Wladimir Potanin: «Es zählt nicht nur der erste Platz»

Wladimir Potanin: "Ich halte Sanktionen für ein zweischneidiges und für alle Beteiligten nachteiliges Instrument." Foto: Nikolaj Koroljoff/RBTH

Wladimir Potanin: "Ich halte Sanktionen für ein zweischneidiges und für alle Beteiligten nachteiliges Instrument." Foto: Nikolaj Koroljoff/RBTH

Der Teilhaber und Chef des weltweit grössten Nickelherstellers der Welt, Norilsk Nickel, sprach mit RBTH über den Umbau seiner riesigen Holding, Strategie und Sanktionen.

Sie führen mit Norilsk Nickel ein privates Unternehmen. Haben sich die politischen Turbulenzen auf Ihre Arbeit ausgewirkt?

 Wir sind ein privates und gesetzestreues Unternehmen, das alle Kontrollinstrumente der Regulierungsbehörden implementiert hat und an den internationalen Börsen vertreten ist. Unsere Produkte sind wirtschaftlich von großer Bedeutung. So beliefert Norilsk Nickel europäische Unternehmen der Stahlindustrie mit Nickel. Die gegenwärtigen geopolitischen Spannungen sollten die Geschäfte von Norilsk Nickel nicht berühren. Das Unternehmen ist schließlich tief integriert in globale Wirtschaftsprozesse. Ich persönlich halte Sanktionen für ein zweischneidiges und für alle Beteiligten nachteiliges Instrument. Wirtschaftssanktionen schaden den Wirtschaftsakteuren und weisen immer auf ein Scheitern der Politik hin.

Wie weitgehend ist das Unternehmen an europäische und amerikanische Kunden gebunden? Welcher Schaden könnte Ihnen im Falle einer Ausweitung der Sanktionen entstehen?

 Norilsk Nickel verkauft einen großen Teil seiner Produkte in Europa und den USA. Wir liefern zum Beispiel Palladium für die Herstellung von

Wladimir Potanin wurde 1961 in Moskau geboren und absolvierte die als elitär geltende Moskauer Universität für Internationale Beziehungen.

Zwischen 1983 und 1990 arbeitete Potanin im sowjetischen Ministerium für Außenwirtschaft. 1990 wurde er Chef der privaten Außenhandelsorganisation Interros. 1993 übernahm er den Vorstand bei der privaten Bank Onexim.

Zwischen August 1996 und März 1997 war Potanin als Vizepremier verantwortlich für Wirtschaft.

Fahrzeugkatalysatoren. Auf dem Palladium-Markt zeichnet sich ein strukturelles Defizit in den nächsten Jahren ab. Das wird die Preise in die Höhe treiben. Norilsk Nickel legt jedoch viel Wert auf die Loyalität seiner Kunden, daher schließen wir langfristige Verträge ab, die für beide Seiten vorteilhaft sind. Palladium wird auch für die Herstellung von Kohlendioxidfiltern verwendet – ein kleines, aber für die Autoindustrie sehr wichtiges Element. Ein fehlender Katalysator, dessen Wert sich auf etwa 1.000 US-Dollar beläuft, könnte ein Auto im Wert 30.000 US-Dollar unverkäuflich machen. Norilsk Nickel geht es unter den gegenwärtigen Bedingungen gut, wir glauben nicht, dass uns die Sanktionen oder andere politische oder wirtschaftliche Maßnahmen betreffen werden. Unabhängig davon haben wir allerdings einen Plan B, der eine Währungsdiversifikation unserer Anlagen, aber auch die Möglichkeit einer stärkeren Orientierung unseres Unternehmen auf asiatische Märkte vorsieht – sollte es auf anderen Märkten schwierig werden.

Befürchten Sie nicht, dass die Nachfrage nach Ihren Produkten auf westlichen Märkten zurückgehen könnte?

 Ein großer Teil der Produkte von Norilsk Nickel ist Börsenware, die von einem Markt auf einen anderen umgelenkt werden kann. Es ist keine Konsumware wie ein Kleid, Schuhe oder ein Auto, die in konkreter Ausführung von den Menschen gekauft werden. Man kauft einfach Nickel, ohne auf die Sorten zu achten. Es ist daher nicht zu befürchten, dass der Verkauf von Nickel grundsätzliche Probleme aufwerfen könnte. Die europäische Stahlindustrie ist mit unserem hochwertigen Nickel vertraut, in den USA kaufen Unternehmen unser Produkt, denen es nicht auf die Menge, sondern auf die Qualität ankommt. An den asiatischen Markt haben wir bislang weniger Anbindungen. Wir haben uns erst in den letzten Jahren mit ihm befasst.

Im vergangen Jahr haben Sie schrittweise einige Auslandsaktiva verkauft. Wie ist der Rückzug Ihres Unternehmens von einigen Märkten zu erklären, war er Teil einer Strategie?

 Wir stoßen Vermögenswerte, die nicht zu unserem Kerngeschäft gehören und das Unternehmen nicht vorwärts bringen, konsequent ab. So sind wir komplett aus Investitionsprojekten in Australien ausgestiegen. Wir haben nur

eine einzige australische Lizenz bewahrt. Derzeit bereiten wir den Rückzug aus Projekten in Afrika vor. Diese neue Weichenstellung hatten wir schon lange vor dem Beginn der politischen Turbulenzen in unserem Strategieplan festgelegt. Damals gab es allerdings noch Konflikte mit den Aktionären, und das Management war nicht zu eindeutigen Schritten bereit. Als die neue Ära unseres Unternehmens begann, bekam dieser Plan neue Konturen. Und es festigte sich der politische Wille, ihn umzusetzen.

Im vergangenen Jahr präsentierten Sie eine neue Unternehmensstrategie für Norilsk Nickel und starteten eine Road-Show für ausländische Investoren. Was war der Anlass?

 Jedes Unternehmen braucht eine für Investoren transparente Strategie, anhand derer sich beurteilen lässt, wie effektiv das Management arbeitet. Ihren Kern bildeten die Konzentration auf hochwertige Aktiva und ein effektiveres Management. Norilsk Nickel hat sich immer schon als ein Unternehmen positioniert, das dank der Qualität seiner Aktiva außer Konkurrenz steht. Uns war es aber auch wichtig, von Investoren als Unternehmen mit einem hochprofessionellen Management wahrgenommen zu werden. In London und New York stellten wir unsere Unternehmensstrategie sowohl den bereits vorhandenen als auch künftigen Investoren vor. Wir veranstalteten sogar in unseren Betrieben für das Management und die Beschäftigten Präsentationen über unseren Kurs. Jeder sollte an seinem Arbeitsplatz seine Aufgabe bei der Umsetzung der Strategie begreifen.

Konnten Sie dadurch neue Investoren gewinnen?

 Ja, unsere Dividenden lockten neue Investoren an, die hohe Erträge bei geringem Risiko suchten. Je breiter wiederum die Investitionsbasis, desto geringer die Volatilität der Aktien. Auf der Road-Show wollen viele Investoren entweder Norilsk-Nickel-Aktien sofort erwerben oder prüfen kurzfristig einen Aktienkauf. In diesem Fall sprechen wir über Investoren, die nicht auf das Land und die Branche schauen, für sie zählt das Risikoprofil. Norilsk Nickel ist für sie sowohl bezüglich der Dividenden als auch des Risikos attraktiv. Diese neuen Investoren, hauptsächlich aus den USA und aus Europa, sind bisher noch nicht zahlreich, aber es gibt sie.

Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Erfolge der neuen Strategie?

 Als großer Erfolg ist zunächst unsere Kontrolle über die Herstellungskosten zu nennen. Zweitens haben wir alle standardmäßigen Prozesse innerhalb des Unternehmens optimiert. Es gibt jetzt abgestimmte Vorgaben für die korrekte Durchführung von Ausschreibungen. Drittens liegt nach EBITDA unsere Rentabilität bei 44 Prozent, was diese Kennziffer betrifft, stehen wir lediglich hinter BHP Billiton zurück und liegen noch vor RioTinto. Viertens haben wir unsere Beziehungen zu Banken und Rating-Agenturen erheblich verbessert und eine Restrukturierung unserer Bankdarlehen vorgenommen. Unter anderem sind jetzt die Laufzeiten der Kredite länger.

Wollen Sie auf Platz eins vorrücken und BHP Billiton bei der Rentabilität überholen? Was müssten Sie dafür tun?

 In der Wirtschaft ist es anders als im Sport, wo nur der erste Platz zählt. Mein Freund Wjatscheslaw Fetisow, ein weltbekannter Hockeyspieler, sagte

einmal, der erste Schritt vom Podest führe immer nach unten. Wenn wir darüber reden, irgendwelche Plätze erreichen zu wollen, dürfen wir das Ziel und seine Wirkung nicht verwechseln. Es gibt immer Alternativen.

Abhängig von unserer Politik im Erzbergbau werden wir entweder ein großes Produktionsvolumen bei einer etwas geringeren EBITDA-Marge erzielen, oder wir trennen uns von ineffizienten Geschäftsfeldern und erreichen eine höhere EBITDA-Marge. Wir streben für unsere wichtigsten Aktiva eine Rentabilität von 40 Prozent an. Insgesamt ist es in der Wirtschaft besser, nach allen Kennziffern Platz zwei zu erreichen, als bei einigen ganz oben, bei anderen weit unten zu stehen. Der Faktor der Risikobestimmung bemisst sich nicht nach den besten Kennziffern, sondern nach den schlechtesten. Ganz im Sinne von Wyssozki, der sang „Ein Boxturnier ist keine Prügelei, sondern Sport". So ist auch unternehmerisches Handeln kein Sport, sondern Gewinnerzielung. Für unsere Konkurrenten von BHP Billiton gibt es aber dennoch keinen Grund, sich zu entspannen.

Das Gespräch führte Alexej Lossan.

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