Werbung in der Währungskrise: Russische Händler fixieren Wechselkurs

Die Währungskrise animiert russische Händler zu kreativen Aktionen. Foto: Dmitrij Rogulin/TASS

Die Währungskrise animiert russische Händler zu kreativen Aktionen. Foto: Dmitrij Rogulin/TASS

„Alte Preise trotz neuem Kurs“ lautet die zentrale Botschaft in vielen russischen Werbespots zur Jahreswende. Hintergrund ist der Rubelsturz Mitte Dezember. Einige Einzelhändler fürchten, ihre Kunden mit steigenden Preisen zu vergraulen, und legten einen internen festen Wechselkurs fest.

Ende des vergangenen Jahres sahen sich die Russen mit einem jähen Absturz des Rubels und einem daraus folgenden Preisanstieg bei Importwaren konfrontiert. Nachrichtenagenturen berichteten über teils stündliche Preisänderungen etwa bei Haushaltswaren. Einige Einzelhändler jedoch setzten auf eine andere Strategie: Sie boten ihre Ware weiterhin zum alten Kurs an. Pelzmodengeschäfte und Mobilfunkanbieter zum Beispiel spielten in ihren Werbereklamen mit dem sinkenden Rubelpreis und stellten ihren potenziellen Kunden alte Preise in Aussicht. Allen voran machten von dieser Verkaufsstrategie Geschäfte für Luxusprodukte und Autohändler Gebrauch.

Die Modehauskette Bosco Di Ciliegi, die in Russland bekannte Marken wie Alberta Feretti, Kenzo, Max Mara, La Perla, Jean Paul Gaultier oder Barbara Bui an zahlungskräftige Kundschaft verkauft, kündigte eine Fixierung des Wechselkurses an. Zunächst war die Aktion bis zum Januar geplant, später aber verlängerte man sie. Gegen eine Anpassung ihrer Preise entschlossen sich auch die Luxusmarken Chanel, Longines und Richemont, wie die Geschäftsführerin der Esper-Gruppe Darja Jadernaja erklärte. „Händler dieser Labels verkaufen ihre Ware zu dem zum Zeitpunkt der Lieferung geltenden Wechselkurs. Der Großteil der Lieferungen entfällt auf die Monate Juli und August. Man findet daher in den Geschäften Ware, deren Preis auf dem Rubelkurs des Sommers basiert", so Jadernaja.

„Üblicherweise liegen die Preise in russischen Boutiquen zwischen 16 und 18 Prozent höher als die europäischen. Wegen des Rubelsturzes mussten russische Händler ihre Ware jedoch 30 Prozent unterhalb des ursprünglichen europäischen Preises anbieten", äußerte sich ein Vertriebsleiter einer Luxusmarke im Gespräch mit RBTH. Vor allem für Ausländer lohnt es sich also, in Russland zum alten Kurs einzukaufen. Machte einem Vertreter der Esper-Gruppe zufolge der Anteil der Touristen an der Gesamtzahl der Verbraucher vor der Krise vier Prozent aus, so stieg dieser in den Monaten November und Dezember auf das Dreifache – auf zwölf Prozent.

Um die Verluste zu minimieren, mussten einige Labels Kompromisse eingehen. Sie boten nur im unteren Preissegment Waren zum alten Kurs an. So etwa verkaufte Cartier keine Ware, deren Preis eine Million Rubel überstieg. Hermes verzichtete auf den Verkauf seiner teuersten Taschen und anderer Artikel aus exotischem Leder.

Unabhängig von der Fixierung des Wechselkurses habe der Verkauf von Luxusgütern im vergangenen Geschäftsjahr in Russland alle Rekorde geschlagen, erläuterte Jadernaja. Sämtliche Luxusmarken verzeichneten Verkaufszahlen, die den geplanten Umsatz um 120 bis 140 Prozent überträfen. „Die Nachfrage erreichte ihren Höhepunkt etwa eine Woche vor dem schwarzen Dienstag. Die Spitzenwerte hielten sich ungefähr fünf Tage – vom schwarzen Dienstag (16. Dezember, Anm. d. Red.) bis zum Samstag. Es folgte später eine zweite Welle, die allerdings etwas gemäßigter verlief", so die Esper-Chefin. Aus der extremen Kauflust der russischen Verbraucher spreche der Wunsch, noch zum „alten Preis" an die Waren zu kommen, bevor die Fremdwährungen den nächsten Sprung machten. Alternativ werde in Sachwerte investiert.

 

Der Automobilmarkt reagiert schnell

Auch der Automobilmarkt konnte einen Verkaufsboom verzeichnen. Wie RBTH aus informierten Kreisen erfuhr, stellten viele Importeure bereits zu Beginn der Rubelschwankungen im Herbst ein Programm zur Stützung des Verkaufs auf. Bei einer bestimmten Anzahlung fixierten sie den Wechselkurs.

Volkswagen sicherte zum Beispiel ab einer Abschlagszahlung in Höhe von 20 Prozent eine Wechselkursfixierung zu. Bald nach der drastischen Talfahrt des Rubels jedoch stellten sie ihre Sonderaktion ein. „Die meisten Autohäuser garantierten selbst bei einer vollständigen Vorauszahlung keinen stabilen Preis mehr", so ein Experte zu RBTH. Stattdessen würden Händler die gestiegenen Preise direkt an den Kunden weitergeben. Ein Teil dieser sei bereit, den höheren Preis zu zahlen, es gebe aber mittlerweile eine andere Gruppe – Kunden, die auf das teure Auto verzichten. Die Händler, so erläutert der Gesprächspartner von RBTH, kaufen die Autos von ihrem Lieferanten nach Vertragsabschluss mit dem Kunden. Den Preis für das Auto bezahlen sie daher zu dem am Tag des Kaufs geltenden Wechselkurs.

Die Panik auf dem Markt schlug sich zunächst in einer ungeheuren Nachfrage nieder. Allein Subaru verzeichnete im November eine Steigerung

seiner Verkaufszahlen um 35 Prozent. „Autos, die bei einem regionalen Händler über acht Monate lang standen, wurden innerhalb weniger Tage verkauft. Um eines der Modelle entbrannte sogar ein ernsthafter Streit unter vier Interessenten. In einem Autohaus in Sotschi schleuderte ein aufgebrachter Kunde, als er den gewünschten VW Touareg nicht bekam, einen Bildschirm auf einen Manager", so ein Gesprächspartner von RBTH.

Einige Händler entschlossen sich, ihren Verkauf vorläufig einzustellen. Wie Experten erklären, wollen sie so einen Teil ihrer Autos für den Verkauf im Jahr 2015 zurückhalten. Das erste Autohaus, das sich zu diesem Schritt entschloss, war die große Moskauer Beteiligungsgesellschaft Avilon. Andere Händler folgten dem Beispiel. Ihnen schlossen sich mächtige Importeure an – LandRover, BMW und Audi, danach auch die wichtigsten Produzenten, einschließlich Peugeot, Citroën, Volkswagen und Renault.

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