Davos: Das Schlimmste steht Russlands Wirtschaft noch bevor

Die Talsohle ist noch längst nicht erreicht, warnen Experten.

Die Talsohle ist noch längst nicht erreicht, warnen Experten.

AP
Russische Wirtschaftsexperten zeigten sich auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos besorgt über die Zukunft des Landes. Die Talsohle der Wirtschaftskrise sei noch längst nicht erreicht. Notwendig seien grundlegende Reformen, um die Rohstoffabhängigkeit zu verringern.

Am Samstag ging im schweizerischen Davos das alljährliche Weltwirtschafsforum zu Ende. Auch Russland schickte eine Delegation, der unter anderem der stellvertretende Ministerpräsident Juri Trutnew und der frühere russische Finanzminister Aleksej Kudrin angehörten.

Kudrin zeigte sich in einer Rede besorgt über den Zustand der russischen Wirtschaft. Er warnte, der „Höhepunkt der Krise“ stehe Russland erst noch bevor, und der Kreml müsse sich dafür wappnen. Die wirtschaftliche Lage werde sich weiter verschlechtern, prophezeite der Ökonom, in der Folge würden weniger Investitionen getätigt werden. Er rechnet zudem mit sinkenden Löhnen. Der schwache Rubel werde ein zusätzliches Hindernis auf dem Weg zur Modernisierung der russischen Wirtschaft sein, sagte Kudrin.

Die meisten Sorgen bereiten Kudrin die Auswirkungen des Ölpreisverfalls. Der Ex-Minister gab sich sehr pessimistisch und schloss weitere Ölpreissenkungen nicht aus – dabei rechnet der Ökonom mit einem weiteren Rückgang bis unter 18 US-Dollar pro Barrel. Darin sieht er jedoch auch die Chance, dass Russland vermehrt Anstrengungen unternehmen wird, die Abhängigkeit von Kohlenwasserstoffen zu verringern. Juri Trutnew betonte ebenfalls, dass der niedrige Ölpreis das Land zwingen werde, beträchtliche wirtschaftliche Strukturreformen durchzuführen.

Schwere Kritik an der Regierung

Wladimir Mau, Rektor der Russischen Akademie für Volkswirtschaft und Staatsdienst beim Präsidenten der Russischen Föderation, schließt sich der düsteren Prognose über die Zukunft des globalen Ölmarkts und somit der russischen Wirtschaft an. Auch er fordert, die Abhängigkeit vom Erdöl zu verringern. In Zukunft sei mit einer geringeren Nachfrage nach Öl zu rechnen, schreibt Mau in seiner Kolumne für die Wirtschaftszeitung „Wedomosti“. „Die Ölnachfrage hängt unmittelbar mit dem technologischen Fortschritt zusammen“, meint Mau, der in seinem Beitrag ausführt: „Die Technologie verändert sich und es ist nicht ausgeschlossen, dass Erdöl nur noch im Bereich der Energie- und Chemieindustrie benötigt wird“. Die politische Bedeutung von Erdöl werde nicht mehr dieselbe sein wie in den letzten 40 Jahren, fügt er hinzu. „Der Ölpreis heute ist zu sehr von äußeren Faktoren abhängig, die nur sehr schwer zu berechnen sind. Je weniger die Wirtschaft von der aktuellen Unbeständigkeit (des Ölmarkts) abhängig ist, desto besser verträgt sie ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum“, betont Mau.

Jakow Mirkin vom Institut für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen der Russischen Akademie der Wissenschaften fordert Wirtschaftsreformen, die den Fluch der Ressourcenabhängigkeit beheben oder zumindest lindern könnten. Der Anteil des russischen Öls auf dem europäischen Energiemarkt werde in Zukunft unausweichlich fallen, ist Mirkin überzeugt. Auch dieser Experte sieht die Talsohle der russischen Wirtschaftskrise noch nicht erreicht und geht davon aus, dass der US-Dollar konstant und der Ölpreis in den nächsten drei bis vier Jahren niedrig bleiben werde.

Angesichts der Tatsache, dass die „technologischen Sanktionen“ des Westens Wirkung gezeigt hätten und die geopolitischen Risiken stiegen, könne von einer Überwindung der Krise in naher Zukunft keine Rede sein. „Die Regierung und die Finanzbehörden sind jedoch felsenfest davon überzeugt, dass alles, was sie tun, richtig und fehlerlos sei“, kritisiert Mirkin. „Solange dieses Wirtschaftsteam am Steuer ist, wird es keine wesentlichen Veränderungen geben.“

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