Moskau baut heimisches LNG-Segment mittels Staatsfonds aus. Foto: Sergej Gunejew/RIA Novosti
Der US-amerikanische Mineralölkonzern ExxonMobil ist der künftig wichtigste Partner des russischen Erdölkonzerns Rosneft bei dem Projekt „Fernöstliches LNG" (LNG ist die Abkürzung von „liquefied natural gas", zu Deutsch Flüssigerdgas), im Rahmen dessen Gasverflüssigungen im Fernen Osten umgesetzt werden sollen. Laut Angaben der russischen Wirtschaftszeitung „Kommersant" möchte das Großunternehmen nun aber nicht mehr weiter in das Projekt investieren, man plane den Projektausstieg. Des Weiteren hieß es in dem Bericht von „Kommersant", dass Rosneft bereits eine Lösung für den möglichen Wegfall des Kooperationspartners gefunden habe: Das Projekt könne nämlich ein Teil des Großprojekts „Sachalin-1" werden, das von den Sanktionen nicht betroffen ist. Zudem wäre es den Bedingungen des Abkommens entsprechend möglich, dass der Staat den verbleibenden Projektteilnehmern sämtliche Ausgaben für infrastrukturelle Maßnahmen finanziert.
Wachstumsbranche: Flüssigerdgas aus Russland
Rosneft gab indes mehrfach bekannt, dass es ExxonMobil in erster Linie darum gehe, mit einem staatlichen Konzern zusammenzuarbeiten, um so an Technologien und an eine Finanzierung zu gelangen. Doch im Sommer 2014 wurden gegen Rosneft von US-amerikanischer Seite Sanktionen verhängt. Schon damals begann der US-amerikanische Konzern sich immer mehr von einem Engagement im LNG-Projekt zu verabschieden. Doch laut Quellen der Zeitung „Kommersant" war diese Entscheidung nicht durch die Sanktionen bedingt gewesen, sondern eher durch das prinzipielle Wirtschaftsmodell des Projekts. Bei Rosneft habe man allerdings bereits eine Lösung für das Problem gefunden: „Es geht nun um die Lieferung von Flüssigerdgas aus dem Fernen Osten Russlands, genauer gesagt um Gas, das durch ‚Sachalin-1' gefördert wurde, welches von den ausländischen Investoren proportional zu ihren Anteilen am Projekt ausgeliefert wird", schreibt die Zeitung. Das Projekt „Sachalin-1" gehört zu 20 Prozent Rosneft, zu 30 Prozent der US-amerikanischen Firma ExxonMobil, zu 20 Prozent dem indischen Energiekonzern ONCG und zu 20 Prozent dem japanischen Unternehmen Sodeco.
„Flüssigerdgas wird fast überall auf der Welt schon seit Jahrzehnten verwendet. In Russland begann man jedoch, dieses Segment des Gasmarktes erst vor Kurzem zu entwickeln", erklärt Dmitrij Baranow, ein
führender Experte bei Finam Management. Dabei gebe es, so Baranow, auch bereits erste Fortschritte, die Russland in diesem noch jungen Segment vorweisen könne: Einerseits soll schon die erste Anlage zur Herstellung von LNG im Fernen Osten Russlands gebaut und andererseits sollen auch Verträge über den Export von flüssigem Erdgas aus Russland in andere Länder abgeschlossen worden sein. Zudem sollen weitere Projekte hinsichtlich Herstellung, Verwendung und Transport von LNG in Russland nicht nur ausgearbeitet, sondern auch realisiert worden sein. „All das sollte nicht nur die Produktion von Flüssigerdgas in Russland fördern, sondern auch den Anteil Russlands am weltweiten LNG-Markt erhöhen", schätzt Dmitrij Baranow. Darüber hinaus ist der Experte der Ansicht, dass dies Russland dazu verhelfen sollte, seine in der Energiestrategie niedergeschriebenen Ziele zu erreichen: den Export von Flüssigerdgas bis 2020 auf 30 Millionen Tonnen pro Jahr zu erhöhen.
Finanztransaktionen trotzen Sanktionen
Probleme mit der Finanzierung hat nicht nur das Projekt „Fernöstliches LNG". Auch andere Projekte, die zur Verflüssigung von Erdgas geplant sind, haben mit Schwierigkeiten bei der Finanzierung zu kämpfen. Dabei hat bereits der französische Konzern Total am Dienstag bekannt gegeben, das er auf der Suche nach Investoren für sein eigenes LNG-Projekt in Russland sei, das „Jamal LNG". Das Projekt wird Total gemeinsam mit dem russischen Energiekonzern Novatek realisieren, wobei der Anteil von Total an „Jamal LNG" lediglich 20 Prozent und an der russischen Firma Novatek 18 Prozent beträgt. Laut einer offiziellen Stellungnahme von Patrick de La
Chevardière, Chief Financial Officer des französischen Energieriesen Total, ist „der Zugang zu einer Finanzierung in US-Dollar aufgrund der Sanktionen gesperrt". Dabei geht es konkret darum, dass Novatek im Juli dieses Jahres von den USA auf die Sanktionsliste gesetzt wurde, wodurch internationale Finanztransaktionen erschwert wurden. Aus diesem Grund soll nun Total, so der Finanzvorstand de La Chevardière, bereits Verhandlungen über eine mögliche Finanzierung mittels Exportkrediten führen, die von französischen Kreditanstalten in Frankreich, Italien, aber auch in China und Russland zur Verfügung gestellt werden.
Überdies soll sich Novatek bereits an das russische Wirtschaftsministerium gewandt und um einen Kredit in Höhe von etwa zwei Milliarden Euro gebeten haben, der vom russischen Staatsfonds, einem Fonds, der von den Einnahmen aus dem Gasgeschäft Russlands gespeist wird, ähnlich dem norwegischen Staatsfonds, finanziert werden soll. Die Einlage des russischen Staatsfonds betrug Anfang September 2014 etwa 64 Milliarden Euro.
Russland hofft auf LNG-Wirtschaftswunder
Die Entwicklung des LNG-Segments, so glauben Experten, könne man als ein finanzierungswürdiges Projekt von nationaler Bedeutung ansehen. „Natürlich wird die Entwicklung in diesem Bereich nicht nur die Schaffung vieler neuer Arbeitsplätze im Land fördern, sondern auch die Staatseinnahmen auf vielen Ebenen vervielfachen", erklärt Dmitrij Baranow. „Darüber hinaus würde sich die Förderung dieses Segments auch auf viele andere Wirtschaftsbereiche positiv auswirken. So können die Partner der Gaskonzerne mit einer bestimmten Wiederbelebung der Wirtschaft als Ganzes rechnen", führt der Experte aus. Seiner Ansicht nach gibt es schließlich keine Zweifel daran, dass das innovative Segment der
Flüssiggasherstellung nicht nur entwickelt werden kann, sondern entwickelt werden sollte. Dies solle jedoch so schnell wie möglich geschehen, um die anderen Länder, die in diesem Bereich tätig sind, noch einzuholen, und um daran etwas zu verdienen.
Auch Ilja Balakirew, Analyst bei UFS IC, merkt an, dass LNG-Projekte faktisch so weit sind, dass sie schon Jahre vor der Industrialisierung der Flüssiggasherstellung benötigt würden – auch wenn sie nur wegen ihrer Rentabilität wegen realisiert werden. „In diesem Sinne kann man sagen, dass Russland bisweilen Gas an jene Abnehmer liefert, die es auch schon vorher beliefert hat. Der europäische Markt wird deswegen weiterhin von essenzieller Bedeutung sein, stellt er doch in jedem Fall den für Gazprom größten und wichtigsten Absatzmarkt dar", unterstreicht Balakirew.
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