Die Zuständigkeit des Den Haager Schiedsgerichts ist noch nicht geklärt. Foto: AP
Der Entscheidung des Internationalen Schiedsgerichts von Den Haag nach, die am Montag bekannt gegeben wurde, muss Russland als Verlierer an die ehemaligen Aktionäre des Unternehmens Yukos ungefähr 37,5 Milliarden Euro zahlen. Diese Summe ergibt sich aus 70 Prozent des geschätzten Unternehmenswertes, der den Klägern zum Zeitpunkt des Verkaufs gehörte. Dazu kommen noch die seither nicht erhaltenen Dividenden mit Risikodiskont hinzu. Im Grunde genommen ist das die Kompensation für die Insolvenz und den Verkauf der Aktien des Ölunternehmens im Jahr 2004.
Der Ansicht des Schiedsgerichts nach verstieß Russland gegen die Energiecharta und enteignete 2004 die rechtmäßigen Besitzer des Ölunternehmens. Insbesondere die Aktienpakete von Yukos und dem Ölunternehmen Juganskneftegaz kamen unter die Kontrolle des staatlichen Unternehmens Rosneft. Wie der russische Außenminister Sergej Lawrow erklärte, wird Russland die Entscheidung des Schiedsgerichtes vor niederländischen Gerichten anfechten. Das russische Finanzministerium bestätigte die Revision. Unter anderem habe Russland die Energiecharta nicht ratifiziert, sondern lediglich einen Vertrag über den Beitritt unterschrieben. Das heißt, dass das Gericht in Den Haag für den „Yukos-Fall“ gar nicht zuständig sei, sagen die offiziellen Behörden.
„In jedem Fall ist das ein besorgniserregendes Signal für Investoren, die man mit allen Wahrheiten und Unwahrheiten aus unserem Land verdrängt“, kommentiert Anton Soroko, Analyst bei der Investmentgesellschaft Finam. Zudem könnten darunter auch die größten russischen staatlichen Ölunternehmen Rosneft und Gazprom noch leiden, da sie vom Haager Gericht als Nutznießer der Yukos-Insolvenz identifiziert worden sind. „Da bei der Untersuchung des Falls Gazprom und Rosneft als Mitangeklagte der Russischen Föderation hinzugezogen wurden, wird die Summe des Strafmaßes von 37,5 Milliarden Euro auf sie aufgeteilt“, sagt Dmitrij Gorbatenko, Jurist der Anwaltskanzlei Pleschakow, Uschkalow & Partner. „Das heißt, es besteht die Möglichkeit, die Auszahlung der Kompensation umzuadressieren. Im schlechtesten Fall bedeutet das die Beschlagnahmung des Eigentums von Gazprom und Rosneft im Ausland“, erklärt Gorbatenko. Chefanalyst der Investmentgesellschaft UFS Aleksej Kozlow fügt hinzu: „Sicher hat die Entscheidung eine große politische Komponente. Aus Sicht russischer Unternehmen wirkt sich die Entscheidung des Gerichts völlig gegen die russische Geschäftspraxis aus.“
Konten, Häuser und Kunst stehen vor der Beschlagnahmung
Nach der Verkündung des Urteils durch das Schiedsgericht in Den Haag hat Russland nun zehn Tage Zeit, um eine Beschwerde gegen das Urteil bei den niederländischen Gerichten einzureichen, wie Wladislaw Tsepkow, Senior der Anwaltskanzlei Jurlow und Partner, erklärt. Russland müsse nun bis zum 15. Januar 2015 die Schulden begleichen, falls nicht, beginne eine Zinsbelastung, allerdings noch nicht direkt eine Enteignung, so der Experte.
In der neueren russischen Geschichte wurde bereits Kapital aufgrund von Klagen vor ausländischen Gerichten beschlagnahmt. Der bekannteste Fall
ereignete sich im Jahr 1993, als das Gericht von Luxemburg einer Klage stattgab. Damals klagte das Unternehmen Noga aus der Schweiz gegen Russland. Die Summe der Klage belief sich auf circa 240 Millionen Euro, und im Laufe einiger Jahre beschlagnahmte das Unternehmen unter anderem russische Militärflugzeuge, Bilderausstellungen und Konten von Staatsunternehmen. Jedoch lehnte 2009 das US-Bundesberufungsgericht die Forderungen von Noga gegenüber Russland endgültig ab. 1998 gelang es wiederum dem deutschen Unternehmer Franz Sedelmayer, von Russland beim Stockholmer Schiedsgericht ungefähr zwei Millionen Euro zu erstreiten. 2010 beschlagnahmte das Gericht von Stockholm das Gebäude der russischen Handelsvertretung in Schweden, das im Februar 2014 schließlich bei einer Auktion versteigert wurde. Das Geld wurde dem Geschäftsmann Sedelmayer ausgezahlt.
Experten glauben, dass auch im Yukos-Fall die Kläger nach russischen Aktiva im Ausland suchen werden, um diese zu verkaufen, sollte es Russland nicht gelingen, vor dem Berufungsgericht die Rechtmäßigkeit des Yukos-Verkaufs glaubhaft zu machen. Wie der Anwalt Dmitrij Gorbatenko von der Kanzlei Pleschakow, Uschkalow & Partner, erklärt, könnte „absolut alles“ beschlagnahmt werden, was „nicht unter staatlicher Immunität
steht“. Witalij Zwetkow, Leiter der Informations- und Analyse-Abteilung der Wirtschaftsprüfungs- und Consulting-Gruppe Gradient Alpha, merkt an, es sei einzig nicht erlaubt, ausländische Besitztümer zu beschlagnahmen, die für staatliche Zwecke benötigt werden, beispielsweise Botschaften, Konsulate oder Vertretungen. Diese seien geschützt. Jedoch, fügt Zwetkow hinzu, habe Russland keine Besitztümer im Wert von 37,5 Milliarden Euro im Ausland. „Von einer Enteignung bedroht sind Werte und Konten von Staatsunternehmen im Ausland. Doch die rechtliche Praxis ist nicht eindeutig, wenn es um die Beschlagnahmung von Immobilien geht. Entsprechende Gerichtsprozesse würden also langwierig und schwierig“, schätzt der Experte.
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
Abonnieren Sie
unseren kostenlosen Newsletter!
Erhalten Sie die besten Geschichten der Woche direkt in Ihren Posteingang!