Trotz Sanktionen könnte sich der britische Energieriese BP in ein Rosneft-Projekt einkaufen. Foto: Sergej Sawostjanow/TASS
Der Energieriese BP könnte bereits in dieser Woche den Kauf von 20 Prozent der Anteile an einem perspektivreichen Erdöl-Fördergebiet, das sich im Besitz des russischen Mineralölkonzerns Rosneft befindet, bekannt geben. Es wäre der erste große Deal eines westlichen Investors mit einer Gesellschaft aus Russland, die unter EU- und US-Sanktionen steht.
Die „Financial Times" hatte unter Verweis auf eigene Quellen über das Interesse von BP am Erdöl-Fördergebiet Taas-Jurjach berichtet. Der Zeitung zufolge könnte der 700 Millionen US-Dollar (623 Millionen Euro) teure Handel während des an diesem Donnerstag beginnenden Sankt Petersburger Wirtschaftsforums verkündet werden. Bereits vor dem offiziellen Start des
Forums sagte der Vorstandsvorsitzende von BP, Robert Dudley, in einem Interview mit dem US-Fernsehsender CNBC, dass das Unternehmen in Russland „zusätzliche Investitionsmöglichkeiten" erschließen werde.
Vor dem Hintergrund der Sanktionen gegen Rosneft ist es bemerkenswert, dass ein westlicher Investor an Verhandlungen überhaupt interessiert ist. Sergej Pikin, Direktor des Nationalen Energieentwicklungsfonds (FNEB), vermutet, BP könnte eine Ermächtigung der britischen Behörden für den Vertragsabschluss erhalten haben. Außerdem stellt der Experte fest, dass die Handlungen von BP keinen direkten Beschränkungen unterliegen. „Es geht nicht um einen Kauf von Rosneft-Aktien, sondern um den Kauf von Anteilen an einem Fördergebiet. Juristisch gesehen fällt das nicht unter die Sanktionen", erklärt er.
Das britische Unternehmen steht mit seiner Investitionsbereitschaft nicht allein da. Trotz der Verhängung von Sanktionen durch die Europäische Union wollen auch andere europäische Gesellschaften ihre Kooperationen mit Russland nicht aufgeben. „Wir arbeiten mit der italienischen Gesellschaft Eni, mit Statoil aus Norwegen und mit dem französischen Konzern Total zusammen", sagt Alexandr Pasetschnik, Leiter der Analyse-Abteilung bei FNEB. „Diese Gesellschaften wenden sich direkt an die Regierungen ihrer Länder und bitten, bestimmte Projekte in Russland zu genehmigen. Oft erhalten sie eine Erlaubnis." Jüngsten Informationen zufolge erhielten Eni und Statoil bereits eine Genehmigung für die Fortsetzung ihrer Arbeit mit Rosneft. Shell, das heute mit dem Mineralölunternehmen Gazpromneft zusammenarbeitet, erhielt von den niederländischen Behörden ebenfalls grünes Licht für andere Projekte mit russischen Gesellschaften.
„Der russische Markt ist für europäische Gesellschaften aus geopolitischer Sicht weniger riskant als die Märkte des Irans, Iraks oder Lateinamerikas", erklärt Pasetschnik das anhaltende Interesse. „Außerdem gibt es immer noch große Ressourcenvorräte in Russland." Doch damit könnte bald Schluss sein. Angaben des russischen Energieministeriums zufolge förderte Russland im Jahr 2014 0,9 Prozent weniger Erdöl als im Vorjahr. Das entspricht einer Fördermenge von 190,9 Millionen Tonnen. Für 2015 rechnet Gazprom mit einem Rückgang der Fördermengen um weitere 0,5 Prozent aufgrund einer fortschreitenden Erschöpfung der Rohstoffquellen. Rosneft geht somit das Risiko ein, langfristige Verträge mit China über Erdöllieferungen nicht bedienen zu können. „Dank des Deals mit BP erhält Rosneft nicht nur Investitionen, sondern auch eine gute technologische Grundlage. Beides ist von großer Bedeutung, denn es ermöglicht der Gesellschaft, die Förderung des wertvollen Rohstoffs auszubauen", meint Pasetschnik hoffnungsvoll.
Rosneft hat im Jahr 2013 einen Vertrag über die Lieferung von Erdöl an China abgeschlossen. Die Gesellschaft hat sich verpflichtet, täglich 300 000 Barrel Erdöl über die Ostsibirien-Pazifik-Pipeline in das Nachbarland zu liefern. Durch die Zusammenarbeit mit BP, so heißt es, ist nun geplant, die tägliche Liefermenge auf 900 000 Barrel pro Tag zu erhöhen.
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