Russland finanziert Investitionen mit Rentengeldern

Alexander Rjumin/TASS
Die Rentenreform der russischen Regierung zeigt erste Erfolge: Die privaten Rentenfonds nutzen die neue Möglichkeit, in den Realwirtschaftssektor zu investieren. Allein im zweiten Quartal 2015 flossen so etwa 2,4 Milliarden Euro in Infrastrukturprojekte.

Im zweiten Quartal 2015 haben private russische Rentenfonds umgerechnet bis zu 2,4 Milliarden Euro in den Realwirtschaftssektor investiert. Das entspricht elf Prozent ihrer Rücklagen. Das geht aus dem Effizienzbericht zur Anlage privater Sparrenten hervor, den das russische Finanzministerium der Regierung vorgelegt hat, wie die russische Wirtschaftszeitung RBC-Daily berichtet.

Nach Angaben des Ministeriums belief sich das Volumen der russischen Rentenersparnisse zum 1. Juli 2015 auf umgerechnet etwa 45 Milliarden Euro, von denen etwa 21 Milliarden Euro auf private Rentenfonds entfielen. Alle weiteren Renten werden von der staatlichen Wneschekonombank, Bank für Entwicklung- und Außenwirtschaft, verwaltet. Die groß angelegte Reform zur Nutzung von Geldern privater Rentenfonds für die Finanzierung langfristiger Infrastrukturprojekte wurde somit erfolgreich umgesetzt.

Investitionen in Energie und Verkehr

Laut Finanzministerium haben die privaten Rentenfonds mit rund 1,6 Milliarden Euro am meisten in Wertpapiere von Unternehmen des Realwirtschaftssektors investiert. Unter anderem wurden für rund 313 Milliarden Euro Wertpapiere der Erdölgesellschaft Baschneft, für rund 275 Millionen Euro Wertpapiere der russischen Eisenbahngesellschaft RZD, für rund 137 Millionen Euro Wertpapiere des größten russischen Energieanbieters Rosseti und für rund 25 Millionen Euro Wertpapiere der Investmentholding AFK Sistema gekauft. Alle Gesellschaften planen umfangreiche Investitionsprogramme.

Weitere 194 Millionen Euro haben die Rentenfonds in den Bau der Autostrecke Moskau-Sankt Petersburg investiert. Die verbleibenden 750 Millionen Euro gingen in den Wohnungsbau, unter anderem über den Kauf von Wertpapieren der Agentur für Hypothekenkredite, einem Baufinanzierer.

„Größtenteils wurden die Gelder, die private Rentenfonds in die Wirtschaft investierten, in Wertpapieren russischer Emittenten, die sich mit Infrastruktursanierungsprojekten befassen, angelegt“, fasst Semjon Nemzow, Analyst bei IK Russ-Invest, zusammen. Vor dem Hintergrund instabiler Finanzmärkte und eines erschwerten Zugangs russischer Banken zu  Krediten aus westlichen Ländern stellten diese Gelder ein gutes Instrument für die Wirtschaftsentwicklung dar, meint Nemzow.

Wird das Geld arbeiten oder verloren gehen?

Im April hatte die russische Regierung beschlossen, Rentengelder für die Finanzierung langfristiger Investitionsprojekte zu verwenden. Gegenwind gab es vom sogenannten sozialen Block der Regierung. Der hatte Bedenken, weil den privaten Rentenfonds die Erfahrung mit Investitionsgeschäften in der Realwirtschaft fehlte. Am Ende einigte sich die Regierung jedoch darauf, die Rentenmittel in die russische Wirtschaft zu investieren.

Ilja Balakirew, Chefökonom von UFS IC, findet, die russische Regierung habe alles richtig gemacht: „Die Investitionen der Fonds in Infrastrukturprojekte der Realwirtschaft sind generell richtig. Sie entsprechen der Logik, nach der ein Sparrentensystem geschaffen wird. Es geht dabei um langfristige Anlagen. Das Geld muss arbeiten.“

Gennadi Waschtschenko, Leiter der Verwaltung für Transaktionen am russischen Wertpapiermarkt der Investitionsgesellschaft Freedom Finance, ist hingegen kritisch: „Die Realwirtschaft muss unterstützt werden, dennoch ist die Idee, neue ‚Jahrhundertbaustellen‘ auf Kosten der künftigen Generationen zu finanzieren, nicht die gescheiteste. Viele der Investitionsprojekte sind auf den Ausbau der Rohstoffexporte ausgerichtet, was angesichts der sinkenden Rohstoff- und Energieträgerpreise gewagt ist“, findet er. Nach seinen Schätzungen wird der Staat die steigenden Tarife in der Verkehrsbranche bremsen müssen, um an Rohstoffexporten zu verdienen. Das wiederum wird den Rückfluss von Rentengeldern bei Infrastrukturprojekten erschweren.

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