Rustam Minnichanow: „Man kann alles kaufen, nur Menschen nicht“

Foto: RIA Novosti/ Evgeny Biyatov

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Tatarstan belegt 2015 Platz eins der Nationalen Investitionsklima-Rangliste. Gut ausgebildete Fachkräfte auch in der Verwaltung und eine starke Infrastruktur überzeugen ausländische Unternehmen, weiß Präsident der Republik Rustam Minnichanow. Im Interview mit RBTH verrät er weitere Erfolgsfaktoren.

RBTH: Welches sind die größten Projekte unter Beteiligung ausländischer Investoren, die derzeit in Tatarstan umgesetzt werden?

Rustam Minnichanow: Wir arbeiten mit Investoren aus der ganzen Welt zusammen. Beispielsweise realisieren wir zurzeit gemeinsam mit türkischen Investoren einige Großprojekte mit einem Investitionsvolumen von 1,3 Milliarden Euro. Dabei geht es um die Produktion von Karosserieteilen, Faserplatten, Sanitärprodukten und synthetischen Wasch- und Reinigungsmitteln. Des Weiteren eröffnete das dänische Unternehmen Rockwool bei uns sein größtes Dämmstoffe-Werk. Und vor Kurzem konnten wir das US-amerikanische Unternehmen Armstrong für uns gewinnen, es fertigt Feuerraumdecken. 3M, ein weiteres US-amerikanisches Unternehmen, stellt hier gerade ein Werk fertig. Außerdem errichten chinesische Unternehmen bei uns Mineraldüngerwerke – die Kontingentierung erfolgte über japanische Banken und diese zogen chinesische Baufirmen hinzu.

Welche Konditionen bieten Sie ausländischen Unternehmen, damit diese nicht in die Hauptstadt-Region, sondern in Tatarstan investieren?

Wir haben zwei Sonderwirtschaftszonen: Alabuga und Innopolis. Während das Projekt Innopolis ganz auf IT ausgerichtet ist, handelt es sich bei Alabuga um eine Industriezone, in der bereits 19 Produktionsstätten im Wirkbetrieb sind, darunter ein Ford-Werk, das dort fünf verschiedene Pkw-Modelle produziert. Dieses Unternehmen will bis zum Jahresende auch ein Dieselmotoren-Werk fertigstellen.

Zudem sind in der Republik viele Industriestandorte zu finden. Zum Beispiel der Industriepark Master auf dem Gelände des alten Kamaz-Werks. Mit einer Fläche von 64 Hektar ist es der größte Industriepark Europas. An solchen strukturierten Standorten können wir die Realisierung der Projekte kontrollieren und helfend eingreifen, wenn bürokratische Probleme auftreten. Außerdem wird den Investoren in diesen Parks die gesamte benötigte Ingenieur-, Transport- und IT-Infrastruktur zur Verfügung gestellt und ihnen darüber hinaus hoch qualifiziertes Personal geboten. Für Investoren gibt es zudem Steuervergünstigungen. Die Unternehmen erhalten zusätzlich Zugang zu den Energieträgern und der Infrastruktur zu Sonderkonditionen.

Tatarstan positioniert sich oft als sogenanntes russisches Singapur, vielleicht auch deshalb, weil Sie eben gerade dorthin Ihre Mitarbeiter zur Ausbildung schicken. Was begeistert Sie an Singapur?

Zahlen

Das Bruttoinlandsprodukt der Republik Tatarstan betrug im Jahr 2014 1,6 Billionen Rubel (etwa 32 Milliarden Euro), die Investitionen in Anlagevermögen 542 Milliarden Rubel (etwa elf Milliarden Euro).

In Singapur erhalten wir Beratungs- und Ausbildungsdienstleistungen – dieser Staat verfügt über einen einmaligen Erfahrungsschatz. Anfang der Sechzigerjahre eroberte das Land innerhalb kürzester Zeit in vielen Bereichen eine Spitzenposition. Es gibt dort ein sehr gutes Ausbildungssystem für Verwaltungsbeamte. Wir gründeten ein Gemeinschaftsunternehmen, das Fachleute für den Bildungssektor ausbildet. Außerdem haben wir zur Ausbildung staatlicher Beamter für die kommunale Ebene eine Vereinbarung mit zwei Bildungszentren aus Singapur unterzeichnet. Jedes Jahr absolvieren mehrere Gruppen dort eine Ausbildung. Dabei handelt es sich um zehntägige Schulungen für alle Verwaltungsbeamten, auch für die Minister und Verwaltungschefs.

Es ist äußerst wichtig, dass die Menschen nicht nur zu hören bekommen, sondern mit eigenen Augen sehen können, wie andere Länder sich zu Weltführern entwickeln – das wirkt sich positiv auf die Herausbildung des zukünftigen Leitungspersonals aus. Außerdem gibt es in Tatarstan eine ausländische IT-Universität, an der die Vorlesungen in Englisch gehalten werden, sowie eine neue russisch-deutsche Technische Hochschule, die Studenten mit zwei Diplomen abschließen können.

Eine mit ausländischem Know-how angereicherte Ausbildung zieht ausländische Investoren in die Region?

Die Investoren legen vor allem Wert darauf, mit wem sie in Zukunft zusammenarbeiten werden. Wenn ausländische Unternehmen ein Werk in Russland in Betrieb nehmen, bringen sie das Personal gleich mit, in Tatarstan dagegen ist das nicht notwendig. Das hoch qualifizierte Personal vor Ort ist unser größter Wettbewerbsvorteil. Man kann alles kaufen, nur die Menschen nicht. Außerdem verfügen wir über eine sehr gut entwickelte Industrielandschaft – es gibt bei uns Erdölförderbetriebe und Raffinerien sowie Betriebe aus dem Bereich des Flugzeug-, Motoren- und Hubschrauberbaus.

Es heißt, dass Sie sich für eine aktive Zusammenarbeit mit islamischen Banken stark machen. Kann islamisches Kapital Ihrer Meinung nach eine westliche Finanzierung ersetzen?

Wir sagen immer wieder, dass Russland nicht intensiv genug mit der islamischen Welt zusammenarbeitet. Dabei zählt die islamische Welt inzwischen zwei Milliarden Menschen, von denen 20 Millionen in Russland leben. Die islamische Entwicklungsbank stellt eine sehr starke Finanzstruktur dar. Und da der Westen die Kreditvergabe für Russland gedrosselt hat, erschließen wir andere Quellen.

Ja, tatsächlich: Für Russland stellen die islamischen Banken gegenwärtig noch keinen Vorteil dar, aber schon jetzt werden diese Finanzierungsinstrumente nicht nur von islamischen Ländern, sondern auch von Großbritannien und anderen europäischen Staaten genutzt. Wenn selbst die britische Gesetzgebung es gestattet, nach den Prinzipien des islamischen Bankenbusiness zu arbeiten, dann wird Russland das auch können. Deshalb haben wir mit dem Geschäftsführer der islamischen Entwicklungsbank Achmed Muchammedow Ali eine Vereinbarung zur Schaffung einer speziellen Arbeitsgruppe zu dieser Frage unterzeichnet.

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