Die Weltbank prognostiziert Wirtschaftswachstum in Russland

Trotz des Krisenjahres könnte die russische Wirtschaft weiter wachsen. Foto: Reuters

Trotz des Krisenjahres könnte die russische Wirtschaft weiter wachsen. Foto: Reuters

Die Weltbank hat drei verschiedene Prognosen zur Entwicklung der russischen Wirtschaft, abhängig von der außenpolitischen Situation, erstellt. Doch auch ganz unabhängig von der politischen Lage erwartet die Weltbank ein Wachstum des russischen Bruttoinlandsprodukts um 0,5 Prozent. Russland könnte damit der Rezession in diesem Jahr entkommen.

Die russische Wirtschaft wird in diesem Jahr um 0,5 Prozent wachsen – trotz der politischen Lage, so lautet das Ergebnis einer jüngst veröffentlichten Studie der Weltbank. Das heißt, dass Russland noch im laufenden Jahr die drohende Rezession abwenden kann. Die weitere Entwicklung hängt allerdings von der Zu- oder Abnahme der Spannungen zwischen Russland und den westlichen Ländern ab. Die Weltbank hat daher drei Prognosen zur Entwicklung der russischen Wirtschaft erstellt.

Das gemäßigte Szenario sieht vor, dass die politische Situation sich nicht verändern und das Bruttoinlandsprodukt im nächsten Jahr ansteigen wird, wenn auch nur minimal, das heißt um 0,3 bis 0,4 Prozent in den Jahren 2015 und 2016. Dem optimistischen Szenario zufolge wird das Wirtschaftswachstum in Russland auf 0,9 Prozent im Jahr 2015 und um 1,3 Prozent im darauffolgenden Jahr ansteigen, wenn die weltpolitischen Spannungen bis Ende 2014 abgebaut werden können und sich schließlich auflösen. Das pessimistische Szenario geht von einer Verschärfung der Sanktionen aus und prognostiziert damit einhergehend ein Schrumpfen des BIP von 0,9 Prozent im Jahr 2015 und 0,4 Prozent im Jahr 2016.

 

Weltbank-Prognose trifft auf Skepsis

Die Prognose der Weltbank, das BIP wachse um 0,5 Prozent, liegt für die meisten Experten im Rahmen des Wahrscheinlichen. „Ein halbes Prozent – in dieser Größenordnung bewegen sich statistische Fehler beim Erstellen von Prognosen", sagt Konstantin Korischtschenko, Lehrstuhlinhaber für Wertpapiermarkt und Financial Engineering an der Russischen Akademie für Volkswirtschaft und Staatsdienst beim Präsidenten der Russischen Föderation. Der Experte glaubt jedoch nicht an ein großes Wirtschaftswachstum: „Insgesamt kann man in den vergangenen Jahren doch eher eine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums beobachten, und die gegenwärtige politische Situation hat diesen Trend noch verstärkt", meint Korischtschenko.

Der Experte erläutert: „Einer der Schlüsselfaktoren für die Verlangsamung des Wirtschaftswachstums ist, dass weniger Geld in Umlauf gebracht wird. Man kann wohl kaum großes Wirtschaftswachstum stimulieren, wenn nicht

konsumiert wird." Dieses Problem hänge in vielerlei Hinsicht mit verschiedenen wirtschaftlichen Kennzahlen zusammen. Bis 2008 stellten die größten Quellen für das Geldangebot eine positive Bilanz und Kapitalzuflüsse dar, doch heute sei ein hoher Abfluss an Kapital zu beobachten, und auch die Handelsbilanz verbessere die Situation nicht, so Korischtschenko.

Hinzu kommt, dass die Dynamik des russischen BIP sich ohnehin nur schwer, das heißt mit einer Ungenauigkeit von mehr als ein bis zwei Prozentpunkten, vorhersagen lässt, weil die Ölpreise sich stark auf die Handelsbilanz auswirken und die Schattenwirtschaft und die Staatsausgaben sich nur schwer einschätzen lassen, wie Timur Nigmatullin, ein Analyst von Interfax, bemerkt. „Die Prognose der Weltbank bewegt sich im Rahmen der statistischen Ungenauigkeit, doch ich stehe ihr mit einer gewissen Skepsis gegenüber", resümiert der Experte.

 

Grund zum Optimismus

In jedem Fall ist laut Weltbank-Studie die geopolitische Lage nicht stabil genug für das Wachstum der russischen Wirtschaft. „Die russische Wirtschaft könnte das Maximum ihres Produktionspotenzials fast erreicht haben", heißt es in der Studie. Bereits im Jahr 2013 hatten Experten gewarnt, dass die russische Wirtschaft sich ihrem maximalen Niveau annähere.

„Derzeit gibt es zwei realistische Perspektiven für die russische Wirtschaft", meint Alexej Baskakow, Leiter der Analyseabteilung des Unternehmens FinExpertisa, und zeigt zwei Szenarien auf. Demnach geht das erste

Szenario von einer Abschwächung der bereits eingeführten Sanktionen aus, was ein Wachstum des Marktes sowie die aktive Einführung aufgeschobener Investitionsprogramme in der Industrie nach sich ziehen würde. „In diesem Fall könnte das Wirtschaftswachstum in Russland für das Jahr 2014 0,7 bis 0,8 Prozent betragen, auf lange Sicht könnte es ein bis 1,2 Prozent erreichen", so Baksakow. Das zweite Szenario hingegen sieht eine weitere Verschärfung des Konfliktes und zunehmende Spannungen vor, in diesem Fall würde der Wert für 2014 nur noch 0,3 bis 0,5 Prozent betragen, später könnte das Wirtschaftswachstum auch negativ ausfallen.

Immerhin hätten die pessimistischsten Prognosen, die zu Beginn der Ukraine-Krise erstellt worden waren, sich nicht bewahrheitet, kommentiert Anton Soroko, ein Analyst der Investment-Gesellschaft Finam. „Das BIP Russlands steigt trotz allem an, wenn auch nur um symbolische 0,5 Prozent, und 2015 wird es um die in den optimistischen Szenarien vorhergesagten 0,8 bis 1,0 Prozent steigen", ist er überzeugt.

Ähnlich optimistisch schätzt auch Alexej Koslow, Chefanalyst von UFS IC, die Lage ein. Die russische Wirtschaft bleibe trotz der Sanktionen sehr stark in die Weltwirtschaft integriert, glaubt der Experte. „Darüber hinaus sollte

man berücksichtigen, dass das Importverbot auf Lebensmittel aus der Europäischen Union und den USA, die Russland eingeführt hat, und die damit einhergehenden Importsubstitutionen die Aktivität der russischen Lebensmittelproduzenten sowie die Produktivität in verwandten Wirtschaftszweigen anregen könnte", fügt Koslow hinzu.

Laut Angaben der russischen Statistikbehörde Rosstat ist die Industrieproduktion im ersten Halbjahr bereits um 1,5 Prozent gestiegen. Einige Industriezweige wachsen dabei schneller als andere: Die Produktion in den Bereichen Schifffahrt, Luft- und Raumfahrt sowie bei anderen Transportmitteln beispielsweise hat um 26,9 Prozent zugenommen.

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