Hostels in Russland profitieren von der WirtschaftskriseFoto: Kirill Kalinnikow/RIA Novosti
Die Zahl der russischen Hostels wächst trotz oder gerade wegen der aktuellen Wirtschaftskrise. Das gilt vor allem für die Großstädte. „In den letzten drei Jahren verdoppelte sich die Anzahl der Hostels in Moskau jährlich", sagt Arik Pogosjan, Führungsmitglied der Hostel-Liga und Inhaber der Kette Open Hostels. Laut dem Internetportal booking.com gab es im September 2014 in Moskau noch 269 Hostels, in Sankt Petersburg 288. Bereits im März 2015 waren es 323 in Moskau und 294 in Sankt Petersburg.
Arik Pogosjan sieht aber auch Risiken des rasanten Wachstums: Der Markt könne bald übersättigt sein, die Gewinne der einzelnen Hostels würden schwinden. „Die Konkurrenz ist groß. Auch ohne entsprechende Qualifikation oder Erfahrung finden es viele verlockend, ein Hostel zu eröffnen. Doch Professionalität und die Qualität des Services sind wichtig für den Erfolg." Der Investitionsaufwand für die Eröffnung eines Hostels sei mit rund 1,5 Millionen Rubel, umgerechnet etwa 23 000 Euro, eher niedrig. „Früher rentierten sich die Ausgaben nach sechs Monaten oder spätestens nach einem Jahr. Heute muss man mit zwei, noch realistischer mit drei Jahren rechnen", so Pogosjan.
Nach Angaben der Interregionalen Vereinigung zur Förderung des Hostel-Gewerbes gibt es in Russland aktuell 5 000 aktive Mini-Hotels und Hostels. „Hostels sind ein urbanes Phänomen und haben als Zielgruppe weniger anspruchsvolle Touristen mit eher schmalem Geldbeutel wie Studenten oder junge Familien", sagt Maja Lomidse, geschäftsführende Direktorin der Vereinigung der Reiseveranstalter Russlands. Daher rentiere sich ein Hostel am ehesten in den beliebten städtischen Reisezielen Moskau und Sankt Petersburg sowie dort im Umland und an ausgewählten Ausflugszielen.
Eine Übernachtung im Hostel kostet im Schnitt zwischen 300 und 800 Rubel, etwa vier bis zwölf Euro. Das macht sie für Reisefans während der Krise besonders attraktiv. Nun von einem garantierten Geldsegen für alle Hostelbetreiber zu sprechen, wäre nach Einschätzung von Lomidse verfrüht: „Wir gehen davon aus, dass die Hostels als günstigste Unterkunftsart im Übernachtungsgewerbe die Profiteure der Krise sein werden. Zahlen werden jedoch erst im Oktober zum Ende der Reisesaison vorliegen."
Pogosjan sieht allerdings auch auf die Hostels krisenbedingte Herausforderungen zukommen. Sie sähen sich mit steigenden Mieten für die Gebäude konfrontiert, während die Unterkunftspreise wegen der starken Konkurrenz praktisch nicht erhöht werden könnten. Zudem blieben die
ausländischen Gäste aus. „Vor zwei oder drei Jahren betrug der Anteil der Gäste aus dem Ausland 50 Prozent, heute sind es gerade mal zehn Prozent", weiß Pogosjan.
Der Hostel-Boom hat auch Schattenseiten. Der Geschäftsführer des Hostel "Kolumb" beklagt die wachsende Konkurrenz, die mit einem Qualitätsverlust einhergehe. „Diese Hostels werden schnell zusammengeschustert und entpuppen sich dann als Eintagsfliegen", sagt er. Seit dem 1. Januar 2015 gelten nun neue, einheitliche Qualitätsstandards für Hostels. Erstmals wurden auf gesamtstaatlicher Ebene Mindestanforderungen für Gebäude, Zimmer und deren Ausstattung definiert. Seit der Einführung der neuen Normen mussten in Moskau bereits neun Hostels schließen. Sie konnten nicht alle Anforderungen erfüllen. Pogosjan weist darauf hin, dass die Normen ab Sommer 2016 verpflichtend sein werden. Spätestens dann würden sich wohl nur professionelle Hostel-Betreiber auf dem Markt behaupten können.
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