Brics: Schwellenländer rütteln an IWF und Weltbank

Die Brics-Staaten, einst ein Fantasiekonstrukt von Investmentbankern, wollen mit neuen Institutionen die eigene Rolle in der Welt festigen. Foto: RIA Novosti

Die Brics-Staaten, einst ein Fantasiekonstrukt von Investmentbankern, wollen mit neuen Institutionen die eigene Rolle in der Welt festigen. Foto: RIA Novosti

Auf dem kommenden Gipfeltreffen in Russland wollen die Brics-Staaten neue Finanzinstitutionen schaffen und so mehr Bedeutung und Verantwortung in der Welt gewinnen.

Am 1. April 2015 hat Russland den Vorsitz der Brics-Gruppe, der informellen Vereinigung der größten Schwellenländer, übernommen. Diese Länder durchleben gerade aber eine schwere Zeit: Die Volkswirtschaften Russlands und Brasiliens verzeichnen gegenwärtig kein Wachstum und auch China legt langsamer zu. Moskau hat 
nun zum Hauptziel der Gruppe in diesem Jahr die Gründung eigener Finanzinstitute – einer neuen 
Entwicklungsbank und eines Valutareservefonds – erklärt. Beide sollen in Wettbewerb mit dem Internationalen Währungsfonds 
und der Weltbank treten. Die endgültige Entscheidung über die Gründung der neuen Finanzinstitute soll auf dem Gipfeltreffen am 9. und 10. Juli in Ufa, einer Stadt 
1 300 Kilometer östlich von Moskau, gefällt werden. Die Neugründungen könnten zu einem Impuls für die Staatengruppe werden.

Diesen hat die Organisation dringend nötig. „Grundlage der Vereini
gung war das große Wachstums
tempo dieser Volkswirtschaften, das im Durchschnitt sechs bis sieben Prozent pro Jahr betrug", sagt Valeri Abramow, Professor am Lehrstuhl für staatliche Wirtschaftsregulierung am Institut für Öffentlichen Dienst und Verwaltung der Russischen Akademie für Volkswirtschaft und Öffentliche Verwaltung in Moskau. Diese Länder beeinflussten mit ihren riesigen Ressourcen und Absatzmärkten im entscheidenden Maße die Entwicklung der Weltwirtschaft.

Chronik der Brics-Gründung

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Bündnis der Ungleichen

„Dabei befinden sich die Brics-
Mitglieder hinsichtlich ihrer Wirtschaftsstruktur und ihres sozialökonomischen Entwicklungs
niveaus auf vollkommen unterschiedlichem Stand", sagt Abramow. Nach Angaben des IWF betrug das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der Bevölkerung nach Kaufkraftparität im Jahr 2014 in Russland 24 800 US-Dollar, in der Republik Südafrika 13 050 US-Dollar, in China 12 880 und in Indien 5 850 US-Dollar.

„Russlands Wirtschaft ist wettbewerbsfähiger, weil das Land über das größere wissenschaftlich-
technische Potenzial verfügt. Dieses erlaubt es Russland, einen innovativen Entwicklungsweg einzuschlagen und die technologische Führung in der Gruppe der Brics-Staaten zu übernehmen", meint 
Professor Abramow. Allerdings wächst die Wirtschaft anderer 
Mitglieder der Gruppe schneller als die Russlands. So konnten nach 
Angaben der Ratingagentur Moody's lediglich Indien und China das bisherige Wirtschaftswachstum von sieben Prozent beibehalten.

Doch ungeachtet aller Unterschiede einigen die Brics-Staaten vor allem gemeinsame Wirtschaftsinteressen. „Die Länder streben einen Ausbau ihrer nationalen Souveränität an. Sie wollen ihre regionale Vorherrschaft ausbauen und dabei ihre ökonomische und politische Abhängigkeit von der sogenannten Goldenen Milliarde, den reichen Industrienationen, verringern", erläutert Abramow.

 

Die Wettbewerbsvorteile der Brics-Länder im Vergleich

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Neue Institutionen

Zahlen

 

131 Milliarden Euro betrugen die Exporte Deutschlands in die Brics-Staaten im vergangenen Jahr. Im Jahr 2000 waren es gerade einmal 27 Milliarden.

300 Milliarden US-Dollar beträgt der Handel zwischen den Brics-Staaten nach einer Schätzung des russischen Ministeriums für Industrie und Handel.

Der Aufbau neuer Finanzinstitute soll eben diesen gemeinsamen wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen dienen. Das Abkommen über die Gründung eines gemeinsamen Brics-Reservefonds wurde während des letzten Gipfeltreffens in Brasilien unterzeichnet. Er soll mit einem Startkapital in Höhe von 100 Milliarden US-Dollar ausgestattet werden. Dazu tragen die einzelnen Brics-Mitgliedstaaten mit unterschiedlichen Beiträgen bei: China zahlt 41 Milliarden US-Dollar ein, Russland, Brasilien und 
Indien jeweils 18 und Südafrika fünf Milliarden US-Dollar. Im Prinzip handelt es sich hierbei um eine Art „Solidaritätskasse", die genutzt werden kann, wenn einer der Brics-Mitgliedstaaten finanziell ins Schlingern gerät. „Das Rahmenabkommen über den Reservefonds zieht keine unmittelbaren Verpflichtungen nach sich. Geld wird erst ausgezahlt, wenn die Zentralbanken der Mitgliedstaaten eine Vereinbarung unterzeichnen", erläutert Abramow. Gleichzeitig würden die Zentralbanken ihre Ressourcen, die dem Anteil des jeweiligen Brics-Mitglieds am Reservefonds entsprechen, als eigene internationale Reserve führen. „Dieser virtuelle Währungspool soll eine Alternative zu Instituten wie dem Internationalen Währungsfonds und der Weltbank darstellen", bemerkt der Experte.

Das zweite Projekt der Brics-Staaten ist die Schaffung einer Neuen Entwicklungsbank (NDB), deren Kredite für Investitionen in institutionelle oder Infrastruktur-Projekte auch in anderen Ländern dienen sollen. In der Startphase soll die Brics-Entwicklungsbank mit zehn Milliarden US-Dollar ausgestattet werden. Der Geschäftssitz wird sich in China befinden, der erste Präsident soll von Indien gestellt werden. Anfang Mai dieses Jahres benannte der stellvertretende russische Finanzminister Sergej Stortschak den ersten möglichen Empfänger von Hilfeleistungen der Brics-Bank: Griechenland. Dessen Verschuldung beträgt 320 Milliarden Euro oder mit anderen Worten 177 Prozent des BIP. Allein Deutschland schuldet Athen 56 Milliarden Euro.

Jakow Mirkin, Experte der Russischen Akademie der Wissenschaften: Der IWF schafft es nicht alleine

 

Gibt es derzeit Bedarf für eine Brics-Bank?

Die Brics-Bank muss zusammen mit dem geplanten Reservepool betrachtet werden. Die Länder verfügen gemeinsam über Rücklagen in Höhe von fünf Billionen Dollar. Gleichzeitig haben die Brics-Staaten nicht nur Interesse an Stabilität, sondern auch daran, diese nach eigener Vorstellung zu gestalten und Schocks abzuwehren. Überall auf der Welt entstehen derzeit Alternativen zu den bestehenden Instrumenten. Zumal die Reform des Internationalen Währungsfonds, die gerade den Brics-Staaten mehr Mitsprache garantieren sollte, nicht abgeschlossen ist.

Stellt sie eine Konkurrenz für den IWF und die Weltbank dar?

Zweifelsohne wird es zu einem Wettbewerb der Ideen und der Weltsichten kommen. Die Praxis zeigt aber auch, dass verschiedene Institutionen, wie im Falle Griechenlands, kooperieren können. Das Finanzsystem ist zu kompliziert für den IWF und die Weltbank alleine. Die Welt braucht nachgelagerte Strukturen.

 

Brics-Länder in Zahlen

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Quo vadis, Brics?

Die endgültige Entscheidung über die Schaffung der neuen Institute soll in Ufa gefällt werden. Experten sehen die Projekte noch skeptisch. Mit der von China initiierten Asiatischen Bank für Infrastrukturinvestitionen (AIIB) gibt es bereits einen ernst zu nehmenden Konkurrenten. Darüber hinaus werden zwischen Russland und China bilaterale Abkommen außerhalb des Brics-Rahmens geschlossen. So einigten sich die beiden 
Länder während des offiziellen 
Besuchs des chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping Anfang Mai in Moskau über eine künftige Beteiligung Russlands an dem „Seidenstraßen-Wirtschaftsgürtel", den China plant. Und russische Banken erhielten von China Kredite in Yuan. Alexej Koslow, Chefanalyst von UFS IC, ist der Ansicht, dass die westlichen Investitionsinstitute dennoch die Hauptkonkurrenz sowohl der Brics-Entwicklungsbank als auch der AIIB blieben.

Doch ungeachtet der Schwierig
keiten könnten die neuen Finanzinstitute ein effektives Instrument der interregionalen Wirtschaftsintegration werden. „Aus einer Gruppe von Ländern, deren gemeinsamer Nenner lediglich ein ähnlich hohes Wirtschaftswachstum war, hat sich Brics in eine geopolitische Vereinigung, in eine politische Kraft, verwandelt, hinter der in etwa 40 Prozent der Weltbevölkerung steckt", fasst Koslow zusammen. Die Bedeutung dieser Organisation werde für ihre Mitglieder wachsen, ist er überzeugt.

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