Im Januar hoben die Vereinten Nationen sämtliche Sanktionen im Wirtschafts- und Finanzbereich gegen Teheran auf. Dadurch wurde einer der größten Märkte in der Nahostregion wieder zugänglich. Zahlreiche Großunternehmen und Konzerne aus verschiedenen Ländern äußerten bereits ihr Interesse, auf den iranischen Markt zurückzukehren.
Dem iranischen Nuklearsektor kommt ein besonders hoher Stellenwert zu: Behruz Kamalwandi, Sprecher der Iranischen Atomenergieorganisation (AEOI), stellte im Januar in Aussicht, dass im Iran mit westlicher Hilfe sieben bis acht Atomkraftwerke gleichzeitig errichtet werden könnten.
Ende 2015 hatte Ali Akbar Salehi, Irans Außenminister und Leiter der AEOI, bekannt gegeben, dass Peking und Teheran sich auf den Bau von zwei Kernkraftwerken an der iranischen Südküste geeinigt haben. Ende Januar sickerten in der Presse Informationen durch, denen zufolge der Iran gemeinsam mit Spanien die Vertragsbasis für den Bau von zwei weiteren Atomenergieanlagen vorbereite.
Allem Anschein nach setzt Iran bei Nuklearprojekten jedoch vor allem auf eine Zusammenarbeit mit russischen Fachleuten. Nach Angaben der iranischen Nachrichtenagentur IRNA hob Salehi am Montag hervor, dass Russland gegenüber anderen Staaten im iranischen Atomkraftsektor Vorteile genießen werde. „Früher arbeitete nur Russland mit dem Iran in der Kernkraftbranche zusammen. Heute hingegen sind viele Staaten an einer solchen Zusammenarbeit interessiert“, zitiert die IRNA den Politiker. Der iranische Atombehördenchef versicherte, dass der Iran die Unterstützung und Hilfe Russlands niemals vergessen werde, „eines Freundes, der in schweren Zeiten unser Verbündeter blieb.“
Experten sehen in der Stellungnahme von Salehi auch Kalkül. „Russland besitzt die derzeit fortschrittlichste Kernkrafttechnologie, den Atommeiler der Generation 3+. Der Iran benötigt wiederum dringend – und nicht erst morgen – Innovationen. Da der Iran durch die Sanktionen sehr viel Zeit verloren hat, hat das Land großen Nachholbedarf“, meint der Experte Semjon Dragalski.
Russische Nukleartechnologien sind in der Nahost-Region nichts Neues. So wurden im Irak, in Ägypten, Libyen und Algerien in den Sechziger- und Siebzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts Atommeiler zu Forschungszwecken errichtet. Großteils wurden Atomingenieure aus diesen Ländern in der ehemaligen Sowjetunion ausgebildet.
Darüber hinaus baute die russische Atombehörde Rosatom für den Iran das Kernkraftwerk in Buschehr mit einer elektrischen Leistung von 1 000 Megawatt. 2013 wurde die Anlage in Betrieb genommen. Die Russen bauten eine Atomruine wieder auf, die deutsche Fachleute in den Siebzigerjahren angefangen hatten zu errichten. Der erste iranische Atommeiler wurde zum kompliziertesten Ingenieursprojekt in der Geschichte der Kernenergie: Russland integrierte eine eigene Technologie in eine nicht kompatible deutsche Atomanlage vom Typ Biblis. Anschließend baute Russland weitere 12 000 Tonnen deutscher technischer Ausstattung ein. Das Kernkraftwerk von Buschehr wurde zum Preisträger des Wettbewerbs „Projekt 2014“, ausgeschrieben von der US-Fachzeitschrift „Power Engineering“.
Unabhängige Experten teilen die Meinung, dass die Wettbewerber von Rosatom auf dem iranischen Markt keine großen Chancen haben. „Selbst unter größtem Sanktionsdruck haben die Russen im Iran die weltweit modernste Kernkraftanlage errichtet. Dabei folgten sie sämtlichen vertraglichen Verpflichtungen gegenüber ihrem Auftraggeber und verstießen nicht gegen die Vorschriften der internationalen Gemeinschaft. Nach dem erfolgreichen Start des Atommeilers von Buschehr ist das Vertrauen in Russland fest wie nie zuvor“, urteilt Alexander Uwarow, der als Experte in der Nuklearbranche tätig ist.
Als Beispiel dafür dienen die 2014 unterschriebenen bilateralen Abkommen über den Bau von acht neuen Atommeilern, von denen zwei als zusätzliche Kernreaktoren im Rahmen der nuklearen Energieanlage von Buschehr errichtet werden sollen. Die Verhandlungen über den zweiten Bauabschnitt des Kernkraftwerks von Buschehr sind derzeit im Gange. Seit Beginn dieses Jahres bereiten 50 russische Fachleute die Bauarbeiten vor.
Russische Atomspezialisten sind unterdessen bereit, ihre Dienstleistungen auch außerhalb des Energiesektors anzubieten. Dabei geht es um innovative radioaktive Technologien wie zum Beispiel Bestrahlung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen oder Materialmodifizierung. „Diese Technologien sind sowohl in Asien als auch Europa und den USA sehr gefragt und werden unter Umständen auch für den Iran von Interesse sein“, meint Uwarow.
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