Top 5: Unterbewertete russische Unternehmen

Nach Berechnungen des Unternehmens Finam ist das unterbewertetste russische Unternehmen Transneft, das sich mit dem Bau und Betrieb von Erdölpipelines beschäftigt. Foto: Reuters

Nach Berechnungen des Unternehmens Finam ist das unterbewertetste russische Unternehmen Transneft, das sich mit dem Bau und Betrieb von Erdölpipelines beschäftigt. Foto: Reuters

Russische Unternehmen am Markt werden traditionell unterbewertet. Die Ukraine-Krise und Sanktionen haben nun zu einer neuerlichen Wertsenkung geführt. Der Investmentholding Finam zufolge stammen die fünf unterbewertetsten Unternehmen aus dem Erdgas- und Erdölbereich.

Interne Probleme schuld an Unterbewertung

Als eine Variante einer „fairen" Berechnung des Unternehmenswerts gilt das Verhältnis zwischen Marktkapitalisierung, das heißt dem Wert aller Aktien, und dem Jahresgewinn – dieser Quotient zeigt an, wie sehr ein Unternehmen am Markt unterbewertet ist. Diesen Parameter verwenden internationale Analysten und Investoren, um zu erkennen, welche Unternehmen in Zukunft deutlich teurer gehandelt werden könnten und dadurch eine lukrative Gewinnspanne versprechen. So werden zum Beispiel die Wertpapiere, die im MICEX, dem wichtigsten russischen Börsenindex, gelistet sind, normalerweise auf Basis der letzten fünf Jahresgewinne gehandelt. Im Vergleich dazu beträgt die entsprechende Kennziffer in der Türkei 9,4, in Polen 12,5 und in Brasilien 13,1. Das heißt, russische Unternehmen werden im Durchschnitt 60 Prozent unter dem Wert von brasilianischen Unternehmen bewertet.

„Die Unterbewertung vieler russischer Unternehmen hat eher weniger – wie auf vielen anderen Märkten – mit fehlenden Wachstumsaussichten oder einer signifikanten Verschlechterung der Entwicklungsaussichten zu tun", bemerkt Timur Nigmatullin, Analyst bei Investcafé, und erklärt: „Die Investoren sind wohl in erster Linie durch Probleme im Konzernmanagement und den unzureichenden Schutz der Rechte von Minderheitsaktionären beunruhigt." Dabei kann das Verhältnis von Kapitalisierung zu Gewinn bei einigen russischen Unternehmen diesen Quotienten bei vergleichbaren ausländischen Unternehmen um ein Vielfaches übersteigen. Nach Berechnungen der Investmentholding Finam führt diese Liste der weltweit größte Nickelproduzent, der Konzern Norilskij Nikel, an. Die Kapitalisierung dieses Unternehmens beträgt das 41,7-fache des Jahresgewinns – ein absoluter Rekord für den russischen Markt. Die schlechtesten Werte für diese Kennziffer sind – so bizarr das auch klingen mag – im Wesentlichen bei den großen Erdöl- und Erdgasunternehmen anzutreffen.

 

Die fünf unterbewertetsten Unternehmen

Nach Berechnungen des Unternehmens Finam ist das unterbewertetste russische Unternehmen Transneft, das sich mit dem Bau und Betrieb von Erdölpipelines beschäftigt. Die Kapitalisierung des Unternehmens beträgt Finam zufolge 126 Milliarden Rubel (2,6 Milliarden Euro), das heißt gerade einmal ein Achtel seines Jahresgewinns. Alle Stammaktien des Unternehmens befinden sich in der Hand des Staates, und bis 2016 sollen

 

lediglich 3,1 Prozent dieses Staatsbesitzes veräußert werden. Aufgrund der Sanktionen und der unruhigen geopolitischen Situation kann sich die Privatisierung jedoch auch auf unbestimmte Zeit verschieben. Von Transneft hängt übrigens die Belieferung neuer Märkte, in erster Linie China und Japan, mit russischem Erdöl ab. Russland plant in dieser Region, die zukünftigen Abnehmer seiner Energieträger zu finden.

Den zweiten Platz in der Liste der unterbewerteten russischen Unternehmen belegt ein Erdgas-Konzern: das Unternehmen Gazprom, das etwa 40 Prozent des Erdgasbedarfs der Europäischen Union abdeckt. Das Unternehmen kostet 2,999 Billionen Rubel (60,8 Milliarden Euro), das heißt das 2,7-fache seines Jahresgewinns. Dabei sind die Gazprom-Aktien die populärsten Wertpapiere bei Ausländern, die in Russland investieren wollen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt scheuen sich die Investoren davor, in Gazprom zu investieren, unter anderem auch wegen der instabilen politischen Situation in der Ukraine. Über dieses Land liefert das Unternehmen den wesentlichen Teil seines Gases nach Europa. Infolgedessen sind die Gazprom-Aktien seit Jahresbeginn um nahezu zehn Prozent, seit Mai 2008 sogar um 65 Prozent ihres Wertes gesunken. Im Vergleich dazu betrug das Verhältnis von Kapitalisierung zu Jahresgewinn bei dem einzigen ernstzunehmenden Wettbewerber Gazproms in Russland, dem Privatunternehmen Nowatek, 12,4. Das heißt, die Gazprom-Aktien könnten mindestens auf das Viereinhalbfache ihres momentanen Wertes steigen.

Den dritten Platz belegt Finam zufolge das russische Erdöl-Privatunternehmen Lukoil, dessen Mehrheitsanteilseigner Wagir Alekperow, der ehemalige Vize-Minister für Erdöl- und Erdgasindustrie der Sowjetunion, ist. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt beträgt die Kapitalisierung

des Unternehmens 1,579 Billionen Rubel (32 Milliarden Euro), was dem dreifachen Jahresgewinn entspricht. Dabei fördert das Unternehmen 16,3 Prozent des gesamten russischen Erdöls und zahlt regelmäßig Dividende an seine Aktionäre aus.

Auf dem vierten Platz liegt Surgutneftegas, das aus Börsensicht unzugänglichste russische Erdöl-Unternehmen. Lange Zeit waren Gerüchte im Umlauf, dass zu den möglichen Begünstigten des Konzerns der russische Präsident Wladimir Putin gehöre, aber diese Gerüchte haben sich nicht bestätigt. Nach Angaben von Finam beträgt die Kapitalisierung des Unternehmens 1,077 Billionen Rubel (22 Milliarden Euro), was allerdings gerade einmal dem 3,6-fachen des Jahresgewinns entspricht. Für Investoren kann das Unternehmen interessant sein, vor allem dadurch, dass es frei von jeglichen ausländischen Aktiva ist – und das bedeutet, dass der Konzern von Sanktionen gegenüber russischen Unternehmen nicht betroffen ist.

Auf dem fünften Platz der unterbewertetsten russischen Firmen liegt schließlich der weltweit größte börsennotierte Konzern im Bereich der Erdölförderung: das der russischen Regierung gehörende Unternehmen Rosneft. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist das Unternehmen gerade einmal

2,394 Billionen Rubel (48,5 Milliarden Euro) wert, das heißt sein Börsenwert beträgt lediglich das 4,3-fache seines Jahresgewinns. Das Unternehmen hat die Auswirkungen der Sanktionen der US-amerikanischen Regierung deutlich zu spüren bekommen: Sein Präsident, der ehemalige Vize-Ministerpräsident Igor Setschin, wurde von den USA auf ihre „schwarze Liste" gesetzt. Sobald allerdings – so bemerkt man bei Finam – die Situation mit den Sanktionen sich wieder beruhigt haben wird, würden die Investoren auf den russischen Markt zurückkehren und dann wahrscheinlich in erster Linie ihre Aufmerksamkeit Rosneft widmen. Garantie für das Wohlergehen des Unternehmens ist der mächtige Einfluss Igor Setschins, der als enger Vertrauter Wladimir Putins gilt. Darüber hinaus verfügt Rosneft über einen bedeutenden strategischen Investor: das britische Unternehmen BP, das über einen Anteil von 19,75 Prozent an den Aktien von Rosneft verfügt. Der britische Gigant ist äußerst interessiert daran, dass dem russischen Erdöl zum Weltmarkt hin keine Steine in den Weg gelegt werden.

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