Frank Schauff: Der russische Markt bleibt attraktiv

Frank Schauff: Aufgrund des steigenden Rubelkurses ist es zur Zeit sehr aussichtsreich, in Russland ein Unternehmen zu gründen.

Frank Schauff: Aufgrund des steigenden Rubelkurses ist es zur Zeit sehr aussichtsreich, in Russland ein Unternehmen zu gründen.

Pressebild
Investitionen in Russland lohnen sich, sagt Frank Schauff, Direktor der Association of European Business (AEB), im RBTH-Interview.

RBTH: Gegenwärtig werden die russische und europäische Geschäftswelt sehr stark durch die gegenseitigen Sanktionen Russlands und der Europäischen Union beeinflusst. Welchen politischen Einfluss hat diese Abkühlung auf die Unternehmer?

Frank Schauff: Die politische Lage beeinflusst natürlich den Geschäftsbetrieb der europäischen Unternehmen in Russland. Denn wenn wir uns die Sanktionen der Europäischen Union genauer anschauen, so erstrecken sie sich zwar formal 
betrachtet lediglich auf ein paar Großunternehmen, die in bestimmten Branchen tätig sind: 
in der Rüstungsindustrie, dem 
Finanzbereich und der Erdöl- und -gasförderung.

In Wirklichkeit haben die Sanktionen eine wesentlich größere Auswirkung: Viele Unternehmen zögern, in Russland zu investieren, obwohl das von den Beschlüssen der Europäischen Union nicht vorgesehen war, und die europäischen Banken lassen sich nur sehr vorsichtig auf Projekte ein, die mit Russland zu tun haben. Darüber hinaus haben die Sanktionen der USA, die viel schärfer sind als die europäischen, einen extraterritorialen Effekt, da sie sich de facto auf alle Unternehmen erstrecken, die auf dem US-amerikanischen Markt tätig sind.

Einen unmittelbaren Effekt auf das Investitionsklima in Russland haben auch der niedrige Erdölpreis und der schwache Rubel sowie der damit verbundene Nachfragerückgang vonseiten der russischen Verbraucher und die Herabstufung des internationalen Ratings.

Welche Faktoren beeinflussen gegenwärtig das Verhältnis der europäischen Geschäftsleute zu Russland am meisten, der Rubelverfall und der niedrige Erdölpreis oder vielleicht doch die Sanktionen?

Dr. Frank Schauff (47) ist seit Juni 2007 CEO der Association of European Businesses (AEB) in Russland. Davor war er außenpolitischer Referent beim Parteivorstand der SPD.

Schauff studierte Geschichte an der Universität zu Köln und an der Staatlichen Universität Wolgograd (UdSSR). Seinen Master machte er in Wirtschaftsgeschichte und Politikwissenschaft an der London School of Economics and Political 
Science (LSE).

Nach seiner Promotion in Osteuropäischer Geschichte 2000 in Köln war er Dozent für Osteuropaforschung an der Freien Universität in Berlin. Er spricht und versteht sechs Sprachen.

Einige ausländische Investoren in Russland sind schon sehr lange hier tätig und haben die vergangenen Krisen der Jahre 1998 und 2008/2009 noch gut in Erinnerung. Die gegenwärtige Krise in Russland unterscheidet sich dadurch, dass sie von geopolitischen Faktoren beeinflusst wird.

Wenn ich einschätzen sollte, wie die Faktoren sich in etwa auswirken, würde ich sagen: Die Investoren werden zu etwa 80 Prozent von dem schwachen Rubelkurs und dem niedrigen Erdölpreis beeinflusst und nur zu 20 Prozent von den Sanktionen. Dabei mussten im ersten Quartal 2015 viele europäischen Unternehmen mit Erstaunen erkennen, dass die Situation auf den russischen Märkten viel besser ist, als sie erwartet hatten.

Ist es Ihnen gelungen, in einen Dialog mit den russischen Behörden zu treten? Wie bewerten Sie Ihren Erfolg beim Verfechten der Interessen europäischer Investoren in Russland?

Bei unserer Tätigkeit ist es sehr schwer, die Effektivität der Arbeit einzuschätzen, weil es keine objektiven Bewertungskriterien gibt. Wir unterhalten einen engen Kontakt zu den russischen Be
hörden. Den Mitgliedern unserer Organisation brennen die verschiedensten Probleme unter den Nägeln, da ist vor allem die Importsubstitution zu nennen.

Einerseits hat die russische Führung erkannt, dass es klare Spielregeln für ausländische Investoren geben muss. Andererseits existiert kein einziges objektives Kriterium, um zu definieren, was ein russischer Produzent ist, da die Produktion vieler Waren in Russland durch ausländische Unternehmen lokalisiert wurde. So beschränkte die russische Regierung 2014 die öffentliche Auftragsvergabe für bestimmte ausländische Waren, darunter auch von bereits in Russland angesiedelten Unternehmen, was deren Absatzmöglichkeiten auf dem russischen Markt beeinträchtigen kann.

Unlängst fasste die russische Regierung den Beschluss, den Parallelimport für einige Warengruppen zu gestatten. Wie be
werten Sie diese Initiative?

Gegenwärtig führen wir zu dieser Frage mit verschiedenen Behörden viele Gespräche, da der Parallelimport in Russland mehr als zehn Jahre lang verboten war. Auf dieser Grundlage haben Unternehmen sich dafür entschieden, in eine eigene Produktion in Russland zu investieren. Deswegen ist die Legalisierung des Parallelimports eine Frage, die diskutiert wird. So könnte diese Entscheidung auch dazu führen, dass Unternehmen nicht mehr länger Produktion ansiedeln möchten oder dass vermehrt gefälschte Produkte auf den russischen Markt gelangen. Ich denke, dass deshalb das Verbot für Parallelimporte nach Russland beibehalten werden sollte.

Russlands Rückkehr zum Parallelimport

Die russische Regierung stimmte Anfang Mai der Einführung eines Parallelimports für einige Warenkategorien zu. Dies könnte als Antikrisenmaßnahme wirken und zu einer Preissenkung beitragen.

Derzeit werden Waren von offiziellen Vertreibern nach Russland importiert, die auch die Preise für den russischen Markt festlegen dürfen. Der direkte Import ist derzeit ohne die Einbeziehung von offiziellen Mittelfirmen verboten.

Nach Schätzungen der Eurasischen Wirtschaftskommission wird der Parallelimport den Preis von importierten Original-Autoersatzteilen um 60 bis 80 Prozent, von Parfümerieprodukten um 20 bis 60 Prozent und von Automobilsitzen um bis zu 50 Prozent senken.

Der Parallelimport wurde in Russland 2002 verboten. Die Kontrolle über den Verkauf importierter Waren wurde den Eigentümern der Marken übertragen, der freie Import und Verkauf von Waren ohne deren Genehmigung galten seitdem als Straftaten.

Das Verbot hat ausländische Investoren auf den russischen Markt gelockt, um dort eigene Produktionen aufzubauen. So eröffnete Bayer 2010 in Noginsk bei Moskau eine eigene Produktionsstätte.

 

Sehen Sie denn gegenwärtig vonseiten der europäischen Hersteller eine Chance für Investitionen in die Produktion in Russland? Werden Ihnen ungeachtet der Sanktionen entsprechende Anfragen gestellt?

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist es aufgrund des steigenden Rubelkurses sehr aussichtsreich, in Russland ein Unternehmen zu gründen, und die Immobilienpreise sind auf dem Markt zurzeit sehr niedrig. Aber bei Weitem nicht alle europäischen Unternehmen erkennen diesen Vorteil. Wir sehen allerdings auch Beispiele für den entgegengesetzten Trend: Unternehmen entscheiden sich für einen Eintritt in den russischen Markt, zum Beispiel in der Pharmazie, im Konsumgüterbereich oder im Maschinenbau. 
Darüber hinaus sind aufgrund 
des schwachen Rubelkurses die Produkte, die in Russland hergestellt werden, auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähiger geworden. Deshalb haben die Mitglieder unserer Organisation bereits damit begonnen, ihre Waren aus Russland zu exportieren. So liefert 
zum Beispiel das Unternehmen Roсa, ein Hersteller von Sanitärtechnik, seine Produkte nach Kasachstan, Belarus und in andere Länder.

Mit welchen Schwierigkeiten sind die europäischen Unternehmen in Russland konfrontiert?

Alle ausländischen Märkte verfügen über ihre eigenen spezifischen Schwierigkeiten, in Russland ist eines der größten Probleme die Bürokratie: Es sind immer sehr viele Fragen mit den Behörden zu klären und die Beamten sind recht unflexibel. Dabei sei jedoch zu bemerken, dass sich die Situation in letzter Zeit in vielen Belangen gebessert hat. Die Association of European Businesses engagiert sich als Vertreterin der ausländischen Investoren in Russland sehr stark für die Gewinnung neuer Spieler auf dem russischen Markt. Mehr als 50 Prozent der ausländischen Investoren, die in Russland arbeiten, sind Unternehmen aus Europa. Russland ist ein Markt, an dem diese Unternehmen interessiert sind. Selbst wenn die Sanktionen beibehalten und nicht eingestellt werden, kann der Zustand trotzdem stabil sein. Aber dafür dürfen die russischen Behörden keine größeren Schritte in Richtung Protektionismus unternehmen.

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