiff kann ein schnelles, zuverlässiges und bequemes Mittel für den interkontinentalen Luft- und Weltraumtransport von Fracht, Passagieren und Touristen werden. Aber dafür muss ein wiederverwendbares einstufiges ökologisches Trägersystem (MOVEN) konstruiert werden. Dieses wird die Sojus-Raketen ablösen. Wobei es keine gigantische Startrampe benötigen wird und auch vom Weltraumflughafen Wostotschnyj starten kann.
Das Know-how aus dem Buran-Projekt ist nicht verloren gegangen. Das automatische Landesystem diente als Grundlage für die Entwicklung von Jagdflugzeugen der fünften Generation und von Drohnen. Wobei wir – wie beim ersten künstlichen Erdsatelliten – die ersten waren!
Welche Aussichten hat Ihrer Meinung nach die heutige Weltraumfahrt?
Der Epoche der fossilen Brennstoffe wird die Epoche der Atom- und Sonnenenergie folgen, die ohne die breite Anwendung der Weltraumfahrt nicht denkbar ist. Zur Schaffung kosmischer Solarenergiestationen, die die Energie vom Orbit an die Verbraucher auf der Erde weiterleiten, werden Trägersysteme mit einer Nutzlast von mindestens 250 Tonnen benötigt. Sie werden auf der Basis von wiederverwendbaren, einstufigen, ökologischen Trägersystemen geschaffen. Und wenn wir über die Weltraumfahrt im Ganzen sprechen, so wird sie einmal alle Bedürfnisse der Menschen befriedigen, und zwar nicht nur die Informationsbedürfnisse, so wie heute.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Rossijskaja Gaseta.
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